Die vergangenen 30 Jahre der deutschen Einheit sind eine Erfolgsgeschichte der Demokratie und der Marktwirtschaft. In der Konvergenz der Lebensverhältnisse und der Wirtschaftsleistung sind große Fortschritte zu verzeichnen. Städte wie Dresden, Leipzig oder Berlin haben sich zu internationalen Großstädten entwickelt; Magdeburg, Erfurt und Potsdam zu etablierten Wissenschaftsstandorten.
Viele Regionen Ostdeutschlands bieten sehenswürdige Naturlandschaften und eine ausgesprochen hohe Lebensqualität. Das einseitig negative Bild Ostdeutschlands gehört nur noch der Geschichte an. Doch die ostdeutschen Bundesländer stehen vor einigen spezifischen Herausforderungen. Um diesen Umständen gerecht zu werden, streben wir eine Weiterentwicklung der eindimensionalen Ost-West-Perspektive hin zu einer regional differenzierten Analyse der Lebensbedingungen in sämtlichen Landesteilen an. Ostdeutsche Bundesländer sind dabei in besonderem Maße von Unterproduktivität, Fachkräftemangel sowie Bildungsabwanderung betroffen und verfügen historisch bedingt nur über wenige Großbetrieben oder Konzernzentralen. Die Unzufriedenheit über fortbestehende Unterschiede zu den alten Bundesländern, kurbelt gesellschaftliche Probleme wie Rassismus und Extremismus weiter an.
Gesamtdeutsche Maßnahmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit strukturschwacher Regionen
Die neuen Bundesländer können jedoch als Chance begriffen werden, das Wirtschaftswachstum einer Region sowie den gesellschaftlichen Wandel dieser mit neuen Methoden und Ansätzen gezielt zu fördern und die Wechselwirkungen, die zwischen Wirtschaft und Gesellschaft bestehen, in diesem Prozess besser verstehen zu lernen. Viele der Maßnahmen, die Regionen in Ostdeutschland voranbringen können, lassen sich auf andere strukturschwache Regionen oder sogar auf ganz Deutschland übertragen. Denn vermindertes Wirtschaftswachstum und gesellschaftliche Spaltungen birgen das Risiko einer sinkenden Attraktivität Deutschlands als Standort für Investoren und dringend benötigte Fachkräfte aus dem Ausland. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, gesamtdeutsche Veränderungen anzustreben, von denen insbesondere Regionen in Ostdeutschland profitieren können. Dies soll ergänzend zu spezifischen Lösungsvorschlägen für ostdeutsche Gebiete geschehen.
Wir sprechen uns gegen eine Fortsetzung des Solidaritätszuschlags aus, da dieser als temporäre Abgabe eingeführt wurde. Die Einhaltung dieser Maßgabe folgt aus dem Respekt vor dem Souverän und den großen Fortschritten der Konvergenz zwischen Ost-und Westdeutschland.
Investoren soll in Zukunft mehr Sicherheit bei Investitionen in Gemeinden geboten werden, zusätzlich sollen Gemeinden zu einer vernünftigen Haushaltsführung ermutigt werden. Dies wollen wir erreichen, indem wir die Insolvenzordnung für Gebietskörperschaften einführen.
Um die deutsche Wirtschaft, insbesondere in Ostdeutschland, nicht unnötig zu hemmen, fordern wir einen Bürokratie-TÜV für alle neuen Gesetze und Verordnungen. Dort sollen diese bezüglich ihrer Auswirkungen auf Verwaltung und erhöhten bürokratischen Aufwand in Unternehmen geprüft werden.
Des Weiteren wollen wir die Ausschreibung von grenzüberschreitenden Wohn- und Gewerbegebieten vereinfachen. Auch bei gemeinsamen Infrastrukturprojekten dürfen Grenzen von Bundesländern kein Hindernis darstellen. Zukünftig sollen Planungsämter in Regionen, die an andere Bundesländer grenzen, enger miteinander kooperieren. Dafür ist es notwendig Regulierung auf Landeseben für Infrastrukturprojekte zeitnah anzugleichen.
