Defensive statt Offensive für Forschung und Bildung

Laura ist als Chefredakteurin unseres Mitgliedermagazins J&L auch kooptiertes Mitglied unseres Bundesvorstandes. In diesem Beitrag beschäftigt sie sich mit der Frage, welche Maßnahmen die Große Koalition im Bereich „Bildung und Forschung“ plant und wie diese aus unserer Sicht zu bewerten sind.


Bildung ist DAS politische Gewinnerthema. Quer durch alle politischen Lager ist die Forderung nach mehr und besserer Bildung zu hören. Eigentlich logisch, dass auch die nächste GroKo eine „Offensive für Forschung, Bildung und Digitalisierung“ anstrebt. Aber so wenig wie „mehr und bessere Bildung“ eine konkrete politische Forderung ist, so wenig funktioniert eine Offensive ohne die richtige Strategie. Schauen wir also genauer hin, wie CDU/CSU und SPD Deutschlands Bildungswesen wettkampffit machen wollen.

Wohl eine der wichtigsten Frage für junge Menschen im schulpflichtigen Alter: Was hat die künftige GroKo mit dem Schulsystem vor? Damit die Erwartungen nicht zu groß werden, nehme ich es vorweg: Es wird nicht der große Wurf. Anstatt endlich eine Vision von einem zentralen Bildungssystem zu entwickeln heißt es im Koalitionsvortrag: „Die Kultushoheit bleibt Kompetenz der Länder.“ Es bleibt also bei 16 Bundesländern mit 16 Bildungssystemen. Zumindest will der Bund den Ländern aber künftig finanziell stärker unter die Arme greifen, um vor allem die Digitalisierung der Schulen, den Ausbau der Ganztagsbetreuung und die Qualität der beruflichen Bildung voranzubringen. Ob aber die Digitalisierungsoffensive die Schülerinnen und Schüler überhaupt erreicht, ist unklar. Zunächst sollen nämlich die Länder eine entsprechende Ausbildung der Lehrkräfte sowie die Anpassung der Rahmenlehrpläne vorweisen, bevor der Bund Geld fließen lässt. Für Wartung und Instandhaltung sollen ebenfalls die Länder verantwortlich sein. Gleiche Bildungschancen wird es so mitnichten im gesamten Bundesgebiet geben. Weiterhin hängt das Bildungsangebot vom Wohnort ab, welchen minderjährige Schülerinnen und Schüler nicht einfach wechseln können. Dass das verfassungsrechtlich problematisch ist, stellte das Bundesverfassungsgericht erst vor Kurzem in seinem Urteil zum NC-Vergabesystem fest. Dennoch will sich die Bundesregierung auch in den nächsten vier Jahren vorbehalten, lediglich Prestigeprojekte wie Digitalisierung, Ganztagsbetreuung oder Inklusion punktuell zu fördern. Den Schneid, mit Bildung die Kernkompetenz der Länder anzutasten, hat sie nicht. Wir brauchen aber ein zentrales Bildungssystem mit eigenverantwortlichen Schulen, um endlich deutschlandweit gleiche Bildungschancen schaffen. Auch bietet sich so die Chance, ein Bildungssystem zu entwickeln, welches nicht deutschlandbeste Bildung zum Ziel hat, sondern weltbeste Bildung. Denn darunter sollte unser Anspruch nicht liegen.


„Gleiche Bildungschancen wird es so mitnichten im gesamten bundesgebiet geben. weiterhin hängt das Bildungsangebot vom Wohnort ab.“


In anderen Bereichen scheinen CDU/CSU und SPD tatsächlich einige Zeichen der Zeit erkannt zu haben und legen einen starken Fokus auf die berufliche Bildung. Trotz eines Ausbildungssystems, um das uns die meisten Länder der Welt beneiden, beginnen immer weniger junge Menschen eine Ausbildung. Die künftige GroKo möchte dem vor allem durch eine Mindestausbildungsvergütung entgegenwirken. Das klingt zunächst nach einem nicht unbedingt liberalen, aber doch probaten Mittel, um eine Ausbildung attraktiver zu machen. Klein- und Kleinstbetriebe wird man dadurch aber eher nicht wie im Koalitionsvertrag vorgesehen als Ausbildungsbetriebe gewinnen, sondern es ihnen eher verunmöglichen, jungen Menschen eine Chance zu geben. Ansonsten bleiben die bisherigen Zielsetzungen für die berufliche Bildung eher schwammig. So sollen zum Beispiel die internationale Mobilität der Auszubildenden, die Vereinbarkeit von Ausbildung und Familie oder die Berufsorientierung an Schulen gefördert werden – wodurch konkret, bleibt offen. Beispielsweise im Fall der Berufsorientierung liegt das auch daran, dass diese Kompetenz weiterhin bei den Ländern liegt. Aber im Bundestags wird eine Enquete-Kommission zur „Stärkung der beruflichen Bildung zur Sicherung des Fachkräftebedarfs“ eingerichtet. Die GroKo will also nach einem altbekannten Sprichwort vorgehen: Wenn man nicht mehr weiterweiß, gründet man `ne Enquete-Kommission. War das so richtig?


