KUHLE-Interview mit „Huffington Post“

Vor dem Hintergrund der Sondierungsgespräche zwischen Union, Freien Demokraten und den Grünen über eine mögliche Jamaika-Regierungskoalition auf Bundesebene gab der Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen (JuLis), Konstantin KUHLE, der „Huffington Post“ das folgende Interview (http://www.huffingtonpost.de/2017/10/18/kuhle-union-fdp-europa_n_18306552.html). Die Fragen stellte Jürgen Klöckner.
Heute haben sich Union und FDP das erste Mal zu Jamaika-Sondierungsgesprächen getroffen, die CDU-General Peter Tauber mit einem “guten Gefühl” umschrieben hat. Teilen Sie das?
KUHLE: Mich bewegt die Frage, wie die Union die FDP beim Thema Europa angeht. CDU und CSU schieben uns hier den Schwarzen Peter zu, den wir nicht verdient haben. Unterschwellig heißt es, die FDP sei Schuld, wenn die Pläne des französischen Präsidenten Emmanuel Macron scheitern.

Warum das?
KUHLE: Der Parlamentskreis Mittelstand und der Wirtschaftsflügel der Union sind massive Gegner eines gemeinsamen Eurozonen-Budgets. Als der Bundestag 2015 über Griechenland-Hilfe abgestimmt hat, war die FDP nicht dabei. Es haben aber 60 Unions-Abgeordnete dagegen gestimmt. Der Konflikt geht da mitten durch die eigenen Reihen der Union.

Was fordern Sie von der Union?
KUHLE: Statt die FDP zu beschuldigen, sollte die Union für sich klären, welche Europapolitik sie möchte. An der FDP wird eine Reform Europas nicht scheitern.

Das ändert nichts daran, dass die FDP in Brüssel als Euro-Schreck wahrgenommen wird.
KUHLE: Wir stimmen mit 80 Prozent von Macrons Plänen überein: Beim Thema Bildung, Sicherheit und einem gemeinsamen Markt sind wir einer Meinung. Es ist schade, dass das zu einer so großen Differenz aufgepumpt wird.

Am Donnerstag treffen sich FDP und Grüne zu ersten Sondierungsgesprächen. Wo liegen die Parteien aus Ihrer Sicht am weitesten auseinander?
KUHLE: Etwa bei der Vermögenssteuer. Hier gehen wir nicht mit. Den Zahn müssen sich die Grünen ziehen. Aber der sitzt schon sehr locker. Wer sich mit Wirtschaftsexperten der Grünen unterhält, merkt, dass nicht alle in der Partei die Vermögenssteuer als ein Allheilmittel sehen. Jürgen Trittin macht die Steuerpolitik der Grünen glücklicherweise nicht alleine. Aber es gibt neben diesem Thema auch Gemeinsamkeiten.

Welche?
KUHLE: Bildung, Bürgerrechte, Migration. Genau wie die Grünen halte ich den Kompromiss zur Obergrenze der Union für total unausgegoren. Es gibt viele offene Fragen – etwa, welcher Familiennachzug in das Kontingent mitreingezählt wird.

Hat sich die Union damit keinen Gefallen getan?
KUHLE: Doch. Sie hat sich das erste Mal auf das Niveau von Koalitionsverhandlungen begeben. Im Wahlkampf haben CDU und CSU alles durcheinandergeworfen: Asyl, Einwanderung und subsidiärer Schutz waren mitunter Begriffe, die die Schwesterparteien bewusst falsch eingesetzt haben. Die Union kann aber nun nicht erwarten, dass sie mit dem gleichen Papier aus den Verhandlungen geht, mit dem sie reingegangen ist.

FDP-Chef Lindner wünscht sich keinen CDU-Finanzminister. Ist es klug, mit so einer roten Linie in die Jamaika-Verhandlungen zu gehen?
KUHLE: Ich verstehe seine Aussagen eher als Wunsch, nicht als rote Linie.

Also könnten Sie am Ende doch mit einem CDU-Finanzminister leben?
KUHLE: Jede Partei muss am Ende möglichst viele ihrer Themen durchsetzen. Wenn man ein Wahlprogramm von fast hundert Seiten hat wie die FDP, muss man die besonders wichtigen Anliegen hervorheben.

Was wäre, wenn ein Grüner den Posten bekommt?
KUHLE: Wenn er sich für die Abschaffung des Solis einsetzt, wäre ein Grüner Finanzminister aus Sicht der FDP eine gute Entscheidung. Da ist mir ein Grüner sogar lieber als ein CDU-Politiker oder ein Liberaler, der am Ende nichts durchsetzen kann.

Kommt die Cannabis-Legalisierung mit Jamaika?
KUHLE: Sie rückt in greifbare Nähe. Ich hoffe, dass das Thema in den Sondierungen zwischen FDP und Grüne angesprochen wird, damit wir uns auf eine gemeinsame Linie einigen können. Dann haben wir gute Chancen, mit der Union zu verhandeln. Klar ist: Die aktuelle Drogenpolitik ist nicht mehr zeitgemäß.

Aber kommt die Legalisierung?
KUHLE: Ich bin optimistisch. Es gibt nicht nur Schwarz und Weiß. Wir haben hier viel Raum für Kompromisse. Das Strafrecht etwa ist nicht der richtige Ort für ein Verbot. Außerdem besteht die Möglichkeit, dass Länder die Legalisierung eigenständig regeln – und Modellregionen schaffen.