Aufschwung durch Chancenregion
Den Herausforderungen der globalisierten Weltwirtschaft möchten wir mit einer starken Gründer- und Innovationskultur begegnen. Über freiheitliche Experimentierräume können Fortschritt und Innovation in ganz Deutschland vorangetrieben und somit ein Beitrag zu unserem gemeinsamen Wohlstand geleistet werden. Hierzu setzen wir unter anderem auf Chancenregionen, in denen sowohl die Zivilgesellschaft als auch Verwaltung und Betriebe neue, mutige Wege gehen können. Dazu braucht es eine konstruktive Zusammenarbeit von Kommunen, Ländern und Bund. Diese sollten gemeinsam einen bundesweit einheitlichen Anforderungskatalog entwickeln, der die Eignung einer Region als Chancenregion definiert. Hiermit muss sichergestellt werden, dass die geförderten Regionen über hinreichendes Technologie- und Innovationspotential verfügen. Gleichzeitig sollte eine individuelle Ausgestaltung des Konzepts nach Maßgabe der regionalen Gegebenheiten ermöglicht werden. Der Chancenregion-Status soll für einen im Vorhinein festgelegten, langfristig angesetzten Zeitraum gelten und in entsprechenden Perioden erneuert werden können.
In Chancenregionen soll es insbesondere möglich sein die bürokratischen Rahmenbedingungen zu vereinfachen, beispielsweise durch eine Senkung von Zulassungs- und Servicegebühren oder die Schaffung bürokratiefreier Jahre bei Neugründungen. Zusätzlich sollen Ausnahmemöglichkeiten im Verwaltungs- und Baurecht geschaffen werden, die beispielsweise Bauleit- und Genehmigungsverfahren oder Flächennutzungsplanungen beschleunigen und erleichtern. Die Regionen sollen außerdem von priorisierter Umsetzung bereits vom Bund geplanter Infrastrukturmaßnahmen profitieren.
Für die Chancenregionen wollen die Jungen Liberalen auch die Gewinnung von Young Professionals erleichtern und fördern. Ausländische Bildungsabschlüsse müssen zukünftig schnell, begründet und transparent anerkannt werden. In Fällen, bei denen keine vollständige Anerkennung gelingt, soll eine Nachqualifikation an Universitäten, Hochschulen, Berufsschulen und ähnlichen Einrichtungen möglich sein. Ein erneutes Prüfverfahren bei abgelehnten Anträgen zur Gleichwertigkeitsfeststellung von ausländischen Bildungsabschlüssen wollen wir explizit ermöglichen. Langfristig müssen die Standards bezüglich der Anerkennung ausländischer Abschlüsse auf ihre Relevanz und Umsetzbarkeit überprüft und gegebenenfalls heruntergesetzt werden. Der Fokus unserer Regulierungen muss auf den Nachweis von fachlich bedeutsamen Kernkompetenzen und Fähigkeiten gelegt werden. Bürokratische Detailversessenheit ist angesichts des Fachkräftemangels bei deutschen Anerkennungsverfahren überholt.
Start-Up Region Ostdeutschland
Ostdeutschland hat die besten Voraussetzungen, um bei der Gründung von neuen innovativen und nachhaltigen Unternehmen in der ersten Liga mitzuspielen und das volle Potential der Region zu entfalten. Durch den Mut neue Wege zu gehen, sich auszuprobieren und sein Leben in eigene Hände zu nehmen, kann Ostdeutschland zur Brutstätte für Ideen werden.
Damit das jedoch Wirklichkeit wird, erneuern wir unsere Forderung nach der Einführung eines Venture-Capital Gesetzes, um die Eigenkapitalfinanzierung gegenüber der Fremdkapitalfinanzierung steuerlich gleichzustellen.
Für die teilweise benötigte Anschubfinanzierung junger Unternehmen spielen Gründerstipendien eine bedeutende Rolle. Deshalb begrüßen wir die bereits bestehenden bundesweite Gründerstipendien und setzen uns darüber hinaus für einen Ausbau der Gründerstipendien in den ostdeutschen Bundesländern ein. Pflichtmitgliedschaften in Kammern als Voraussetzung für ein solches Stipendium lehnen wir ab. Den Unternehmen und angehenden Unternehmern sollen die verschiedenen Finanzierungsmodelle durch angemessenen Institutionen vorgestellt werden.
Wir begrüßen die Entstehung von Technologie- und Gründerzentren in vielen ostdeutschen Städten und sind überzeugt, dass diese Innovationseinrichtungen positiv auf ihre Region ausstrahlen. Gründerzentren erleichtern es, gerade in Gebieten mit bisher wenigen Start-Ups einen Anschluss, ein Netzwerk und unterstützende Infrastruktur zu finden. Vielerorts besteht jedoch Unwissenheit über das Vorhandensein solcher Zentren.
