Ein funktionierender Finanzmarkt stellt das Kapital für die Finanzierung von Innovationen und Arbeitsplätzen bereit und ist somit eine Grundlage für Wachstum und Wohlstand. Die Funktionsfähigkeit eines Marktes setzt jedoch sinnvolle Rahmenbedingungen voraus. Wettbewerb und Marktzugang zu sichern, ist Aufgabe der Politik. Eine staatliche Regulierung, die diesen äußeren Ordnungsrahmen für die Marktteilnehmer setzt, ansonsten aber auf das Instrument des Marktes vertraut, ist Ordnungspolitik. Sie überlässt die Geschäftsentscheidung einem jeden Einzelnen und nimmt das Scheitern einzelner Marktteilnehmer in Kauf.
Die Abstraktheit und Komplexität einer eigenständigen, von der Realwirtschaft entkoppelten Finanzwirtschaft kann bei intransparenten Märkten volkswirtschaftlich schädlichen Entwicklungen führen. Zudem führt die enge Verflechtung dazu, dass das Ausscheiden eines Marktteilnehmers vielfach auch das Ausscheiden anderer Marktteilnehmer nach sich.
In solchen Ausnahmesituationen, in denen der Markt seine eigene Funktionsfähigkeit nicht garantieren kann, kann der Staat eingreifen. Allerdings führt ein politisch begründeter Markteingriff langfristig nicht immer zum gewollten Ergebnis, sondern wirkt sich schlimmstenfalls kontraproduktiv aus. Die jüngsten Verwerfungen der internationalen Finanzwirtschaft haben verdeutlicht, dass Regulierung und Marktstabilität in einem ambivalenten Verhältnis stehen. Deswegen muss ein staatlicher Eingriff sich immer an seiner Wirkung auf die Funktionsfähigkeit des Marktes messen lassen.
Als Reaktion auf die Finanz- und Wirtschaftskrise seit 2007 waren Eingriffe des Staates in den Finanzmarkt mehrheitlich gewollt. Im Zuge einer positiven wirtschaftlichen Entwicklung müssen diese einmaligen Eingriffe jedoch schrittweise, geordnet und wirtschaftlich angemessen zurückgeführt werden. Die Erfahrungen aus der Krise müssen nun dabei helfen, künftig eine Finanzmarktregulierung mit mehr Augenmaß vorzunehmen. Allerdings kann sich ein staatlicher Markteingriff langfristig auch kontraproduktiv auswirken. Insbesondere die massiv gestiegene Staatsverschuldung stellt dabei eine zentrale Herausforderung für die Politik dar.
Liberale haben sich immer zur Notwendigkeit von Ordnungspolitik im Finanzmarkt bekannt, dies jedoch nicht deutlich genug zum Ausdruck gebracht.
I. Kapitalmarkt
Die Jungen Liberalen wollen einen stabilen und effizienten Kapitalmarkt, welcher das Vertrauen der Marktteilnehmer findet. In Zukunft dürfen Marktverwerfungen in der Finanzbranche nicht mehr dazu führen, dass die Folgen eine existenzielle Bedrohung für ganze Volkswirtschaften darstellen. Ordnungspolitik muss dabei den Anspruch haben, für alle Marktteilnehmer zu gelten. Deswegen sind europäische und internationale Regulierungssätze statt nationaler Alleingänge nötig. Zudem sprechen sich die Jungen Liberalen auch gegen ein grundsätzliches Verbot von ungedeckten Leerverkäufen, sogenannten „Naked Shorts“ aus. Ein solches Verbot stellt aus unserer Sicht einen unverhältnismäßigen Eingriff in den Finanzmarkt dar und führt lediglich dazu, dass Spekulationen auf fallende Kurse von den deutschen Börsen verdrängt werden und diese auf ausländische Finanzmarktplätze sowie in den intransparenten außerbörslichen Handel ausweichen werden.
Grundsätzlich sprechen die Jungen Liberalen auch ungedeckten Leerverkäufen ihre Daseinsberechtigung zu, da es Marktsituationen gibt, in denen nur diese eine Marktkorrektur durch Spekulationen ermöglichen. Um jedoch zu verhindern, dass große Mende ungedeckter Leerverkäufe den Markt manipulieren und Kettenreaktionen hervorraufen, fordern die Jungen Liberalen statt einem grundsätzlichen Verbot eine Erhöhung der Transparenz durch eine Erweiterung der Meldepflicht.
Solange jedoch keine globale oder europäische Lösung in Aussicht ist, können nationale Lösungen dennoch sinnvoller sein als Lethargie. Um solche nationalen Alleingänge jedoch in Zukunft möglichst zu vermeiden, erachten wir den Ansatz auf Ebene der G20 über Möglichkeiten der Finanzmarktregulierung zu diskutieren und entsprechende Maßnahmen einzuleiten, als sinnvoll.
