Auch unser Bundesschatzmeister Florian Zeiml hat sich den Koalitionsvertrag, genauer den Wirtschaftsteil des Koalitionsvertrages, genauer angeschaut und berichtet Euch hier, was sich durch die Große Koalition voraussichtlich verändern wird.
Die Einleitung des Wirtschaftsteils („Erfolgreiche Wirtschaft für den Wohlstand von Morgen“) des Koalitionsvertrags ist bereits der eigentliche Offenbarungseid des Dokuments. Während der erste Satz, der die Soziale Marktwirtschaft als „Motor, der unser Land wirtschaftlich nach vorne gebracht hat“ bezeichnet, bereits zeigt, dass Marktwirtschaft für Union und SPD vor allem in der Zeitform des Perfekt stattfindet, wird im weiteren Verlauf deutlich, warum nun endlich damit Schluss sein muss – mit der Sozialen Marktwirtschaft im Allgemeinen und der Marktwirtschaft überhaut im Besonderem. Statt sozialen und marktwirtschaftlichen Konzepten gibt es soziale Rhetorik, ohne dass überhaupt klar ist, ob damit auch ein soziales Ergebnis erreicht wird. Beispiel sachgrundlose Befristung: Statt sich zu den Zielen der Möglichkeit eines befristeten Arbeitsverhältnisses (Reintegration in den Arbeitsmarkt, flexiblere Planung der Arbeitgeber, Wettbewerbsfähigkeit) zu bekennen, wird diese von 18 auf 24 Monate verkürzt und darf bei maximal 2,5% der Beschäftigten eines Betriebs gelten. Die Nachricht für die Menschen im Land: Eigentlich wissen wir gar nicht wofür das Instrument gut ist, abschaffen wollen wir es nicht, weil es nachweislich Menschen hilft im Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, aber wir sind jetzt weniger grausam als früher! Das ist weder Fisch noch Fleisch; Weder am 1. Mai, noch am Arbeitgebertag wird da gejubelt!
Wir JuLis bekennen uns zum Instrument der Befristung, um einen ersten Schritt in die Arbeitswelt zu ermöglichen. Statt starrer Quoten fordern wir, dass Kleinunternehmen bis 25 Mitarbeiter vom Kündigungsschutz zu befreien sind, große Unternehmen in schwierigen Zeiten mit z.B. Kurzarbeit zu unterstützen sind. Dies sichert Beschäftigung und schränkt die Attraktivität von Befristung ganz natürlich ein. Ziel muss es sein, möglichst vielen Menschen möglichst gute Arbeit zu ermöglichen. Das erreicht man nicht durch fixe Zahlen auf Papier, sondern möglichst anwendungsnahe Regelungen.
„Inklusives Wachstum“ soll im weiteren Verlauf „alle an den Erfolgen“ beteiligen. Was „inklusives Wachstum“ sein soll, oder an welchen Erfolgen alle beteiligt werden sollen, darüber wird geschwiegen. Da konkrete Maßnahmen fehlen, muss die EU herhalten, deren Binnenmarkt scheinbar der einzige Garant zu sein scheint, auf den die Koalitionäre hoffen, wenn es um Erfolge geht. Bitte nicht falsch verstehen: Mit Sicherheit bietet der europäische Binnenmarkt, insbesondere für Deutschland, großartige Chancen, aber bei einer Bundesregierung würde ich schon gerne sehen, dass sie mehr Ideen und Konzepte im Köcher hat, wenn sie von Erfolgen spricht, an denen alle beteiligt werden sollen.
Auch die konkrete Ausführung, dass die Harmonisierung der Regelungen vorwiegend mit Frankreich erreicht werden sollen, lässt den geneigten Leser eher fragend zurück, ob Union und SPD nun damit einen echten, fairen Wettbewerbsraum schaffen wollen oder ob damit lediglich die Angleichung des VW-Konzerns in die PSA Group gemeint ist. Konkrete Maßnahmen Fehlanzeige.
Für die Industrie haben die Koalitionäre ein echtes Schmankerl im Gepäck. Statt, wie bisher in Großen Koalitionen üblich, auf EU-Vorgaben noch eine besondere, deutsche Vorgabe draufzusetzen, soll es eine „konsequente 1:1-Umsetzung“ von EU-Richtlinien geben. So schön so gut, aber warum steht das im Absatz „Industrie“? Haben Dienstleister, Gründer und andere Akteure nicht auch ein Interesse daran, dass sie sich nicht mit zusätzlicher, deutscher Bürokratie herumschlagen müssen? Unter Industrie werden dann noch alle Stichwörter der Digitalisierung in einen Kontext gestellt, der für Politiker irgendwas damit zu tun hat. Quantencomputing, Augmented Reality, Blockchain, Visible Light Communication und noch ein paar andere Wörter stehen dort nebeneinander als etwas, dass man fördern müsse. Man weiß nicht was es ist, aber wenn es die Industrie benutzt, wird ihr Förderung in Aussicht gestellt. Eigentlich war das immer so, dass Technologie in der Industrie angewandt wird, weil sie einen Nutzen hat und sie in der Anwendung Vorteile bringt. Es gab noch kein Unternehmen, das sich einen Computer nur deshalb angeschafft hat, weil es eine Förderung dafür erhalten hat. Statt die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Anwendung zu schaffen, indem Netze und Infrastruktur zur Verfügung gestellt werden, versteht man Technologien als reinen Selbstzweck.
So zieht sich das durch den Koalitionsvertrag. Alles, was man nicht kennt wird gefördert, alles was in der Öffentlichkeit einen schlechten Ruf hat, wird wahlweise weiterentwickelt oder in homöopathischen Dosen eingeschränkt, ohne in der Sache was zu ändern. Aus Sicht der Jungen Liberalen bleibt für alle, die sich tatsächlich fragen, von was wir in Zukunft leben wollen und wie wir Arbeit in Zukunft organisieren wollen, nur eine konkrete Maßnahme, die der Vertag nicht explizit nennt, hängen: Hoffen wir alle ganz fest, dass die Konjunktur in Deutschland weiterhin rund läuft.
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