Um bereits früh mit der Möglichkeit des Gründens in Kontakt zu kommen, befürworten wir dessen Vermittlung schon in der Schule. Ostdeutschland wird somit Standort einer neuen Gründerkultur deutschen Erfindergeistes.
Staatliche Fördersysteme
Wir begrüßen dezidiert, dass seit dem Beginn des Jahres 2020 bislang auf ostdeutsche Bundesländer beschränkte Regionalförderprogramme auf sämtliche strukturschwachen Regionen Deutschlands ausgeweitet wurden.
Um langfristiges wirtschaftliches Wachstum zu unterstützen, wollen wir das hohe Potential der ostdeutschen Wirtschaft entfesseln. Bei Subventionen im Rahmen der regionalen Strukturpolitik ist daher streng darauf zu achten, dass diese einer Produktivitätssteigerung nicht entgegenwirken. Vor diesem Hintergrund sehen wir die Arbeitsplatzschaffung als Bedingung für Wirtschaftsfördermittel als überholt an. Um den Strukturwandel zu bewältigen und langfristig international wettbewerbsfähig zu bleiben, dürfen gerade im Sinne der langfristigen Arbeitsplatzschaffung starke Unternehmen nicht in ihrem Wachstum gehemmt werden.
Im Rahmen einer ganzheitlichen Strategie zur Förderung des Potentials bislang strukturschwacher Regionen sollen insbesondere Wissenschaftseinrichtungen – beispielsweise im Zuge der Errichtung von Fraunhofer Instituten und Fachhochschulen – vorrangig dort angesiedelt werden. Eine künstlich erzwungene Umsiedlung oder Zerschlagung behördlicher Strukturen allein zum Zwecke der Wirtschaftsförderung bestimmter Regionen kann kein konstruktiver Baustein in diesem Sinne sein und wird von uns daher abgelehnt. Insofern neue Einrichtungen der öffentlichen Hand unbedingt entwickelt werden müssen, sind strukturschwache Regionen gleichwohl besonders zu berücksichtigen. Dieses Instrument kann und darf aber nie isoliert eingesetzt werden, sondern soll im Rahmen einer strukturellen Förderung erfolgen und das organische wirtschaftliche Wachstum unterstützen. Die Errichtung privater Einrichtungen, insbesondere privater Wissenschaftseinrichtungen, ist langfristig allerdings förderlicher für strukturschwache Regionen. Daher ist bei eben genannten staatlichen Ansiedlungen in hohem Maße darauf zu achten, dass diese keine private Investoren verdrängen.
Gerechte Bildungschancen in Ostdeutschland schaffen
Wir fordern, dass finanzielle und berufliche Bildung in der Schule in den Lehrplan integriert werden. Dabei soll auch stärker auf die Möglichkeit des Gründens aufmerksam gemacht werden und ein Fokus auf regionale Unternehmen gelegt werden. Wir sprechen uns jedoch nicht für die verpflichtende Einführung des Fachs Wirtschaft aus, denn die Umsetzung unserer Forderung soll den Schulen selbst überlassen bleiben. Wir befürworten die Abschaffung der Verbeamtung von Lehrpersonal, vertrauen auf die Autonomie der Schulen bezüglich vieler Lehrinhalte und wollen Schulaufsichtsbehörden verschlanken, sodass diese sich auf ihre Hauptaufgaben konzentrieren können.
Die erfolgreichen und starken Fachhochschulen und Universitäten sowie wissenschaftlichen Institute in Ostdeutschland sind von hoher Bedeutung für die regionale wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung. Dennoch zeigt sich, dass in internationaler Konkurrenz auch starke aber kleinere Hochschulen Probleme haben, sich insbesondere bei kompetitiven aber effektiven Forderungen wie bspw. der Exzellenzinitiative durchzusetzen. Deswegen wollen wir in Ostdeutschland mehr regionale Universitätscluster nach dem Vorbild der Berlin University Alliance bilden, die sich einer gemeinsamen, regionalen strategischen Ausrichtung unterziehen und somit die Möglichkeit gewinnen, sich aus eigener Kraft national als Exzellenzuniversitäten und international als herausragende und angesehene Wissenschaftsregionen zu etablieren. Insbesondere bieten sich neben Berlin dafür die Regionen Leipzig – Halle, Rostock – Greifswald sowie Erfurt – Weimar – Jena an.
Auch wollen wir an Hochschulen die Vermittlung von IT und MINT Fächern stärken. Dafür wollen wir Hochschulen volle Autonomie und Freiheitsrechte in den Hochschulgesetzen der Länder zugestehen.
