Das Engagement, das mit einem ehrenamtlichen Mandat in der Kommunalpolitik einhergeht, kann einen im ersten Moment überwältigen. Denn bei einer ganzen Menge an Sitzungen und Inhalten einen Durchblick zu bekommen, ist die eine Sache. Wenn es aber darum geht, neben den Verantwortlichkeiten auch noch eigene liberale Ideen und Projekte zu entwickeln und einzubringen, denken sich vermutlich viele: No way! Falsch gedacht. In diesem Artikel nehme ich euch mit auf meinen Weg in die Kommunalpolitik – und zeige euch anhand von fünf Tipps und Tricks, wie auch ihr erfolgreiche Kommunalpolitik neben Vollzeit-Job oder Studium meistern könnt.
Wir befinden uns im Superwahljahr 2021. Als ich direkt nach meinem Bachelorstudium Vollzeit als Projektmanagerin bei einer Aktiengesellschaft einsteige, bin ich nicht nur hoch motiviert für den Karrierestart, sondern kandidiere auch zum ersten Mal für die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Berlin Mitte. Ob man da überhaupt noch ein Leben hat, wird sich die bzw. der ein oder andere denken. Zugegeben, die Trennung von meinem Ex-Freund, die sich bis zu dem Zeitpunkt lange angebahnt hat, spielt mir in der Lebensphase in die Karten. Denn Herzschmerz lässt sich mit viel Arbeit nunmal gut betäuben. Doch ich will es gar nicht abstreiten: Als ich schließlich im Oktober 2021 in die Bezirksverordnetenversammlung einziehe, fühle ich mich erstmal überfordert. Vier verschiedene Ausschüsse, BVV-Sitzungen von über fünf Stunden nach der regulären Arbeitszeit, darüber hinaus weitere Parteitermine. Das Pensum wird einem erst bewusst, wenn man mittendrin ist.
Also entscheide ich mich dazu, die Kommunalpolitik auf die gleiche Weise wie meinen Job zu behandeln – als Projektmanagement. Über das Tool Notion visualisiere ich mir alle Arbeitsabläufe und vernetze sie intelligent miteinander. In meinem Notion-Terminkalender plane ich feste Stunden für die Vor- und Nacharbeit von Terminen ein. Alle Vorbereitungs- und Gesprächsnotizen sowie Redebeiträge speichere ich entsprechend in Datenbanken ab. Das hilft mir auch bei einfachen Parteiveranstaltungen und Berichten zu meiner kommunalpolitischen Arbeit.
Kurzum: Mit solider Selbstorganisation verschwindet auch das Gefühl der Überforderung. Macht euch also schlau darüber, welche Tools und Routinen euch das Leben im Arbeitsalltag erleichtern können.
Doch als der pandemische Notstand 2022 wegfällt, ändert sich die Situation für mich drastisch. Fortan tagen wir nicht mehr virtuell, sondern vor Ort. An Sitzungstagen zähle ich im weiträumigen Berlin teilweise bis zu drei Stunden Fahrtweg. Ein echter Zeitkiller! Und sonstiger Luxus, z.B. Essen machen während den Sitzungen, fällt plötzlich weg. Die traditionelle Einstellung meines Arbeitgebers, das Bestehen auf Präsenz am Arbeitsplatz, macht es mir zu dem Zeitpunkt sehr schwer. Für mich ist klar: Es muss weiterhin beides gehen, Job und politisches Mandat. An irgendeiner Stelle brauche ich mehr Flexibilität. Da virtuelle BVV-Sitzungen ohne pandemischen Notstand rechtlich nicht möglich sind, entscheide ich mich daher für einen Jobwechsel. Kein Problem in Zeiten von Arbeitskräftemangel!
Natürlich kann nicht jede/r aufgrund ungünstiger Arbeitsbedingungen einfach mal so den Job wechseln. Daher ist die Frage der Flexibilität eine, die ihr bestenfalls bereits im Vorfeld mit eurem Arbeitgeber klärt. Kommuniziert, an welchen Wochentagen ihr mit langen Sitzungen rechnen müsst und verhandelt hinsichtlich einer Flexibilisierung der Arbeitszeiten. (Frage an Johannes Vogel: Wie steht‘s eigentlich um die Reform des Arbeitszeitgesetzes?)
