Die Jungen Liberalen blicken voller Sorge auf die eskalierende Situation in der Ukraine. In den letzten Monaten strömten Tausende Demonstranten auf den Maidan-Platz in Kiew, um für Freiheit, Bürgerrechte und Chancen auf Wohlstand zu demonstrieren. Für diese Ziele sind dort Menschen in der Konfrontation mit dem Regime gestorben. Nach der Freude über den Sieg der Maidan-Demonstranten über die kleptokratische Regierung Janukowitsch folgt nun jedoch Besorgnis. Das Land geht einer sehr unklaren politischen und ökonomischen Zukunft entgegen. Die innere Konstitution und äußere Sicherheit sind bedroht. Der Staat steht unmittelbar vor der Zahlungsunfähigkeit, die Wirtschaft ist nicht wettbewerbsfähig und die öffentliche Verwaltung ist von Korruption und Nepotismus durchsetzt. Zugleich gefährdet die völkerrechtswidrige militärische Besetzung der Krim-Halbinsel durch Russland ernsthaft die Integrität des Gesamtstaates. Die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten wirken im Umgang mit der Krim-Krise, aber auch mit der post-revolutionären Situation im Rest der Ukraine hilflos. Anstelle eines klaren politischen Kurses mit definierten roten Linien und einer strategischen Zielvorstellung steht ein mäandrierendes Hin und Her. Weder handelt die EU geschlossen in eine Richtung, noch vermögen es die vermeintlich einflussreichen Mitgliedstaaten, wie Deutschland oder Frankreich, eine eindeutige Position solide zu vertreten. Auf diese Weise lässt die westliche Außenpolitik Putin gewähren und die liberalen, fortschrittlichen Kräfte in der Ukraine im Stich.
Die Jungen Liberalen fordern die Bundesregierung und die Europäische Union eindringlich auf, ihren Kurs zu korrigieren und die Menschen in der Ukraine auf ihrem Weg zu Demokratie, Frieden und Wohlstand zu unterstützen. Militärischer Druck und die tatsächliche oder gefühlte Gefährdung der Bürger erschweren die Entwicklung einer demokratischen Zivilgesellschaft und erleichtern die Radikalisierung der Bevölkerung. Die Ukraine braucht die Unterstützung einer starken und bestimmten westlichen Außenpolitik. Und auch Europa braucht eine starke und bestimmte Außenpolitik, um zukünftig glaubwürdig in der Welt auftreten zu können. Wer unfähig ist, auf die militärische Besetzung eines EU-Nachbarstaats angemessen zu reagieren wird zukünftig gegenüber realpolitisch versierten Autokraten an Handlungsfähigkeit und Glaubwürdigkeit verlieren. Er gefährdet somit seine eigene Sicherheit und die seiner Bündnispartner.
Krim-Krise entschärfen
Die Jungen Liberalen verurteilen die Besetzung der Krim-Halbinsel durch russische Truppen als einen völkerrechtswidrigen Akt der Aggression und Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Staates. Der Einsatz nicht eindeutig gekennzeichneter Truppen verletzt zudem die internationalen Kriegskonventionen. Die angekündigte Volksabstimmung ist unter dem Eindruck der massiven Truppenpräsenz und der Besetzung der Regionalverwaltung eine Farce. Die Bevölkerung muss frei und ohne militärisches Bedrohungsszenario über die weitere Entwicklung entscheiden. Weiterhin erscheint es uns dann nur folgerichtig, dass auch die Menschen in den Kaukasusrepubliken der Russischen Föderation über ihre Staatenzugehörigkeit mitbestimmen dürfen.
Die westlichen Diplomaten sind gefordert die Krim-Krise zu bewältigen. Ein militärisches Kräftemessen zwischen Russland und der NATO muss dabei, nicht zuletzt ob der nuklearen Bewaffnung beider Seiten, vermieden werden. Stattdessen muss mit allen Beteiligten am Verhandlungstisch eine Road-Map für das weitere Vorgehen entwickelt werden. Grundbedingung hierfür ist der Abzug der russischen Truppen von der Krim und die Übergabe der Kontrolle an ukrainische oder internationale Sicherheitskräfte. Denkbar wäre eine gemeinsame Sicherungs- und Beobachtermission durch die OSZE oder neutrale Staaten (etwa aus den Reihen der G20) unter UN-Mandat.
Sollte Russland in ein solches geordnetes Verfahren nicht einwilligen, bedarf es wirksamer Konsequenzen durch Europa und die USA. Neben diplomatischen Drohungen sind dann auch Sanktionen notwendig. In verschiedenen Stufen, sind etwa individuelle Sanktionen (Kontosperren, Reiseverbote), generelle Reiseeinschränkungen bis hin zu Wirtschaftssanktionen, einem Ausschluss aus den G8 oder einer Sperrung des Bosporus für die russische Marine sowie eine Verstärkung der NATO-Flottenpräsenz im Großraum östliches Mittelmeer, sowie am Bosporus. denkbar.
Nach einer Stabilisierung der akuten Lage auf der Krim kann anschließend eine Verständigung über deren zukünftigen Status ausgehandelt werden. Hierfür sollten insbesondere die Neuwahlen in Kiew abgewartet werden. Die Krim zu einem wirklich autonomen Teil der Ukraine in Selbstverwaltung und mit umfassenden Minderheitenrechten zu entwickeln erscheint uns, so die Bevölkerung diesen Wunsch mitträgt, als die nachhaltigste Lösung. Die OSZE-Partnerstaaten müssen für die gefundene Lösung Garantien übernehmen. Weiterhin sollten weder der Westen noch Russland ungehinderten Zugriff auf die Halbinsel bekommen.