Die Zusammenarbeit von Universitäten und Unternehmen soll gestärkt werden, da viele junge Menschen nach erfolgreichem Abschluss Ostdeutschland verlassen, um eine Arbeit in den neuen Bundesländern oder dem Ausland anzunehmen.
Um dem bundesweiten Fachkräftemangel zu begegnen, der insbesondere Ostdeutschland bereits heute herausfordert, wollen wir Azubis im Verhältnis zu Studenten eine gleichwertige finanzielle Unterstützung ermöglichen. Für beide muss daher ein weniger bürokratisches, elternunabhängiges Bafög mit bedarfsgerechten Sätzen geschaffen werden. Darüber hinaus befürworten wir die Implementierung eines Freiwilligen Beruflichen Jahres, im Rahmen dessen die Teilnehmer ein Jahr lang Praktika in verschiedensten Betrieben absolvieren sollen, um möglichst vielseitige Einblicke in unterschiedliche Professionen zu erhalten.
Weiterhin wollen wir beispielsweise durch Nachfolgebörsen regionale Vernetzung, Vermarktung und Finanzierungsvermittlung zur Sicherung von Unternehmensnachfolgen ausbauen. Um die Nachfolge in Handwerksbetrieben zu erleichtern, soll die Meisterpflicht abgeschafft werden.
Mehr Mobilitat durch Modernisierung
Die ostdeutschen Bundesländer sollen nach Möglichkeiten suchen, insbesondere im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs Synergieeffekte zu nutzen. Überlandverbindungen dürfen in Zukunft nicht mehr an Kreis-, Länder- und Staatsgrenzen Halt machen. Um den Zugverkehr auch zwischen größeren Städten weiter auszubauen, wollen wir private Wettbewerber neben der Deutschen Bahn weiter stärken, indem wir die Deutsche Bahn auch materiell privatisieren. Des Weiteren muss der Ausbau und die Elektrifizierung des Schienennetzes in Ostdeutschland weiter vorangebracht werden wie beispielsweise die Strecken Jena-Zwickau oder Görlitz-Dresden.
Darüber hinaus setzen wir uns für die Schaffung eines europäischen Hochgeschwindigkeitsschienennetzes ein, um so die Bedeutung und Vernetzung Ostdeutschlands im vereinten Europa zu stärken. Innerhalb Ostdeutschlands sollen die zwei großen Metropolregionen Berlin-Brandenburg und Mitteldeutschland besser über die Schiene miteinander verbunden werden. Wir fordern, dass besonders auf die Verbesserung der Anbindung von Landeshauptstädten, wie Magdeburg, ein Fokus gesetzt wird. Des Weiteren setzen sich die Jungen Liberalen für die Schaffung von Ost-West-Korridoren im Schienennetz ein. Dazu gehören auch Ausbaustrecken zwischen Berlin und dem Ruhrgebiet.
Auch beim Güterverkehr nimmt Ostdeutschland einen wichtigen Platz ein: Der Ausbau der TEN-Korridore durch den Osten der Bundesrepublik zum Beispiel ans Mittelmeer, muss hohe Priorität haben. Deutschland darf hier nicht bremsen!
Für einen attraktiven Wirtschaftsstandort Ostdeutschland gehört darüber hinaus die infrastrukturelle Trennung von schnellem und langsamen Verkehr sowie die Schaffung von mehr Zugbildungskapazitäten, genug Umladekapazitäten sowie den (Wieder-) Anschluss von industriellen Großbetrieben vor Ort. Wir sprechen uns für die Umbenennung des Flughafens Leipzig/Halle in „Hans-Dietrich Genscher-Flughafen“ zur Würdigung der bedeutenden Leistungen Hans-Dietrich-Genschers für die deutsche Einheit aus.
Digitalerschließung
Wir fordern ein Anreizsystem, bei dem Unternehmen und Privatpersonen sich finanziell am Digitalausbau beteiligen können und im Gegenzug zeitlich begrenzte Steuerentlastungen erhalten. Dieses System soll auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene angewandt werden können.