A Propos Flexibilität: Die gibt es in politischen Betrieben so gut wie gar nicht. Zumindest für das kommunalpolitische Ehrenamt sollten virtuelle Ausschusssitzungen möglich sein. Andernfalls ist es schwierig, insbesondere junge Leute für eine fünfjährige Mandatszeit zu begeistern. Gerade in jungen Jahren kann in so einem Zeitraum viel passieren. In meinem Fall wiederholen wir in der Zwischenzeit nicht nur die Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus und den Bezirksverordnetenversammlungen. 2023 entscheide ich mich dazu, wieder zu studieren – mit sechs Monaten Auslandsaufenthalt. Remote führe ich meine Arbeit für die BVV so gut es geht weiter fort. Ich reiche Drucksachen ein, bleibe im Austausch mit Stakeholdern und pflege weiterhin die Social-Media-Kanäle der „FDP-Gruppe“. Aber abstimmen und teilhaben kann ich in der Zeit nicht. Doch so viel steht fest: Kommunalpolitik ist viel mehr als das. Mit ein bisschen Kreativität und Engagement kann man wirklich coole Projekte umsetzen. Hier ein paar Beispiele:
2022 haben wir eine äußerst skurrile Situation in Mitte: Die Grünen wollen mit der autofreien Friedrichstraße Politik für die Unternehmen vor Ort machen, diese sind damit jedoch überhaupt nicht zufrieden und erheben Klage. Nirgends werden die Interessen der Betroffenen auch nur einmal ordentlich erhoben. Also entscheide ich mich dazu, eine Projektwoche mit der Hochschule, an der ich selbst studiert habe (HMKW Berlin), zu starten. Mit 20 Studierenden entwickeln wir innerhalb weniger Wochen ein Partizipationsformat für die Friedrichstraße. Ich begleite das Projekt außerhalb der BVV-Zeit. Mit ein bisschen Überzeugungsarbeit bei den anderen BVV-Mitgliedern, dürfen die Studierenden das Projekt sogar vor der Bezirksbürgermeisterin vorstellen.
Daher mein Tipp an euch: Nutzt euren persönlichen Zugang und seid mutig! Manchmal ist der unkonventionelle Weg der beste, um eurer liberalen Idee mehr Gewicht zu verleihen.
Als ein Späti-Betreiber aufgrund eines Verbots, das Berlinweit nur in Mitte gilt, fast Konkurs geht, entwickle ich eine Kampagne rund um die Forderung, Schankvorgärten vor Spätis in Mitte wieder zu erlauben. Mit den Hauptstadt- und Mitte-JuLis sowie dem Späti e.V. ziehen wir um die Häuser und verteilen Flyer für unsere Forderung. In der BVV reichen wir mehrere Drucksachen ein und erhalten nach einigen Monaten harter Arbeit Zustimmung in der Bezirksverordnetenversammlung Mitte. Damit schaffen wir einen Wettbewerbsnachteil ab und sorgen dafür, dass die Späti-Kultur in Mitte erhalten bleibt.
Keep that in mind: Gemeinsam mit Verbündeten könnt ihr es schaffen, euren Forderungen noch mehr Aufmerksamkeit (bspw. durch Presseberichterstattung) zu verschaffen. Nutzt also euer Partei-Netzwerk für zielbringende politische PR!
Im Zuge der Haushaltsverhandlungen 2023 konnten wir als FDP erreichen, dass der Haushalt in Mitte liberale Handschrift trägt. Dafür mussten wir uns mit SPD und Grüne einigen. Bleibt nur abzuwarten, ob und inwiefern das Bezirksamt unserer Forderung eines Konzeptes gegen Leerstand in Einkaufsstraßen und Einkaufszentren und der besseren Bürgerinformation bei verkehrspolitischen Umgestaltungsmaßnahmen (Stichwort Friedrichstraße), nachkommt.
Das Schöne an der Kommunalpolitik ist vor allem, dass man parteiübergreifend vorwiegend konstruktiv zusammenarbeitet. Für erfolgreiche Verhandlungen braucht es Kompromissbereitschaft, keine Politik à la Parteibuch, damit man gemeinsam zur besten Lösung in der Sache kommt.
Ihr seht also, es gibt unterschiedliche Wege, in der Kommunalpolitik liberale Akzente zu setzen und sich politisch selbst – auf eine gewisse Art und Weise – zu verwirklichen. Grundsätzlich gilt aber auch wie bei meiner Erzählung: Learning by Doing. Wenn sich also die Möglichkeit für euch ergibt, mehr Verantwortung zu übernehmen, dann ergreift sie und: Do it your way!
Als Interessent erhältst Du unseren Newsletter, regelmäßige Insights und Einladungen zu Veranstaltungen bei Dir vor Ort. Du bleibst informiert und kannst in Ruhe bei uns reinschnuppern – um Dich für eine Mitgliedschaft zu entscheiden, wenn wir Dich überzeugt haben.
Als Mitglied hast Du alle Rechte und kannst so die JuLis am besten unterstützen. Du hast Stimmrecht bei Kongressen und Mitgliederversammlungen und kannst Anträge einreichen. Außerdem kannst Du für Vorstandsämter kandidieren und auf dem Bundeskongress sprechen.
Nach der Satzung der Jungen Liberalen obliegt die Beitragshoheit den Untergliederungen. Die Höhe des Beitrages ist bei der Untergliederung vor Ort (Kreis- oder Bezirksverband) zu erfahren. In der Regel liegt er zwischen 2 und 5 Euro im Monat. Viele Verbände haben ermäßigte Beiträge für Schüler, Azubis und Jugendliche.