Anlässlich der politischen Sommerpause und der anhaltenden Diskussion um den Erneuerungsprozess der FDP schrieb der Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen (JuLis), Konstantin KUHLE, folgenden Gastbeitrag für „The European“ (http://www.theeuropean.de/konstantin-kuhle/8810-woran-die-fdp-jetzt-arbeiten-sollte):
Sommer des Nachdenkens
Wie geht es weiter mit der FDP? Die Partei sollte keine vorschnellen Entscheidungen treffen, sondern sich sammeln, fordert der JuLi-Vorsitzende Konstantin Kuhle.
Nach dem Ausscheiden aus dem Deutschen Bundestag im Herbst 2013 war die FDP für lange Zeit mit der Abwicklung ihrer Fraktion und der Verarbeitung der Niederlage beschäftigt – kaum hatte man sich an den Gedanken gewöhnt, künftig nicht mehr im Parlament zu sitzen, stand mit der Europawahl der nächste Tiefschlag ins Haus. Vielen Liberalen, die nach der verlorenen Bundestagswahl mit einem „Jetzt erst recht“ in die Partei eingetreten sind, geht die Neuaufstellung seither nicht schnell genug. Doch die Sommerpause 2014 ist für viele Liberale – ob als Funktionsträger oder Basismitglied – die erste Gelegenheit, inne zu halten und über die zukünftigen Herausforderungen für eine liberale Partei nachzudenken. Dass diese „neue FDP“ nicht über Nacht aus dem Hut gezaubert wird, liegt an den eingefahrenen Denk- und Kommunikationsmustern der letzten Jahre. Nur wenn diese sich ändern, wird der Neuanfang Früchte tragen. Dafür tragen aber nicht nur die Führungspersönlichkeiten der Partei, sondern jedes Mitglied Verantwortung.
Die FDP muss mit ihrem Personal realistischer umgehen
Ob Guido Westerwelle, Philipp Rösler oder Rainer Brüderle – liberale Politiker werden entweder als Messias verehrt oder mit Schimpf und Schande vom Hof gejagt. Idealerweise liegen nur wenige Monate zwischen einem solchen Stimmungswechsel. Künftig muss die FDPwieder lernen, ein gesundes Verhältnis zu ihrem Spitzenpersonal zu entwickeln. Einem Christian Lindner ist als Parteivorsitzenden nicht geholfen, wenn man ihn innerhalb weniger Monate im Amt verbrennt. Für den Dauerlauf bis 2017 braucht es auch Geduld und die Fähigkeit zu konstruktiver Kritik statt zerstörerischer Feindseligkeit. Letztere war unter Liberalen viel zu lange Usus.
Die FDP muss sich für Koalitionspartner jenseits der Union öffnen
Es gibt gute Beispiele für funktionierende schwarz-gelbe Koalitionen – ob die im Januar 2013 abgewählte Regierung unter David McAllister in Niedersachsen oder das Bündnis aus CDU und FDP, welches im August dieses Jahres in Sachsen wiedergewählt werden möchte. Verantwortungsvolle Haushaltspolitik und eine Absage an ideologiegetriebe Experimente in der Bildungspolitik sind oft Grund genug, um als Liberaler mit den Konservativen zusammen zu arbeiten. Beim Blick auf manche gesellschaftliche Herausforderung stehen sich jedoch Liberale und Sozialdemokraten näher, als das Bündnis der Besitzstandswahrer aus Union und Grünen. Man denke nur an den Wandel in der Arbeitswelt, das Zusammenleben von Menschen aus verschiedenen Kulturen und die Finanzierung der Energiewende. Hier lohnt es sich, über den schwarz-gelben Tellerrand hinaus nach Lösungen zu suchen. Die Union koaliert schließlich ihrerseits momentan mit der SPD im Bund, mit den Grünen in Hessen und mit der FDP in Sachsen – niemand käme dabei auf die Idee, die CDU mit der gleichen Verachtung als „Umfaller“ zu bezeichnen, wie es bei der FDP Gang und Gäbe ist, sobald sie einmal den Koalitionspartner wechselt. Für Gespräche mit allen demokratischen Parteien offen zu sein, ist eine Frage des Selbstschutzes vor Vereinnahmung durch einen Partner. Es ist aber auch eine Frage der Haltung gegenüber dem eigenen Programm.