Ein weltoffenes und geschichtsbewusstes Ostdeutschland
In den ostdeutschen Bundesländern nimmt der Fachkräftemangel im Vergleich zum Westen eine noch höhere Intensität an. Dennoch sind die Zuwanderungsströme nach Ostdeutschland erheblich geringer als nach Westdeutschland. PEGIDA-Demos, rechtsextremistische Terrorgruppen und Reisewarnungen ausländischer Behörden für ostdeutsche Bundesländer zeichnen ein schlechtes Image auf der Weltbühne und schrecken ausländische Fachkräfte von der Zuwanderung ab. Wir sind überzeugt, dass die Mehrheit der Ostdeutschen weltoffen und freiheitlich denkt. Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Antisemitismus und Geschichtsrevisionismus sowie eine grundsätzliche Demokratiefeindlichkeit in einer Minderheit der Gesellschaft darf nicht die erfolgreiche Entwicklung ganzer Bundesländer lähmen. Wir sehen es als die staatsbürgerliche Pflicht und Tugend eines jeden Bürgers, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Antisemitismus und Geschichtsrevisionismus sowie Demokratiefeindschaft entschieden entgegen zu treten. Es liegt an einem jeden von uns, die gesellschaftliche Grundlage für eine erfolgreiche Entwicklung dieser Region zu schaffen.
Dennoch stehen die neuen Bundesländer vor besonderen Herausforderungen. Studien zeigen, dass Jugendliche in den ostdeutschen Bundesländern für rechtspopulistische Scheinlösungen besonders ansprechbar sind. Zur Vorbeugung und Bekämpfung von Rechtsextremismus ist es wichtig, bereits bei Jugendlichen Aufklärung und Integration zu fördern, um festgesetzte Denkstrukturen und Vorurteile frühzeitig aufzubrechen. Deswegen fordern wir eine Stärkung politischer Bildung. Politische Bildung und Partizipation an politischen Prozessen sind eng miteinander verbunden, daher fordern wir die flächendeckende Konstituierung von Kinder- und Jugendparlamenten. Durch diese werden Kinder und Jugendliche schon früh in politische und demokratische Prozesse eingebunden. Auch parteiübergreifende Netzwerke, beispielsweise der Ring politischer Jugend, spielen eine wichtige Rolle. Diese Netzwerke wollen wir ebenfalls stärken und sichtbarer machen. Rechtsextreme Gruppierungen, brennende Asylunterkünfte oder PEGIDA-Demos – Studien zeigen, dass es in Teilen Ostdeutschlands für Extremisten einfacher ist, ihre Strukturen zu etablieren und Jugendliche für sich zu gewinnen. Dagegen wollen wir entschlossen vorgehen und setzen uns für die Förderung präventiver Angebote und Aussteigerprogramme ein.
Auch einem linken Geschichtsrevisionismus, der versucht die Verhältnisse in der DDRzu verharmlosen und die Schuld für weiterhin bestehende Unterschiede der Treuhandoder der Marktwirtschaft zuschiebt, treten wir entschieden entgegen. Hier müssen mitdem SED-Regime die wahren Verantwortlichen benannt werden, denn ansonsten wird dieLeistung aller Ostdeutschen missachtet, die in der friedlichen Revolution mutig fürihre Freiheit kämpften und sich nach Jahren sozialistische Misswirtschaft eine neueExistenz aufgebaut haben. Wir erneuern deshalb auch unsere Forderung nach einer besserebesseren finanziellen Ausstattung der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED -Diktatur sowie von gesellschaftswissenschaftlichen und museumspädagogischen Projekten und wollen sozialistische Denkmäler und Namensgebungen aus DDR-Zeiten kritischhinterfragen oder zumindest mit geschichtlichen Hinweisen versehen.
Die Jungen Liberalen begrüßen den Bau des „Zukunftszentrums für Deutsche Einheit und Europäische Transformation“ in Halle (Saale) als Begegnungs- und Forschungsstätte. Es kann einen wichtigen Forschungsbeitrag und großen Erkenntnisgewinn in Bezug auf die Rolle Ostdeutschlands in der Bundesrepublik wie im gesamten Europa schaffen.
Erstarkende Zweifel an unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung sind ein gesamtdeutsches Problem, allerdings besorgt uns die Entwicklung innerhalb der letzten Jahre in Ostdeutschland ganz besonders:
Laut einer Umfrage der Bundesregierung aus dem Jahr 2022 ist mittlerweile eine Mehrheit der Ostdeutschen mit der Demokratie unzufrieden und glaubt, dass Meinungen nicht mehr frei geäußert werden könnten. Diese Werte sind für uns besorgniserregend und ein Zeichen für Handlungsbedarf.
Es ist uns ein Anliegen, dass die Perspektiven Ostdeutscher in ihrer Vielfalt im gesellschaftlichen Diskurs vermehrt Gehör erhalten.
