27.07.2013

Datenschutz in der Privatwirtschaft

Für die Jungen Liberalen ist das Recht auf informationelle Selbstbestimmung in einer freien Gesellschaft ein hohes Gut. Dieser Begriff darf keine Leerformel sein: Bürgerinnen und Bürger müssen in die Lage versetzt werden, dieses Recht effektiv wahrzunehmen und selbst über die Verwendung der eigenen personenbezogenen Daten zu entscheiden. Dafür braucht es einen klaren rechtlichen Rahmen.
Die Frage des Datenschutzes ist nicht nur für das Verhältnis von Staat und Bürger relevant, sondern auch für Beziehungen von Privaten untereinander. Hier werden sowohl allgemeine Datenschutzvorschriften für die Datenverarbeitung als auch spezielle Regelungen für den Beschäftigtendatenschutz intensiv diskutiert.
Für die Jungen Liberalen sind bei diesen Regelungen die Herstellung von Transparenz, die effektive Kontrolle über die eigenen Daten sowie ein hoher Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre wichtige Anliegen. Gleichzeitig gibt es berechtige Opportunitätserfordernisse und Interessen der Wirtschaft wie eine möglichst geringe bürokratische Belastung oder die Aufklärung von Straftaten im Betrieb. Diese Interessen müssen zu einem schonenden Ausgleich gebracht werden, wobei für die Jungen Liberalen den Datenschutzinteressen im Zweifel der Vorrang eingeräumt werden muss.
Gesetzliche Regelungen im Bezug auf Verfahren bei der Datenerhebung und Datenverarbeitung entlasten Politik und Gesellschaft nicht von der Aufgabe, insbesondere junge Menschen für Fragen des Datenschutzes zu sensibilisieren. Dies ist besonders auch Aufgabe der Bildungspolitik. Gleichwohl können aber auch entsprechende Datenschutzvorschriften zur Reflexion über den Umgang mit den eigenen Daten anregen. Nach dem Grundsatz der Eigenverantwortung verbleibt für Liberale die Entscheidungsbefugnis über die eigenen Daten in der Regel beim Betroffenen.
 
I. Allgemeine Datenschutzvorschriften bei Datenverarbeitung
Die Jungen Liberalen befürworten grundsätzlich eine Harmonisierung der Datenschutzvorschriften innerhalb der Europäischen Union mittels einer Datenschutzgrundverordnung. Eine derartige Regelung sorgt für gemeinsame Standards, die zu einer größeren Verlässlichkeit in der Datenverarbeitung bei EU-Bürgern führen. Die Europäische Kommission hat im Januar 2012 einen Vorschlag für eine Datenschutzgrund-Verordnung vorgelegt. Die Jungen Liberalen bringen sich in die Diskussion um das Projekt wie folgt ein:
– Die Jungen Liberalen begrüßen den Ansatz, dass grundsätzlich alle Datenverarbeitungsvorgänge von der Regelung erfasst werden und jeweils nur mit einer besonderen gesetzlichen Ermächtigung zulässig sind, insbesondere im praktischen Regelfall durch ausdrückliche Einwilligung der betroffenen Person oder bei Erforderlichkeit zur Durchführung eines Vertrages. Nur so kann ein umfassender Schutz personenbezogener Daten sichergestellt werden. Zudem stellt die Zweckbindung der Einwilligung einen wesentlichen Schritt für mehr Transparenz dar. So muss bei einer Veränderung der Geschäftsbedingungen im Hinblick auf die Verwendung der Daten, zum Beispiel in sozialen Netzwerken, stets eine erneute explizite Einwilligung eingeholt werden.
– Ein "Recht auf Vergessen", also ein Anspruch auf Löschung personenbezogener Daten gegenüber dem Datenverarbeitenden, ist ein zentraler Bestandteil des Prinzips der effektiven Kontrolle über die eigenen Daten.