Die FDP muss ihre Rhetorik umstellen
Im Bundestagswahlkampf 2013 gehörte es zum guten Ton vieler FDP-Bundestagskandidaten, die Grünen als pädophilie Ernährungs-Faschisten zu brandmarken. Am Ende fuhren die Grünen eine herbe Niederlage ein. Die Verluste der FDP jedoch waren weitaus größer. All die verbalen Angriffe auf die vermeintliche „Öko-Diktatur“ führten am Ende zu keinem Stimmenzuwachs bei den Liberalen. Denn wer um Vertrauen bei den Wählern wirbt, darf diese nicht ständig beleidigen. Allzu viele Liberale gefallen sich aber in der Rolle des machohaft bekennenden Fleischessers, der ohne Empathie für andere Lebensentwürfe durch den Wahlkampf poltert. Es geht mitnichten darum, die Fähigkeit zur Zuspitzung zu verlieren oder Probleme nicht mehr beim Namen zu nennen. Aber wer ständig unter der Gürtellinie austeilt, braucht sich nicht zu wundern, wenn der politische Gegner im entscheidenden Moment unsauber zurück spielt. Ein solcher Schlag kann die FDP in ihrer derzeitigen Situation empfindlicher treffen, als solche Parteien, die über eine stabilere Kernwählerschaft verfügen.
Die FDP muss den eigenen Argumenten auf den Grund gehen
Liberalismus meint Nachdenken über politische Lösungen auf der Grundlage der Freiheit des individuellen Menschen. Die Bürger merken allerdings schnell, wenn sich Liberale in weltfremder Dogmatik verlieren, statt Lösungen für die Probleme des täglichen Lebens zu finden. Wenn die Frage eines Familienvaters, der mit einem Vollzeit-Job seine Familie nicht ohne staatliche Zuschüsse ernähren kann, mit einem Achselzucken und dem Verweis auf die heilige Kuh namens „Vertragsfreiheit“ beantwortet werden, wird Liberalen zu Recht Zynismus vorgeworfen. Statt verbohrter Dogmen braucht es Antworten für jede Einkommensklasse, die sich an den individuellen Chancen für den Einzelnen bemessen. Im Fall des Familienvaters heißt das übrigens nicht zwangsläufig eine Öffnung für Mindestlöhne, wohl aber ein überlegteres Argumentieren mit Bildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten.
Die FDP darf sich nicht zu schade sein, mit allen Menschen zu diskutieren
Viele Liberale kochen beim Abklopfen der eigenen Argumente zu sehr im eigenen Saft. Statt sich ständig selbstzufrieden gegenseitig auf die Schultern zu klopfen, lohnt sich oftmals der Blick zu anderen gesellschaftlichen Gruppen. Wer etwa bei der Diskussion über das kürzlich beschlossene Rentenpaket der Großen Koalition mit Gewerkschaften oder Vertretern von Seniorenverbänden diskutiert, merkt schnell, dass Liberale mit ihren Argumenten nicht allein auf weiter Flur stehen. Ob Migranten, Kirchen oder Start-up-Unternehmer – viele Menschen gehen mitunter zu Recht davon aus, bei den Liberalen kein Gehör zu finden. Erst wenn Liberale wieder geachtete und respektierte Gesprächspartner sind, können sie politisch überzeugen. Die FDP hat in den nächsten Monaten und Jahren viel vor – dass sie sich Zeit für den Prozess der Neuaufstellung nimmt, macht sie zu einem spannenden Verein für jeden Liberalen. Man sollte sich allerdings keiner Illusion hingeben: Wer als Liberaler überzeugen will, muss sich möglicherweise selbst verändern.
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