Hier sehen wir eine besondere Verantwortung beim Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk, sowie bei Hochschulen und Universitäten, die als diskursprägende Institutionen eine besonderen Fokus auf die Abbildung eines gleichwertigen, gesamtdeutschen Meinungsspektrums und erhöhte Sensibilität im Bezug auf die Vermeidung von negativen Typisierungen und der Replikation von Stereotypen für Ostdeutsche zeigen müssen. Als konkrete Maßnahmen sind hier beispielsweise die Förderung von Lehrstühlen zur DDR-Geschichte, sowie Kooperationsprojekte zwischen ost- und westdeutschen Universitäten denkbar. Weiterhin fordern wir die Rundfunkräte des ÖRR dazu auf, einen vermehrten Fokus auf die Repräsentanz ostdeutscher Perspektiven als gleichwertigen Teil der gesamtdeutschen Debatte zu legen, um die innerdeutsche Dialogfähigkeit zu verbessern und das Vertrauen in unsere demokratischen Institutionen zu stärken.
Wir Junge Liberale sind uns des problematischen politischen Erbes der ehemaligen DDR-Blockparteien Liberal-Demokratische Partei Deutschlands (LDPD) und NationalDemokratische Partei Deutschlands (NDPD), die im Prozess der deutschen Vereinigung im liberalen Organisationsspektrum aufgegangen sind, bewusst. Daher fordern wir unsere Mutterpartei auf, sich ihrer geschichtlichen Verantwortung zu stellen und die Rolle der LDPD und NDPD in der DDR und nach deren Übergang in die FDP aufzuarbeiten. Dafür muss eine unabhängige Historikerkommission aus Wissenschaftlern und Zeitzeugen eingesetzt werden, die sich mit der Geschichte der LDPD und der NDPD zwischen 1945 und 1990 sowie dem Übergang der Parteien bzw. Ihrer Mitglieder in die FDP auseinandersetzt. Insbesondere muss dabei die programmatische und personelle Unterstützung der Parteien für die SED und die DDR und die programmatische und personelle Kontinuität beim Übergang der Parteien oder ihrer Strukturen in die FDP untersucht werden.
Innerverbandliche Aufgaben der Jungen Liberalen
Westdeutschland ist nicht gleich Ostdeutschland: Nach verlorenen Wahlen diskutieren wir immer wieder über Ursachen und besprechen Konzepte, um möglichst viele Menschen von liberaler Politik zu überzeugen und so Wähler zu gewinnen. Sowohl unsere Kommunikation nach Außen als auch die verbandsinterne Entwicklung richten wir zum Teil nach diesen Erkenntnissen aus. Dabei muss uns klar sein, dass sich die Wählerschaft in Ost- und Westdeutschland historisch beding stark unterscheiden kann. Trotzdem ist es nötig, dass im Auftritt der Partei der klare Liberale, Weltoffene und tolerante Markenkern zu jedem Zeitpunkt klar bleibt und nicht der Eindruck erweckt wird dass dieser in irgendeiner Form verhandelbar ist.
Unter anderem dafür ist die Vernetzung untereinander von großer Wichtigkeit. Wir befürworten Kreispartnerschaften, insbesondere zwischen Kreis- oder Bezirksverbänden in den alten und neuen Bundesländern. Der erweiterte Bundesvorstand soll hierfür eine vermittelnde Rolle einnehmen und Impulsgeber sein. Weitergehend erachten wir Aufbauseminare für kleine Bezirks- und Kreisverbände als sinnvoll. Neugegründete Verbände haben es oftmals schwer, sich zu etablieren. Während in großen Landesverbänden auf bestehende Strukturen zurückgegriffen werden kann, erschweren in Ostdeutschland niedrige Mitgliederzahlen in Kombination mit großen Flächen den optimalen Start dieser Verbände. Wir sollten es uns zum Ziel setzen, an dieser Stelle die notwendige Unterstützung zu leisten.
Aufmerksamkeit erreicht man oft mit Veranstaltungen, weshalb es wichtig ist, regelmäßig solche in den Osten Deutschlands zu verlegen. Veranstaltungen, die auf Bundesebene organisiert werden und in regelmäßigen Abständen in unterschiedlichen Städten durchgeführt werden, sollen deshalb regelmäßig in Ostdeutschland stattfinden. Wir begrüßen die jüngsten Bemühungen des Bundesvorstands diesbezüglich und appellieren an die Fortsetzung und Intensivierung dieser.