„Die Groko legt einen starken fokus auf berufliche bildung – greift aber nicht nach den richtigen mitteln.“

Lauras Fazit zur „Bildungs-Offensive“ der GroKo


Doch seien wir nicht nur kritischen, sondern auch konstruktiv. Kommen wir zu den besseren Ideen von CDU/CSU und SPD. So gibt es im Koalitionsvertrag, wenn auch nur in einem kurzen Abschnitt, doch Ideen zum lebenslangen Lernen. Die künftige GroKo will dieses sowohl finanziell durch ein Aufstiegs-BAföG, die Bildungsprämie und Stipendienprogramme für beruflich Qualifizierte unterstützen als auch inhaltlich durch bessere Beratung und Information sowie Angebote zur digitalen Bildung fördern. Leider ist der Koalitionsvertrag an dieser Stelle noch nicht so ausgereift wie unser Wahlprogramm zur Bundestagswahl. Wir wollen Menschen nicht nur befähigen, digitale Medien nutzen zu können, sondern sie auch von diesen profitieren lassen. Wir fordern die Unterstützung von Bildungsplattformen nach dem Vorbild der „Open University“, zu der jeder Bürger, unabhängig von seinem formellen Bildungsgrad, Zugang bekommen soll. Die Bildungsplattform soll ihre Bildungsinhalte in Form von „Massive Open Online Courses“ (MOOCs) über das Netz zur Verfügung stellen. Ziel der staatlichen Förderung der Bildungsplattform ist, ihren Nutzern berufsfördernde Inhalte zu vermitteln. Ein standardisiertes Bewertungs- und Zertifizierungssystem soll die Anerkennung dieser Bildung durch Arbeitgeber ermöglichen. Des Weiteren sollen sich qualifizierte, online erarbeitete Kurse an einen universitären Bildungsabschluss anrechnen lassen. Aber so viel Innovation war von einer neuen GroKo eigentlich auch nicht zu erwarten.


„Wenigstens etwas: Die GroKo konnte sich auf einige wenige ideen zum lebenslangen lernen einigen.“

Wenn man lange sucht, findet man auch kleine, positive Punkte – Laura macht es vor


Große Ideen lassen sich auch im Abschnitt „Hochschulen und Wissenschaft“ des Koalitionsvertrages nicht finden, sondern immer wieder Verben wie „verstetigen“, „fortführen“ oder „evaluieren“. Das heißt letztendlich: Vier Jahre weiter so und dann schauen wir mal. Wirklich große Projekte und Ideen wie unsere Forderung nach einem elternunabhängigen Bafög sind in diesem Abschnitt nicht zu finden. Liest man hingegen die Absichten vom CDU/CSU und SPD zu Forschung und Innovation, so hat man tatsächlich das Gefühl, Deutschland sei Innovationsland. Das ist es tatsächlich auch seit Jahrhunderten. Innovativ sind aber vor allem Wissenschaft, Forschung und einzelne kluge Köpfe. Die deutsche Politik war hingegen in den letzten Jahren eher Zukunftsverweigerer und behinderte die Innovativen. Hoffen wir, dass die GroKo in den kommenden vier Jahren tatsächlich in allen Politikfeldern so innovations- und technologieoffen handelt, wie sie es im Koalitionsvertrag beteuert.


„Wirklich grosse projekte wir ein elternunabhängiges bafög sind auch im Abschnitt ‚Hochschulen und wissenschaft‘ nicht zu finden.“

Laura zeigt sich enttäuscht von der Einfallslosigkeit der GroKo


Wie stark wird nun die „Offensive für Forschung, Bildung und Digitalisierung“ der kommenden Regierungskoalition sein? Erwarten wir nicht zu viel. Aktuell liest sich dieser Teil des Koalitionsvertrages tatsächlich eher wie eine Defensivstrategie. Bestehendes soll verstetigt und maximal punktuell angegangen werden. Die wirklich großen Ideen müssen aber wohl noch vier Jahre auf ihren Einsatz warten.