– Ein Recht auf Datenübertragbarkeit, also auf Zurverfügungstellung der über eine Person gespeicherten Daten in einem gängigen elektronischen Format, schießt über das Ziel hinaus und wird von den Jungen Liberalen abgelehnt. Dem Informationsbedürfnis des Betroffenen wird durch ein allgemeines Auskunftsrecht über die gespeicherten Daten genüge getan. Verlangt man die technische Aufbereitung in einem für jedermann verwertbaren Format, werden quasi alle datenverarbeitenden Unternehmen ungeachtet ihres Geschäftszweiges zu EDV-Dienstleistern für die betroffene Person gemacht. Diese bürokratische und mit Blick auf unterschiedliche Datenverarbeitungssysteme möglicherweise wettbewerbsverzerrende Regelung kann mit dem Anliegen des Datenschutzes nicht mehr gerechtfertigt werden.
– Ein effektiver Datenschutz setzt nicht voraus, dass für alle Datenverarbeiter die gleichen starren und strengen Pflichten im Umgang mit personenbezogenen Daten gelten. Im Gegenteil muss im Interesse insbesondere kleinerer und mittelständischer Unternehmen darauf geachtet werden, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten in unterschiedlichen Kontexten und mit unterschiedlichen Risiken für die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen erfolgt. Diesem Umstand muss durch differenzierte Pflichten für die Datenverarbeitung Rechnung getragen werden.
– Es sollen ökonomische Anreize dafür geschaffen werden, Daten möglichst pseudonymisiert zu erheben. Dafür ist eine entsprechende Privilegierung der auf diese Weise erhobenen Daten bei den Pflichten der Datenverarbeitung zu schaffen, zum Beispiel bei der Pflicht zur Bestellung eines Datenschutzbeauftragten.
– Die Pflicht von Unternehmen, einen Datenschutzbeauftragten zu benennen, sollte an Art und Umfang der Datenverarbeitung im Unternehmen und damit das Potential der Beeinträchtigung von Persönlichkeitsrechten geknüpft werden, anstatt an die Anzahl der Mitarbeiter.
– Ein wichtiger Schritt zu größerer Transparenz sind umfassende Informationspflichten über Umfang und Zweck der Speicherung und Verarbeitung von Daten bei der Erhebung. Ein Mehr an Information führt aber nur zu einem Mehr an Transparenz, wenn die Informationen verständlich und übersichtlich aufbereitet sind. Deshalb befürworten die Jungen Liberalen eine iconbasierte Datenschutzerklärung.
– Es sollte klargestellt werden, dass die Mitgliedsstaaten auch über die Vorgaben des EU-Recht hinaus strengere Datenschutzvorschriften erlassen können, um hohe nationale Datenschutzstandards halten zu können. So kann ein besonders hoher Datenschutzstandard auch als Wettbewerbsvorteil fungieren.
– Ein Siegel für die Einhaltung der Europäischen Datenschutzvorschriften lehnen die Jungen Liberalen ab. Ein solches würde letztlich keine besonders hohen Datenschutzstandards prämieren, sondern lediglich die Einhaltung der ohnehin verpflichtenden Rechtslage ausweisen. Damit könnte es auch zur Verwirrung der Verbraucher führen, wenn Unternehmen das Siegel nicht beantragen, obschon sie die Voraussetzungen für die Verleihung erfüllen würden. Ein Siegel kann nur dann sinnvoll sein, wenn es über die Anforderungen der Verordnung hinausgehende Datenschutzstandards auszeichnet.
– Die Jungen Liberalen fordern eine Klärung des Verhältnisses der Verordnung zum Safe-Harbor-Abkommen. Alle Unternehmen weltweit sollen die EU-Anforderungen an den Datenschutz erfüllen, wenn sie Daten von EU-Bürgern verarbeiten. Um eine Abschottung des europäischen Marktes gegenüber anderen Staaten zu verhindern, muss eine Zertifizierung der Einhaltung der Datenschutzgrundverordnung aber möglichst unbürokratisch möglich sein. Gegebenenfalls soll sie also auch nach Vorbild des Safe-Harbor-Abkommens durch Behörden im Ausland möglich sein.
