06.06.2013

Wirtschaftliche Gleichstellung von Frauen und Männern in Deutschland

Die Jungen Liberalen begrüßen die Diskussion um Gleichstellung von Mann und Frau in Wirtschaft und Gesellschaft. Gleichstellung der Geschlechter über die rein rechtliche Gleichstellung hinaus ist elementar für die Verwirklichung des liberalen Ideals der Chancengerechtigkeit. Die Thematik der Gleichstellung erstreckt sich über mehrere Bereiche und darf nicht auf einzelne Aspekte verengt werden.

Wir Junge Liberale sehen deutlichen Handlungs- und Änderungsbedarf in Wirtschaft und Gesellschaft, um das Projekt der Gleichstellung weiterzuführen. Nicht zuletzt werden wir erst durch die Gleichstellung von Mann und Frau unserem liberalen Gesellschaftsbild gerecht, in dem alle Menschen die möglichst gleiche Ausgangsposition zur Verwirklichung ihrer Lebensvorstellung haben.

1. Akzeptanz von veränderten Rollenbildern für Männer und Frauen

Die Jungen Liberalen wollen eine offene und vielfältige Gesellschaft, in der jeder frei entscheiden kann, welche Rolle er einnimmt. Leider herrschen in der Gesellschaft immer noch gewisse Rollenvorstellungen, Klischees und Kategorisierungen, die unter anderem aus biologischen Unterschieden geschlussfolgert werden. Dies zwingt Mann und Frau oft dazu, gewisse soziale Rollen einzunehmen. Berufe werden als Frauenberufe bzw. Männerberufe deklariert, weil sie mit bestimmten Eigenschaften verbunden werden. Unsere Gesellschaft ordnet den Geschlechtern folglich gewisse Werte und Eigenschaften zu ohne auf die Individualität der Person einzugehen. Der Anteil von Männern in Pflege- und Erziehungsberufen ist z.B. ebenso unausgeglichen wie der von Frauen in technischen Berufen. Der häusliche Bereich wird zudem mehrheitlich noch immer als Domäne der Frauen gesehen.

Die Jungen Liberalen freuen sich über eine große Vielfalt an Lebensentwürfen: "Karrierefrauen" sollen ebenso Unterstützung von Gesellschaft und Staat erhalten wie Männer, die sich für häusliches Leben und Kindererziehung entscheiden. Gleichermaßen muss ein Mittelweg zwischen Karriere und Beruf in vollem Maße gegeben sein. Beides darf sich nicht antipodisch gegenüberstehen, vielmehr muss der Staat die nötigen Bedingungen zur Vereinbarung von beidem schaffen und zwar für Frauen genauso wie für Männer. Eine liberale, offene und tolerante Gesellschaft orientiert sich nicht an tradierten Rollenbildern, sondern lässt es den Menschen offen, in die Rolle zu schlüpfen, die ihnen persönlich zusagt und in der sie sich wohlfühlen. Keinem Menschen darf – ob aktiv durch den Staat oder passiv durch die Gesellschaft – vorgeschrieben werden, wie er zu sein hat.

2. Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Um in Wirtschaft und Politik mit ihren männlichen Kollegen auf Augenhöhe konkurrieren zu können, müssen Frauen unabhängig von ihrer (potentiellen) Mutterrolle wahrgenommen werden können. Ziel muss es sein, dass die Erwerbsbiographie einer Frau nicht stärker durch ihre familiäre Situation beeinflusst wird, als es bei einem Mann der Fall ist.

Ein wichtiger praktischer Aspekt der Gleichstellung von Mann und Frau ist somit die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für beide Geschlechter. Sie schafft mehr Offenheit in der Gesellschaft und ist Bedingung der Möglichkeit des Abbaus von Vorurteilen und Ressentiments. Es darf kein Widerspruch sein – ob als Mann oder als Frau – sowohl Familie zu haben als auch wirtschaftlich Karriere zu machen. Es muss aber genauso möglich sein, sich als Frau wie als Mann gegen eine Familie zu entschieden, ohne gesellschaftliche Normen zu verletzen.

Für uns Liberale soll jeder für sich selber entscheiden, ob und wie er seine Arbeitszeit und den Familienalltag vereinbart. So muss ein Vater, der gerne zuhause bleiben würde und sich um die Kindererziehung kümmern möchte, auch in gleicher Weise darin unterstützt werden wie eine Mutter. Eine Frau, die sich dazu entscheidet, ihr Kind in eine Krippe oder Kindertagesstätte zu geben, um weiter zu arbeiten, darf nicht von der Gesellschaft als "Rabenmutter" diffamiert werden. Ebenso muss es jedoch weiterhin für Frauen möglich sein, die Erziehung ihrer Kinder einer wirtschaftlichen Karriere vorzuziehen, ohne hierfür gesellschaftlich stigmatisiert zu werden. Es ist Aufgabe der Politik, für jede Form von Lebensmodell Rahmenbedingungen zu schaffen, sowie diese den Möglichkeiten nach zu unterstützen.

