FRANKFURT. Der Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen (JuLis), Konstantin KUHLE, gab der „Frankfurter Neue Presse“ für die heutige Ausgabe das folgende Interview zur aktuellen Flüchtlingskrise sowie zur Situation der Freien Demokraten. Die Fragen stellte Dieter Hintermeier (http://www.fnp.de/nachrichten/politik/Bewaehrungszeit-fuer-die-FDP-ist-no
ch-nicht-vorbei;art673,1581391):
Herr Kuhle, am Thema Flüchtlinge kommt heute niemand vorbei. Viele Politiker scheinen ratlos, wie sie mit den vielen Migranten umgehen sollen. Wie können Sie denen helfen?
KUHLE: Es ist gut, dass wir seit der jüngsten Prognose der Bundesregierung das ganze Ausmaß der Herausforderung kennen. Nun müssen vor allem die Kommunen finanziell unterstützt werden, damit sie alle Asylbewerber menschenwürdig unterbringen können. Dazu gehört auch ein Ausbau der dezentralen Unterbringung in Einzelwohnungen. Außerdem müssen die Asylverfahren verkürzt werden. Dazu sollte man für eine gewisse Zeit grundsätzlich alle Anträge von Menschen aus bestimmten Regionen genehmigen, beispielsweise aus Syrien. So haben die Zuständigen mehr Kapazitäten für die strittigeren Fälle.
Wie sieht es mit der Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt aus?
KUHLE: Ich könnte mir vorstellen, dass hier der Mindestlohn und der Kündigungsschutz Hebel sein könnten. Für einen gewissen Zeitraum könnten zum Beispiel Flüchtlinge unterhalb des Mindestlohns bezahlt und die Kündigungszeiten für diese Personengruppe verkürzt werden.
Themenwechsel: Ist die FDP nach den jüngsten Wahlerfolgen in Hamburg und Bremen über den Berg?
KUHLE: Die Bewährungszeit der FDP ist noch lange nicht abgelaufen. Die Erfolge in Hamburg und Bremen waren zwei wichtige Zeichen. Jetzt geht es um die nächsten Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt. Gelingen hier weitere Erfolge, steigen die Chancen für die Bundestagswahl 2017 weiter an.
Was sollte Ihre Partei tun, um weiter am Ball zu bleiben?
KUHLE: Sie muss deutlich machen, dass alle im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien auf Kosten der kommenden Generationen Politik machen. Die Rente mit 63 und die Mütterrente waren unerträgliche Wahlgeschenke durch die große Koalition. Wer das Sozialsystem fit für die Enkel machen will, muss dringend mehr private Vorsorge einführen. Die FDP hat in den vergangenen Monaten aber auch Profil auf neuen thematischen Feldern gewonnen. Viele junge Menschen wagen etwa heute mit einer Idee aus dem digitalen Bereich den Weg in die Selbstständigkeit. Sie brauchen eine Partei, die ihnen die Steine aus dem Weg räumt. Mehr Jobs wird es in der digitalen Wirtschaft nur mit einem massiven Ausbau der Internet-Infrastruktur geben. Noch hinkt Deutschland bei den Breitbandanschlüssen und beim WLAN im öffentlichen Raum hinterher. Da müssen wir umsteuern.
Welche Fehler darf Ihre Partei nicht mehr machen ?
KUHLE: Die FDP darf sich nicht nur in einem Thema verbeißen, sondern muss an vielen Stellen für mehr Chancen durch mehr Freiheit eintreten. Außerdem darf die FDP nicht nur als aggressiver Wadenbeißer daherkommen. Gerade junge Menschen wenden sich enttäuscht von der Politik ab, wenn sie das Gefühl haben, dass der Streit unter den Parteien wichtiger ist als die Lösung eines politischen Problems.
Wie sollte sich die FDP bei möglichen Koalitionsgesprächen verhalten? Nur auf ein Pferd setzen?
KUHLE: Nein, der Respekt vor dem eigenen Programm gebietet es, grundsätzlich keine Koalition auszuschließen. Seit 2013 ist beispielsweise niemand in die FDP eingetreten, um eine vierte Amtszeit von Angela Merkel zu ermöglichen. Deswegen bin ich mit Blick auf die Bundestagswahl 2017 gegen eine einseitige Koalitionsaussage zugunsten der Union. Auf Landesebene kann die Welt aber ganz anders aussehen.
Was macht den Liberalismus in Deutschland aus, und wie gewinnt man mit dieser politischen Idee heute noch Wähler?
KUHLE: Der Liberalismus ist von allen politischen Haltungen die optimistischste. Wir glauben, dass Deutschland mit den richtigen Reformen großartige Zeiten bevorstehen können. Ob der Zustrom an Flüchtlingen, die Alterung der Gesellschaft, die Digitalisierung oder der Klimawandel – überall wird ein dunkles Bild der Zukunft gezeichnet. Politik scheint weitgehend aus Gegenwartskritik und Nostalgie zu bestehen. Als Liberale glauben wir aber, dass unsere Gesellschaft aus diesen Entwicklungen das Beste herausholen kann. Ein weiteres Schwerpunktthema der FDP wird daher die Bildungspolitik sein. Warum gibt sich Deutschland immer noch damit zufrieden, bei der Bildung nur mittelmäßig erfolgreich zu sein?
Gibt es in der FDP noch einen linksliberalen Flügel, oder sieht sich die Partei in erster Linie dem Wirtschaftsliberalismus verpflichtet?
KUHLE: Für vielen Menschen ist es kein Widerspruch, für niedrige Steuern und weniger Bürokratie zu sein und gleichzeitig gegen Überwachung und für die Rechte von Schwulen und Lesben einzutreten. Gerade diese Vielfalt macht die FDP aus. Sie tut gut daran, nicht nur eine bestimmte liberale Spielart in den Vordergrund zu stellen.
Wen sehen Sie künftig als starken Mann der FDP? Oder sollte es doch besser eine Frau sein?
KUHLE: Die FDP wird mit der jetzigen Führungsriege in die Bundestagswahl 2017 gehen.
Welche politischen Ambitionen hat denn ein Konstantin Kuhle noch?
KUHLE: Wer in einer Partei, die derzeit nicht mehr im Bundestag vertreten ist, eine politische Karriere plant, ist nicht mehr ganz bei Trost. Aber es ist wie bei treuen Fußballfans, wenn sich einmal die Gelegenheit bietet, bei den Profis mit zu kicken, sagt man natürlich nicht Nein.
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