OTT-Interview mit „Finanzen.de“

Der stellvertretende Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen (JuLis), Florian Philipp OTT, gab dem Webportal „Finanzen.de“ heute nach nachfolgende Interview (https://julis.de/2016/09/26/kuhle-interview-fuer-handelsblatt-orange/):

 

Da kein Vertreter der jüngeren Generation beim letzten Rentengipfel der Koalition eingeladen war, kritisiert Ihr Bundesvorsitzender Konstantin Kuhle die Rentenpolitik als eine, die keinen Wert auf Generationengerechtigkeit legt. Wie bewerten Sie daher die von der Großen Koalition verkündeten Kompromisse zur Ost-West-Rentenangleichung, zur Stärkung der Betriebsrente und zur Verbesserung der Erwerbsminderungsrente?

OTT: Unsere Kritik, dass beim Rentengipfel kein Vertreter der jüngeren Generation mit am Tisch saß, war natürlich symbolisch. Denn mit Blick auf das Abstimmungsverhalten der jüngeren Abgeordneten von Union und SPD haben wir längst festgestellt, dass den Meisten die Fraktions- beziehungsweise Koalitionsdisziplin im Zweifel wichtiger ist, als die Interessen ihrer eigenen Generation. Als Junge Liberale macht uns das wütend. Denn nach dem milliardenschweren Rentenpaket, dass die Große Koalition kurz nach der letzten Bundestagswahl aufgelegt hat, diskutiert sie nun bereits zum zweiten Mal über eine massive Ausweitung von Rentenleistungen – und die gehen immer einseitig zulasten unserer Generation. Schon heute steht das Rentensystem auf wackligen Füßen. Fast 100 Milliarden Euro muss der Bund Jahr für Jahr aus Steuermitteln zuschießen, weil die Rentenbeiträge der Arbeitnehmer nicht mehr ausreichen, um alle Leistungen zu finanzieren. Das entspricht einem Drittel des gesamten Bundeshaushaltes. Durch den demographischen Wandel wird die Situation absehbar schlechter, weil immer weniger Arbeitnehmer für immer mehr Rentner zahlen müssen. Das weiß jeder, der sich nur mal einen Nachmittag mit dem Rentensystem befasst hat. Alle, die vor diesem Hintergrund über zusätzliche Rentenleistungen diskutieren, greifen uns Junge und unsere Zukunftschancen deshalb frontal an. Natürlich lassen sich für jede einzelne Maßnahme gute Argumente finden und natürlich gibt es im Rentensystem viele Ungerechtigkeiten, für deren Behebung jeder Verständnis hat. Aber trotzdem müssen wir zugleich das große Ganze im Blick behalten. Deshalb darf es nicht sein, dass die Politik Jahr für Jahr über neue Rentenleistungen diskutiert, aber deren Finanzierung immer einfach in die Zukunft verlagert.

Könnte eine Mindestrente, wie sie Arbeitsministerin Andrea Nahles derzeit vorschlägt, ein geeignetes Mittel sein, um die jüngere Generation vor Armut im Alter zu schützen?

OTT: Um Menschen vor Armut zu schützen, hat unser Sozialstaat ein ganzes Repertoire an Instrumenten. Die Rente gehört ihrem Prinzip nach allerdings nicht dazu. Denn als Versicherungsleistung richtet sie sich nach den im Verlauf des Arbeitslebens eingezahlten Beiträgen. Schon alleine deshalb wird es immer Menschen geben, die nicht, nicht permanent oder nur in Teilzeit gearbeitet haben und daher eine Rente erhalten, die unterhalb der staatlichen Grundsicherung liegt. Das wird sich nicht vermeiden lassen, denn es nehmen nicht alle im gleichen Maße am Erwerbsleben teil. Doch das auszugleichen kann nicht Aufgabe der Rentenversicherung sein. Wenn Mindestrente am Ende heißt, dass wir Menschen auch im Alter die staatliche Grundsicherung garantieren, wenn ihre Rente darunter liegt, ist das richtig, muss aber aus Steuermitteln finanziert werden. Wenn Mindestrente aber heißen soll, dass mit denRentenbeiträgen der Arbeitnehmer zusätzliche Leistungen aus der Rentenversicherung finanziert werden, für die eigentlich keine Ansprüche bestehen, sehen wir das sehr kritisch. Zudem sollte die Politik mit Blick auf drohende Altersarmut endlich aufhören, allein auf das staatliche Rentensystem zu verweisen. Denn jeder, der Altersarmut für sich verhindern möchte, muss zusätzlich privat vorsorgen. Das gehört klar ausgesprochen.