Wir schlagen folgende Maßnahmen vor:

a) Das Ehegattensplitting und die kostenlose Partnermitversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung sind abzuschaffen und durch eine grundsätzliche Individualbesteuerung oder einen Gesamtfreibetrag für Verantwortungsgemeinschaften zu ersetzen. Das Ehegattensplitting setzt Anreize an einem falschen Punkt und wirkt damit darauf hin, dass ein Elternteil in geringfügiger Beschäftigung bleibt oder erst gar keine Beschäftigung aufnimmt, da die Anreizstrukturen dafür nicht gegeben sind. Damit wird eine sonst eventuell eintretende Diversifikation der Gesellschaftsentwürfe verhindert und veraltete soziale Strukturen gefestigt.

b) Staatliche Kinderbetreuung soll möglichst flächendeckend gebührenfrei angeboten werden. Ergänzend dazu soll der Ausbau privater Betreuungseinrichtungen, zum Beispiel auch als Elterninitiativen oder in Unternehmen zusätzliche Förderung erhalten. Ebenso soll die Betreuung durch Tagesmütter und -väter gefördert werden, um flexibel und flächendeckend Betreuungsangebote auszubauen. Das Recht auf einen Betreuungsplatz ab dem 3. Lebensjahr soll auch auf Krippenplätze ab dem 1. Lebensjahr ausgeweitet werden. Die Öffnungszeiten von Kinderbetreuungseinrichtungen sollen sich noch stärker an den Arbeitszeiten der Eltern orientieren. Auch an Grundschulen und weiterführenden Schulen bis zur 8. Klasse sollen Ganztagesangebote flächendeckend ausgeweitet und unterstützt werden.

c) Vereinbarkeit von Familie und Beruf funktioniert nur, wenn nicht nur der Staat, sondern auch die Wirtschaft zur Gestaltung neuer Rahmenbedingungen beiträgt. So müssen sich die Unternehmen bewusst werden, dass flexible Arbeitszeitregelungen nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu betrachten sind, sondern sich unter dem Aspekt der Zufriedenheit der Mitarbeiter und damit auch der Produktivität eines Unternehmens auch für das Unternehmen selbst lohnen.

3. Gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit

Der durchschnittliche Bruttostundenverdienst von Männern ist in Deutschland höher als von Frauen. Rund 2/3 dieses Unterschieds sind auf strukturell unterschiedliche arbeitsplatzrelevante Merkmale wie ungleiche Besetzung von Positionen, unterschiedliche Berufs- und Branchenwahl, Arbeitszeiten (Vollzeit/Teilzeit) usw. zurückzuführen. Das fehlende Drittel lässt sich nicht durch solche Merkmale erklären; das heißt Frauen verdienen in Deutschland bei gleicher Qualifikation und Tätigkeit durchschnittlich weniger pro Stunde als Männer. Dieser Unterschied ist größer als in den meisten europäischen Nachbarländern.

Als Junge Liberale sind wir grundsätzlich der Meinung, dass Lohnfindung am Markt stattfindet. Wir sehen jedoch aufgrund des großen Unterschieds, der zudem deutlich über dem EU-Durchschnitt liegt, eine strukturelle Diskriminierung von Frauen auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Neben der oben angesprochenen Benachteiligung von Frauen durch den deutlich höheren Anteil an häuslicher Arbeit und durch staatliche Fehlanreize wie das Ehegattensplitting sind weitere Gründe einerseits bei den betroffenen Frauen selbst und andererseits in Unternehmen und im Öffentlichen Dienst zu suchen. Frauen sollten sich Lohndifferenzen nicht gefallen lassen, sondern eigenverantwortlich derartige Missstände in Angriff nehmen und gleichen Lohn fordern. Auch vor arbeitsrechtlichen Schritten sollte im Einzelfall nicht zurückgeschreckt werden.

Wir fordern Arbeitgeber auf, sich Lohnstrukturen im eigenen Unternehmen zu vergegenwärtigen und der Diskriminierung von Frauen oder auch Mitarbeitern mit Migrationshintergrund – die von ganz ähnlichen Mechanismen betroffen sind – aktiv entgegenzuwirken.

4. Chancengerechtigkeit für Männer und Frauen in Führungspositionen

Frauen sind in den Führungspositionen großer Unternehmen unterrepräsentiert. Die Antworten der großen Unternehmen in Deutschland erschöpfen sich bisher weitgehend in Absichtserklärungen.

Wir sehen es als Aufgabe der Politik, diese Selbstverpflichtungen der Unternehmen kritisch zu beobachten, Entwicklungen zu evaluieren und bei deren offensichtlichem Versagen entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Das Eingreifen in die Auswahl von Führungskräften durch den Staat widerspricht der liberalen Ideologie.

Wir appellieren daher zunächst an die Unternehmen in Deutschland, weiblichen Führungsnachwuchs zu rekrutieren.

Gerade der Staat sollte hierbei eine Vorbildfunktion wahrnehmen und die Beschäftigungsverhältnisse in seinen Institutionen und Behörden nach Kriterien der Gleichstellung evaluieren und gegebenenfalls Missstände beheben.

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