Die Ukraine zusammenhalten
Neben dem Konflikt um die Krim, sind auch die ethnischen und ökonomischen Spannungen in anderen Teilen der Ukraine ein großes Problem für den weiteren Konsolidierungsprozess. Die Ukrainer vertrauen darauf, dass wir unsere Versprechen und Verträge einhalten. Das bedeutet aber keinesfalls ein einfaches „Weiter-so“.
Gemeinsam mit allen Beteiligten muss über eine stärkere Autonomie der Regionen verhandelt werden. Es bedarf Garantien für die russische Sprache, kulturelle Autonomie und einen föderalistischen Staatsaufbau für die Ukraine. Hier muss sich die EU für einen starken Schutz der Minderheitenrechte einsetzen. Über eine Loslösung der Krim kann letztlich deren Bevölkerung entscheiden; jedoch nur wenn dies in einem ordnungsgemäßen rechtsstaatlichen Verfahren unter Aufsicht der OSZE die Rechte der ukrainischen und tatarischen Minderheit hinreichend geschützt sind.
Demokratie und Wohlstand
Ziele der Demonstranten auf dem Maidan-Platz waren mehr Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Chancen auf Wohlstand. Bereits nach der Orangenen Revolution im Jahr 2004 scheiterte die Umsetzung dieser Ziele. Eine weitere Enttäuschung darf es nicht geben. Deshalb müssen die EU und die Bundesregierung die Menschen in der Ukraine auf ihrem Weg zu Freiheit und Demokratie unterstützen und fördern. Hierzu reicht es nicht, schöne Reden zu halten und Solidarität zu signalisieren. Gefragt sind handfeste Maßnahmen.
Die EU muss umfängliche Hilfe für die Demokratisierung und Stabilisierung zur Verfügung stellen. Ausbildungsmissionen für Polizei, Verwaltung und Rechtswesen haben bereits in anderen Regionen wertvolle Dienste geleistet. Außerdem müssen europäische Think-Tanks und Regierungsorganisationen ihre Unterstützung bei der Reform des Staatsaufbaus und Verfassung anbieten. Es ist auch Aufgabe des Westens, ein Auge auf die Entwicklungen zu haben und Minderheitenrechte, Korruptionsbekämpfung und Rechtsstaatlichkeit immer wieder aktiv von Kiew einzufordern.
Zur Konfliktbewältigung ist zudem eine Aufarbeitung der Vergangenheit von Nöten. Ob dies über eine Wahrheitskommission oder ein Sondertribunal von statten geht, ist die Entscheidung der Menschen in der Ukraine. In beiden Bereichen verfügt die internationale Gemeinschaft über einen großen Erfahrungsschatz, der zur Verfügung gestellt werden muss. Beratung, Ausbildungs- bzw. Finanzierungshilfe und juristische Unterstützung sollte auch von der Bundesregierung angeboten werden.
Die Demokratie in der Ukraine hat nur eine Chance, wenn die Menschen nicht nur mehr Mitbestimmungsrechte bekommen, sondern sich auch die ökonomische Situation verbessert. Dabei ist eine freihandelsorientierte Politik, also der Verzicht auf Zölle die geeignetste Maßnahme. Auch eine klug durchdachte Entwicklungszusammenarbeit kann helfen Bildung bereitzustellen und die Chancengerechtigkeit zu erhöhen.
Der Westen, Russland und die Ukraine
Über die Beilegung des konkreten Konfliktes hinaus bedarf es einer dauerhaften Lösung für die Region. Über die künftige Orientierung des Landes entscheidet die Ukraine eigenständig. Dafür ist eine wirtschaftliche und militärische Zusammenarbeit mit allen Partnern notwendig. Die EU muss der neugewählten und demokratisch legitimierten Regierung in Kiew mit offenen Armen entgegentreten. Ziel muss eine Partnerschaft auf Augenhöhe sein, die beiden Seiten gerecht wird und keine einseitigen Zwänge beinhaltet. Wichtig ist hierbei Russland bei allen Verhandlungen miteinzubeziehen und dessen Furcht vor einer Bedrohung vor der eigenen Tür ernst zu nehmen.
Gemeinsam Handeln – Osteuropa schützen
Die Krise in der Ukraine zeigt, wie wichtig ein gemeinsames Handeln der EU und der Mitgliedsstaaten ist. Nur gemeinsam kann die EU genug außenpolitisches Gewicht in die Waagschale werfen, um in diplomatischen Auseinandersetzungen zu bestehen. Wichtiger noch ist aber nicht nur gemeinsam zu stehen, sondern auch zu handeln. Die Strukturen der GASP müssen reformiert, Außenpolitik stärker dynamisiert und europäisiert werden.
Die Reaktion der osteuropäischen Mitgliedstaaten auf das zögerliche Handeln der EU und der Bundesregierung zeigt, wie entscheidend eine verlässliche Partnerschaft ist. Wir dürfen unsere Freunde in Polen oder den baltischen Staaten nicht alleine lassen, sondern müssen durch entschiedenes und stringentes außenpolitisches Handeln für Vertrauen sorgen.