DARMSTADT. Der Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen (JuLis), Konstantin KUHLE, gab dem Darmstädter Echo das folgende Interview. Die Fragen stellten Heike Bölenkötter, Bettina Bastian und Frank Leber:
Herr Kuhle, die FDP ist gerade in einer schwierigen Lage – raus aus dem Bundestag und geschwächt in den Landesparlamenten.
Konstantin KUHLE: Die Situation ist ziemlich spannend. Wir sind gerade als junge Leute in einer Partei, die sich zum ersten Mal in ihrer Geschichte frei von parlamentarischen Zwängen mit der Frage beschäftigen kann, wie es eigentlich dazu gekommen ist und welche neuen Themen, Köpfe und vor allem welche neue Kommunikation man braucht, um Menschen wieder von unserem Thema – Freiheit – zu überzeugen. Gerade im Moment können wir als junge Menschen da sehr viel gestalten.
War das auch der Grund, warum Sie sich gerade jetzt dafür entschlossen haben, das Amt des Bundesvorsitzenden der Jungen Liberalen zu übernehmen?
KUHLE: Genau. Ich war schon vorher im Bundesvorstand. Gemeinsam mit Lasse Becker (bis 2013 Bundesvorsitzender, Anm. d. Red.) habe ich da Einiges durchlitten und miterlebt, wie es bergab ging. Dann stellte sich die Frage, ob man nach der Bundestagswahl resigniert. Ich kann mich noch gut an den Wahlabend erinnern. Wir sind relativ schnell von der Wahlparty verschwunden – es war schließlich keine Party – und haben in der Geschäftsstelle übernachtet. Am nächsten Morgen haben wir die Rechner hochgefahren und hatten eine dreistellige Zahl von neuen Mitgliedern. Die Leute haben sich gesagt: ‚Jetzt erst recht – ich habe immer liberal gedacht und würde mich gerne engagieren.’ Das war der Moment, an dem wir alle wussten: Sich jetzt rauszuziehen, das kann es eigentlich nicht sein.
Wo sehen Sie die Gründe für den tiefen Fall der FDP?
KUHLE: Zum einen hat es, denke ich, an der thematischen Priorität gelegen, die die FDP sich gesetzt hat, denn es war ja alleine das Thema Steuern, das man mit der FDP verbunden hat. Ein Thema nach vorne zu stellen, bei dem man dann ein halbes Jahr lang aus Angst vor einer Wahlniederlage nichts tut, das ist tödlich. Zum anderen gibt es noch einen kommunikativen Grund: Die FDP sitzt dem Missverständnis auf, man müsse nur möglichst laut und unsympathisch daherpoltern und dann wählen einen schon bestimmte Gruppen. Ich bin der Meinung, dass diese Klientel-Idee komplett überholt ist. Wir leben heute in einer so vielgestaltigen Gesellschaft, dass der laut daherpolternde Politiker, der Leute auch gerne mal über einen Kamm schert, nicht in die Zeit passt.
Die Partei braucht also neue Inhalte und Kommunikationsideen?
KUHLE: Auf jeden Fall. Das Thema Steuersenkungen ist meiner Meinung nach viel zu platt gewesen. Dass man den Spitzensteuersatz angesichts einer europäischen Staatsschulden- und Wirtschaftskrise auf 35 Prozent absenkt, das hätte nicht mal der marktliberalste FDPler für möglich gehalten. Außerdem müssen Themen wie Bürgerrechte und vor allem Generationengerechtigkeit dazukommen. Wir erleben gerade, dass die Große Koalition ein Rentenpaket beschließt, bei dem sogar die jungen Abgeordneten von CDU und SPD mit der Faust in der Tasche abstimmen und sagen: Eigentlich ist das nicht zukunftsgerecht. Da bedarf es einer Partei, die das zum Thema macht.
Gibt es für Sie bei der FDP im Moment eine Führungspersönlichkeit, in die Sie große Hoffnungen setzen?
KUHLE: Da sind wir gut aufgestellt, wenn wir nicht wieder Führungspersönlichkeit mit Messias verwechseln. Ich habe Christian Lindner als Parteivorsitzenden gewählt und glaube, dass das Team mit Nicola Beer und Wolfgang Kubicki ein ganz guter Mix ist.
Gibt es Reibungspunkte zwischen den JuLis und der FDP?
KUHLE: Ich glaube, die FDP hat noch nicht verstanden, wie wichtig das Thema Generationengerechtigkeit wirklich ist. Außerdem hat sich die FDP in der Vergangenheit sehr darauf versteift, was sie nicht will: keinen Mindestlohn, keine Mietpreisbremse und so weiter. Sie hat aber nicht gesagt, was man stattdessen möchte. Im Gespräch mit einem Vollzeitbeschäftigten, der von seiner Arbeit nicht leben kann, nur die Arme zu verschränken und aus ideologischen Gründen zu sagen, dass es keinen Mindestlohn geben soll, grenzt an Beleidigung. Stattdessen müssen wir Liberalen unsere eigenen Antworten stark machen und für bessere Bildungs-, Qualifikations- und Aufstiegschancen eintreten.
Eine besonders wichtige Gruppe für Sie sind ja die jungen Wähler. Worin sehen Sie die Gründe für die anhaltende Politikverdrossenheit besonders bei jungen Menschen?
KUHLE: Wenn wir junge Leute ansprechen, ob sie sich nicht politisch engagieren wollen, dann hören wir häufig, dass sie sich nicht gut genug mit Politik auskennen. Das zeigt, wie verantwortungsbewusst sie eigentlich sind. Eine Jugendorganisation wie wir lebt davon, dass junge Leute uns neue Ideen geben. Für die heute Sechzehnjährigen sind schon ganz andere Dinge wichtig als für mich damals. Für mich war bei den JuLis mit 17 die Frage ein großes Thema, ob ich Wehrdienst machen muss. Heute gibt es den ja gar nicht mehr.
Zur Landtagswahl in Brandenburg plakatierten die Liberalen „Keine Sau braucht die FDP“. Will man so im Gespräch bleiben?
KUHLE: Das Ziel war erst mal, Aufmerksamkeit zu schaffen für die Inhalte der FDP. Ich habe mich im ersten Moment auch erschrocken, aber genau das ist ja der Sinn der Sache. Bei der Pressekonferenz dazu mussten dann sogar Stühle zusätzlich herangeschafft werden. Das hat es bei der brandenburgischen FDP lange nicht mehr gegeben.
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