Was müsste Ihrer Meinung nach rentenpolitisch getan werden, um die Rechte und die Zukunft der Jungen zu schützen?

OTT: Wir Jungen Liberalen fordern ein klares Bekenntnis zu und ein Festhalten an den Rentenkompromissen der vergangenen Jahre. Die große Koalition muss endlich damit aufhören, ständig über neue Rentenleistungen zu diskutieren und Kompromisse einseitig aufzukündigen. Schließlich war der Deal folgender: Die Jungen erklären sich trotz des demographischen Wandels dazu bereit, dem Generationenvertrag gerecht zu werden und für die Renten der Älteren aufzukommen. Da aufgrund der Alterung der Gesellschaft jedoch absehbar ist, dass sie selbst nicht mehr im gleichen Maße vom Rentensystem werden profitieren können, müssen sie parallel dazu privat vorsorgen. Um ihnen dies zu ermöglichen, sollten wiederum der Rentenbeitrag gedeckelt und das Renteneintrittsalter langfristig angehoben werden. Für alle eigentlich ein fairer Kompromiss. Doch was wir in den vergangenen Jahren erleben, ist dessen langsame Aushöhlung. Das wollen wir uns nicht länger gefallen lassen. Denn auch wir Jüngere haben ein Recht darauf, für unser Alter vorzusorgen. Doch dafür brauchen wir den nötigen finanziellen Spielraum. Mit einem Rentenbeitrag von bis zu 25 Prozent, wie nun von Andrea Nahles angestrebt, wird das nicht der Fall sein. Die Politik sollte deshalb endlich über Reformen diskutieren, die das Rentensystem zukunftsfähig und flexibler machen, statt krampfhaft zu versuchen, den Menschen den Eindruck zu vermitteln, dass alles beim Alten bleiben würde.

Nicht nur renten-, sondern auch gesundheitspolitisch vertreten die JuLis eine klare Linie. So hat sich die Partei auf Ihrem 53. Bundeskongress gegen das von Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) anvisierte Versandhandelsverbot von rezeptpflichtigen Arzneimitteln gestellt. Was spricht Ihrer Meinung nach dafür, den Arzneimittelversand in Deutschland nicht weiter einzuschränken?

OTT: Für viele Menschen ist der Versandhandel längst Alltag. In Zeiten von Amazon, Ebay und Co. sind sie es gewohnt, die unterschiedlichsten Produkte schnell und bequem nach Hause geliefert zu bekommen. Das wünschen sich viele auch für ihre Versorgung mit Medikamenten. Inzwischen bevorzugt mehr als ein Drittel der Deutschen den Kauf von Arzneimitteln im Internet. Der Versandhandel von rezeptpflichtigen Medikamenten ist also nicht nur Ausdruck von technischer Innovation und Digitalisierung, sondern entspricht schlicht dem Wunsch vieler Patienten. Und der Patient mit seinen Bedürfnissen ist es, der für uns Liberale im Mittelpunkt der Gesundheitspolitik steht. Deshalb wollen wir den Versandhandel mit rezeptpflichtigen Medikamenten ermöglichen, ohne zugleich den hohen Beratungsstandard, den wir in Deutschland haben, abzusenken. Mit modernen technischen Lösungen ist das möglich. Gleichzeitig wissen wir jedoch, dass gerade viele ältere oder schwer kranke Menschen auf die flächendeckende Versorgung durch lokale Apotheken angewiesen sind. Auch diese Patienten verlieren wir nicht aus den Augen. Den Versandhandel zu ermöglichen heißt für uns deshalb nicht lokalen Apotheken den Kampf anzusagen, sondern zusätzliche Optionen zu ermöglichen. Die Einführung des Versandhandels sollte daher mit grundlegenden Reformen im Apothekenmarkt einhergehen. Viele der heute bestehenden Regulierungen sind nicht mehr zeitgemäß. Dem müssen wir uns annehmen, um das System lokaler Apotheken zukunftsfit zu machen und zugleich die Versorgung mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln im Versandhandel zu ermöglichen. Beides muss Hand in Hand gehen.