13.04.2003

Eine europäische Perspektive für die Türkei

Die Türkei ist seit 1999 EU-Beitrittskandidatin.

Die Julis begrüßen die Bereitschaft des Europäischen Rates Ende 2004, erneut zu überprüfen, ob die Türkei die politischen Kriterien für den Beginn von Beitrittsverhandlungen erfüllt und gegebenenfalls Verhandlungen aufzunehmen. Die JuLis betonen, dass die Kopenhagener Kriterien zur Aufnahme neuer Mitglieder für alle Kandidaten gleichermaßen gelten. Nur stabile Demokratien, in denen Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und der Schutz von Minderheiten garantiert sind, die über eine funktionierende Marktwirtschaft verfügen und in der Lage sind, dem Wettbewerbsdruck des Binnenmarktes Stand zu halten, können Mitglieder der EU werden. Diese Werte sind der Kern der Europäischen Union.

Eine erfolgreiche Integration der Türkei kann vorbildhaft demonstrieren, dass die Europäischen Werte unabhängig vom Glauben sind und das westliches Demokratieverständnis und islamischer Glaube kein Gegensatz sind.

Die Julis erkennen ausdrücklich die Fortschritte bei der Erfüllung der politischen Kriterien an, die die Türkei mit der Verfassungs- und zahlreichen Gesetzesreformen schon jetzt erreicht hat. Mit der Abschaffung der Todesstrafe, der Verbesserung der Stellung der Frau in Recht und Gesellschaft, strengen Straf- und Verfolgungsvorschriften bei Folter, der Gewährung muttersprachlichen Unterrichts für Minderheiten und der Zulassung anderssprachiger Rundfunk- und Fernsehsendungen hat die Türkei weitere wichtige Schritte hin zu einer demokratischen Gesellschaft unternommen. Dabei spielt die Umsetzung in die gesellschaftliche Realität allerdings eine ebenso große Rolle wie die gesetzlichen Grundlagen.

Die JuLis sehen, dass die Perspektive eines EU-Beitritts die Demokratie in der Türkei weiter gefestigt hat und die letzten Wahlen das Parteiensystem stabilisiert haben. Dennoch gibt es, insbesondere die demokratische Legitimation des Nationalen Sicherheitsrates angehend, Fragen, die noch geklärt werden müssen.

Weiterhin müssen regionale (z.B. Kurdengebiet) und innereuropäische (Zypern) Konflikte friedlich gelöst werden.

Die JuLis fordern die türkische Regierung auf, die Anstrengungen des VN-Generalsekretärs zur Lösung der Zypernfrage vorbehaltlos zu unterstützen. Wer Mitglied der großen Völkergemeinschaft EU sein will, muss zeigen, dass er auch im kleinen Maßstab den Willen hat, Grenzen abzubauen und das friedliche Zusammenleben zu fördern.

Minderheiten in der Türkei insbesondere den Kurden — müssen Schutz ihrer kulturellen Identität und innerstaatliche Souveränitätsrechte zugebilligt werden.

Eine Aufnahme der Türkei hätte allerdings ebenfalls Auswirkungen auf die Strukturen der EU. Mit zur Zeit ca. 70 Millionen Einwohnern entspricht das Beitrittsvolumen der Türkei der Summe der im Jahr 2004 beitretenden Staaten, allerdings bei einem deutlich niedrigerem BIP/Einwohner. Diese Faktoren wirken sich auf vielfältige Bereiche der Union aus, z.B.:

  • die im Vertrag von Nizza erreichte Gesamtbalance zwischen kleinen und großen Staaten

  • das Finanzgefüge der Union

Allein die daraus resultierenden finanziellen Herausforderungen sind für die EU z.Zt. nicht zu bewältigen.

Die EU muss die Voraussetzungen schaffen, dass sie ihrerseits organisatorisch und wirtschaftlich in der Lage ist, weitere Länder aufzunehmen. Dazu sind die vor der ersten Erweiterungsstufe begonnen Strukturreformen zu Ende zu führen und der Prozess der europäischen Verfassungsstiftung abzuschließen. Die Weichen innerhalb der EU müssen eindeutig und unmissverständlich in Richtung staatlicher Einheit gestellt werden. Nur eine Türkei, die bereit ist diesen Weg mitzugehen, kann sich langfristig erfolgreich in die Europäische Union integrieren.

Die Türkei muss andererseits die Zeit nutzen, wirtschaftliche Probleme zu lösen und ihre Infrastruktur insbesondere im ländlichen Bereich ausbauen. Die EU kann die Türkei dabei beratend und in gewissen Maßen auch finanziell unterstützen

Seit dem Assoziierungsabkommen von 1963 ist der Türkei immer wieder eine Beitrittsperspektive zugesagt worden, zuletzt mit der Gewährung des Kandidatenstatus im Jahr 1999. Die Türkei ist Mitglied der Zollunion, des Europarates und der NATO. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs ist sie fest in den Westen integriert. Die Julis stehen für außenpolitische Kontinuität und stellen klar, dass auf der Verlässlichkeit deutscher Außenpolitik ein großer Teil unseres Ansehens und politischen Gewichts in der Welt beruht. Das muss auch für die Beitrittsperspektive der Türkei gelten. Der Türkei müssen klare Bedingungen gestellt und Wege aufgezeigt werden. Die Kopplung von zeitlichen Zusagen mit inhaltlichen Bedingungen lehnen die Jungen Liberalen jedoch ab, da deren Einhaltung nicht sichergestellt werden kann und damit falsche Erwartungen geweckt würden.

Die EU sollte aber der Türkei verschiedene Schritte anbieten, mit der sie in den nächsten 10-15 Jahren die Fortschritte in den oben genannten Punkten begleitend näher an die EU herangeführt wird. Diese sind:

  • Die Türkei wird zur feierlichen Unterzeichnung der Europäischen Verfassung als assoziiertes Mitglied eingeladen

  • Die Türkei wird voll in die Strukturen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik mit vollen Rechten und Pflichten einbezogen

  • Die Türkei wird volles Mitglied der intergouvernementalen Zusammenarbeit in der Innen- und Rechtspolitik

  • Die Türkei wird mit der Aussicht auf einen Beitritt zum Euro in das Europäische Währungssystem integriert

  • Ein erneutes Rendezvous zur Verabredung eines möglichen Beitritts der Türkei zu EU wird durchgeführt.

Wir Liberale müssen alles dafür tun, dem wichtigen Partner Türkei in unseren Reihen zu halten, um der EU auch in Zukunft geostrategisches Gewicht verleihen zu können.

Die Fraktion der FDP im Deutschen Bundestag wird aufgefordert, diesen Vorschlag in den Bundestag einzubringen und sich für dessen Umsetzung einzusetzen. Ferner soll die FDP im Sinne dieses Beschlusses auf die ELDR hinwirken.

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