KUHLE-Gastbeitrag zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk für „Huffington Post“

Anlässlich der umstrittenen Nominierung von Xavier NAIDOO als deutschem Vertreter beim Eurovision Song Contest 2016 durch die ARD schrieb der Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen (JuLis), Konstantin KUHLE, den folgenden Gastbeitrag für „Huffington Post“:

 

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk – wider die staatliche Bespaßung

Theoretisch ist es ganz einfach: In einer Demokratie bedarf es eines öffentlichen medialen Forums, mit dessen Hilfe sich jeder Bürger über politische und gesellschaftliche Fragen informieren kann – etwa, um bei der nächsten Wahl eine Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Partei treffen zu können.

Auf dieser Grundlage wurde nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland der öffentlich-rechtliche Rundfunk gegründet. Doch beim Blick in das Programm von ARD und ZDF sowie der so genannten Dritten Programme fällt schnell auf, dass das Angebot herzlich wenig mit Grundversorgung zu tun hat. Ob Traumschiff oder Rosamunde Pilcher, Fernsehgarten oder Schlagerparade – die Liste absurder Beispiele lässt sich beliebig fortsetzen.

Jetzt setzen ARD und NDR dem ganzen die Krone auf, indem sie den bekannten Verschwörungstheoretiker Xavier Naidoo als Vertreter Deutschlands zum Eurovision Song Contest 2016 in Stockholm schicken wollen. Der Nominierte hat bei verschiedenen Gelegenheiten erklärt, bei der Bundesrepublik Deutschland handele es sich nicht um einen souveränen Staat. Deutschland sei vielmehr immer noch ein besetztes Land. Von Textzeilen, die man als homophob und antisemitisch verstehen kann mal ganz abgesehen – das staatliche Fernsehen beweist mit der Nominierung Xavier Naidoos Humor. Denn der Sänger wird in Schweden ein Land vertreten, an dessen Existenz er selbst offenbar gar nicht glaubt.

Diese jüngste Eskapade des öffentlich-rechtlichen Rundkfunks in seiner bestehenden Form zeigt: Demokratische Willensbildung in der Bevölkerung geht auch ohne staatlich organisierte und finanzierte Bespaßung. Schließlich kann die vermeintliche Nachfrage nach Berichten über Nachwuchs in Königshäusern oder über sportliche Großereignisse ebenso gut durch private Anbieter erfüllt werden. Seit Anfang der Achtzigerjahre gibt es eine Vielzahl an privaten Rundfunkangeboten. Mediale Freizeit- und Unterhaltungsprogramme bedürfen nicht der Absegnung durch Vertreter in den Rundfunkräten, sondern sollten sich nach den Wünschen der Zuschauer richten.

Übrigens: Als die ARD nach der letzten deutschen Krise beim Eurovision Song Contest einem Privatsender die Auswahl des deutschen Vertreters überließ, konnte Deutschland den Wettbewerb im Jahr 2009 nach langer Zeit wieder gewinnen. Es waren der Privatsender ProSieben und Stefan Raab, die die deutsche Vertreterin Lena Meyer-Landrut zuvor ausgewählt hatten. Nun hat die ARD einfach entschieden – ohne Wettbewerb und ohne Einbindung der Zuschauer. Echtes Vertrauen in das Ergebnis der eigenen Anstrengungen sieht anders aus.

Eine Verschlankung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hätte gleich mehrere Vorteile: Zunächst könnte man den Rundfunkbeitrag massiv senken. Zum 1. April ist die monatliche Haushaltsabgabe gerade mal um 48 Cent auf 17,50 Euro pro Monat gesenkt worden, obwohl die Rundfunkanstalten massive Überschüsse erwirtschaftet haben. Wenn sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk auf das Wesentliche konzentriert, kann die Belastung für die Bürgerinnen und Bürger spürbar reduziert werden. In der Folge sollte das gesamte Finanzierungsmodell auf den Prüfstand gestellt werden. Um eine politische Einflussnahme zu minimieren, soll der öffentlich-rechtliche Rundfunk bisher nicht direkt aus Steuereinnahmen finanziert werden.

So weit so richtig – dennoch ergibt es kaum Sinn, neben der Steuerbürokratie Parallelstrukturen wie jene der Haushaltsabgabe zu schaffen. Mit einem transparenten Zuschlag zur Einkommenssteuer könnte jeder Bürger monatlich nachvollziehen, was ihn der öffentlich-rechtliche Rundfunk kostet. Damit könnte auch die Akzeptanz für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk wieder erhöht werden. Dass das Grundgesetz in Artikel 5 die Freiheit des Rundfunks besonders betont, geht mit einer besonderen Stellung für die bestehenden Rundfunkanstalten einher:

Obwohl sie Körperschaften des öffentlichen Rechtes sind, können sie sich gegenüber dem Staat auf Grundrechte berufen. Das schützt den Rundfunk zusätzlich vor politischer Einflussnahme. Es wäre schön, wenn ARD und NDR dieses besondere Privileg nicht dadurch ad absurdum führen würden, dass sie einen Sänger nominieren, der der besten Verfassung, die Deutschland jemals hatte, die Gültigkeit absprechen will. Längst informieren sich die Bürger nicht mehr ausschließlich über Printmedien und Rundfunk. Das Internet ist für viele Menschen Hauptquelle ihrer täglichen Meinungsbildung geworden. Statt die verkrusteten Strukturen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks künstlich in die digitale Welt zu pressen, sollten die Verantwortlichen endlich die mediale Lebensrealität der Menschen zur Kenntnis nehmen.

Überregulierung und Interventionismus verhindern auch auf dem digitalen Informationsmarkt einen Strukturwandel hin zu mündigeren Nachrichten-Konsumenten: Warum muss der öffentlich-rechtliche Rundfunk zur Konkurrenz von Nachrichtenseiten und Blogs aufgebaut werden, obwohl diese längst ohne Einmischung der öffentlichen Hand funktionieren? Brauchen der Saarländische Rundfunk und Radio Bremen wirklich jeweils eine gebührenfinanzierte App? Der Verdacht liegt nahe, dass viele Bereiche des öffentlich-rechtlichen Rundfunks schlichtweg weiter wachsen müssen, um überleben zu können. Insbesondere das digitale Fernsehangebot ist von diesem Zwang betroffen. Dabei wäre es eine wohltuende Umkehr, wenn statt immer neuer Angebote auch einmal Sender und Programme eingestellt würden, wenn ihnen die Zuschauer oder Zuhörer fehlen.

Tatsächlich sorgen Doppel- und Dreifachstrukturen beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk aber auch dafür, dass es in den entsprechenden Gremien wie den Rundfunkräten Sitze und Stimmen für jede politische Couleur gibt. Dies kann jedoch nicht Sinn der Grundversorgung sein. Mehr Zutrauen in die Mündigkeit der Konsumenten, sich eigene Foren zum Meinungsaustausch zu schaffen, stünde einer Demokratie gut zu Gesicht – ebenso wie die Wahl von Vertretern, die diese Demokratie glaubhaft nach außen vertreten. Auch beim Eurovision Song Contest.