– Die Verordnung sollte möglichst präzise und rechtssichere Vorgaben treffen und die Entscheidung über wichtige Aspekte der Datenverarbeitung dem Gesetzgeber überlassen. Eine Befugnis der Europäischen Kommission zum Erlass delegierter Rechtsakte – also präzisierender Vorgaben über die Datenverarbeitung – soll es deshalb insbesondere für den Umgang mit besonders sensiblen Daten und für die grundsätzliche Erlaubnis der Datenverarbeitung als Ergebnis einer Interessenabwägung nicht geben.
II. Beschäftigtendatenschutz
Die Jungen Liberalen lehnen unverhältnismäßige Sanktionsmöglichkeiten von staatlicher Seite ab. Die Jungen Liberalen anerkennen sowohl das Bedürfnis der Arbeitgeber nach Rechtssicherheit und Maßnahmen gegen Kriminalität im Unternehmen als auch das Interesse von Arbeitnehmern an einem wirksamen Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte. Diese berechtigten Interessen müssen in einen ausgewogenen Ausgleich gebracht werden. Das von der Bundesregierung vorgeschlagene Gesetz zur Regelung des Beschäftigtendatenschutzes hat für erhebliche öffentliche Diskussionen gesorgt. Die Kontroverse und die Komplexität der Herausforderung, interessengerechte Regelungen für den Beschäftigtendatenschutz zu treffen, dürfen aber nicht davor zurückschrecken lassen ein entsprechendes Gesetz auf den Weg zu bringen. Die Jungen Liberalen fordern im Bezug auf den Beschäftigtendatenschutz:
– Eine Datenerhebung ohne Kenntnis des Betroffenen, zum Beispiel durch den Einsatz eines Detektivs, muss einem Arbeitgeber bei einem konkreten Verdacht auf schwerwiegende Vertragsverletzungen und Straftaten möglich sein. Dem Schutzbedürfnis des Arbeitnehmers wird durch enge Voraussetzungen Rechnung getragen, zum Beispiel das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte für einen entsprechenden Vorfall, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und der Beschränkung auf das unbedingt erforderliche. Aufgrund des intensiven Eingriffs in die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen fordern die Jungen Liberalen darüber hinaus das Erfordernis einer vorherigen behördlichen Genehmigung bei sämtlichen heimlichen Überwachungsmaßnahmen. Die Befugnisse des Arbeitgebers dürfen niemals über das hinaus gehen, wozu die Polizei im konkreten Fall zur Prävention oder Aufklärung berechtigt wäre. Ein Verstoß gegen die Vorschriften, insbesondere die Genehmigungspflicht, muss für den Arbeitgeber mit empfindlichen Sanktionen belegt sein.
– Die Jungen Liberalen begrüßen ein absolutes Verbot des Einsatzes besonderer technischer Mittel wie heimlicher Videoüberwachung oder Abhörtechnik.
– Auch ein so genanntes Screening ist bei konkreten Verdachtsfällen in anonymisierter oder pseudonymisierter Form möglich, unterliegt aber den gleichen Einschränkungen wie heimliche Überwachungsmaßnahmen durch die für Datenschutz zuständige Aufsichtsbehörde. Diese sind entsprechend personell auszustatten.
– Die Jungen Liberalen befürworten Einschränkungen bei der Erhebung von Daten über Bewerber. Insbesondere die Anknüpfung der Zulässigkeit von Gesundheitstests an wesentliche Erfordernisse des Berufes sowie die Beschränkung des Auskunftsanspruches des Arbeitgebers auf die Information, ob der Bewerber die Anforderungen erfüllt, wird ausdrücklich begrüßt.
– Überwiegt das berechtigte Interesse des Arbeitgebers das schutzwürdige Interesse des Arbeitnehmers, dürfen allgemein zugängliche Informationen – zum Beispiel aus Rundfunk, Presse oder sozialen Netzwerken – erhoben werden. Jedoch muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über die Erhebung vorab informieren, als auch über den Inhalt der Erhebung Auskunft erteilen.

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