1. Stabilität
Marktdisziplin wird durch das Zusammenspiel von Freiheit und Verantwortung erreicht, welches eine funktionierende Haftung aller Akteure bedingt. Marktdisziplin sorgt dafür, dass hohe Risiken durch hohe Risikoaufschläge bei der Finanzierung begrenzt werden. Durch explizite und implizite Staatsgarantien und -eingriffe kann dieses Zusammensiel gestört werden. Deshalb muss einer überhand nehmenden Risikoneigung des Bankensystems durch Regulierung entgegen gewirkt werden, wobei gerade aus liberaler Sicht darauf geachtet werden muss, dass diese Regulierung nicht von selbst größere Fehlanreize setzt. Die Stabilität auf den Finanzmärkten muss zuallererst durch eine starke, politisch unabhängige Aufsicht von Kreditinstituten, Versicherungen und Börsen kontrolliert werden.
Die Jungen Liberalen begrüßen eine Konzentration und Zentralisierung der Finanzaufsicht und sprechen sich sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene für eine eigenständige Bankenaufsicht losgelöst von den nationalen Zentralbanken und der EZB aus. Parallele Strukturen auf nationaler und europäischer Ebene machen jedoch nur dann Sinn, wenn die jeweiligen Zuständigkeiten klar abgegrenzt und das Durchgriffsrecht einer europäischen Aufsicht auf nationale Marktteilnehmer wirksam ausgestaltet wird. Die Finanzierung der Aufsicht soll zukünftig nicht mehr durch eine Umlage der Kreditinstitute erfolgen, sondern maßgeblich aus dem allgemeinen Haushalt finanziert werden. Die Jungen Liberalen fordern die Kompetenzen der neu geschaffenen EU-Finanzaufsichtsbehörden schrittweise zügig zu erweitern. Von elementarer Bedeutung für den Erfolg einer Finanzaufsicht ist neben einer effizienten Organisationsstruktur auch eine progressive Personalpolitik. Nur wenn auch die Aufsichtsbehörden mit jungen Talenten und entsprechendem Knowhow ausgestattet sind, kann gewährleistet werden, dass sie mit der schnellen Entwicklung der Finanzmärkte Schritt halten können.
Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat gezeigt, dass es im Finanzsektor Marktteilnehmer gibt, die als „too big to fail“ gelten und wegen so genannter „Systemrelevanz“ notfalls staatlich gestützt wurden. Dabei darf die Frage einer etwaigen Systemrelevanz jedoch keine politische Entscheidung sein, sondern muss im Ermessen ergänzen einer unabhängigen Aufsicht liegen. Die Jungen Liberalen lehnen eine Zerschlagung von einzelnen Kreditinstituten über das bestehende Kartellrecht hinaus ab.
Eine wichtige Erkenntnis aus der Finanzkrise ist, dass die dezentrale Struktur des deutschen Bankenwesens, das sich aus relativ kleine Institute zusammen setzt und dabei unterschiedliche Unternehmensformen im Bankensektor zulässt, Bestand haben sollte. Die Jungen Liberalen setzen sich für eine Erhaltung der heterogenen Struktur der Finanzinstitute in Deutschland ein.
Staatliche und private Akteure müssen Insolvenzen von einzelnen Banken ertragen können. Nur für Kreditinstitute, deren Schieflage die Gefahr einer übermäßigen volkswirtschaftlichen Schädigung mit sich bringt, ist ein neues Verfahren notwendig: Künftig müssen diese Finanzinstitute auf Basis eines internationalen abgestimmten Verfahrens, das in zwei Stufen Restrukturierungsmaßnahmen bzw. Ausgliederungen sog. „systemrelevanter“ Geschäftsteile zulässt, saniert werden können. Hierbei müssen zukünftig auch die Gläubiger durch teilweisen Verlust ihrer Forderungen beteiligt werden.
Es ist zu prüfen inwiefern ein „Finanzmarktversicherungssystem“ durch eine Weiterentwicklung des Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (SoFFin) errichtet werden kann. Alternativ käme auch eine privatrechtliche Lösung in Betracht, die möglichst eine Kapitalmarktfähigkeit der Anstalt zulässt.
Um stabile Märkte zu gewährleisten, soll der Staat Eigenkapital- und Bilanzierungsanforderungen an die Finanzinstitute stellen. Die im Rahmen von Basel III zwischen den Notenbanken und Finanzaufsichtsbehörden international zu vereinbarenden höheren Eigenkapitalanforderungen müssen zügig gesetzlich umgesetzt werden. Die Jungen Liberalen sehen im Rücklagen-Ansatz von Basel III eine bessere Lösung, um konjunkturellen Schwankungen vorzubeugen, als in der geplanten Bankenabgabe, da diese Abgabe die individuelle Haftung der Banken abschwächt. Bei den gesetzlich vorgeschriebenen Bilanzierungsregeln für Finanzinstitute ist insbesondere darauf zu achten, dass keine Gesellschaften mehr außerhalb der Finanzaufsicht geführt werden dürfen und übernommene (Haftungs-)Risiken und Garantien bilanzielle Berücksichtigung finden.
Die Jungen Liberalen stehen der Einführung einer Bankenabgabe zwar skeptisch gegenüber, weil sie höchstens eine symbolhafte Beteiligung der Kreditinstitute an den Kosten einer Finanzkrise sein kann und sie sich angesichts des Ausmaßes einer solchen Verwerfung nicht zur Prävention künftiger Krisen eignet. Es besteht jedoch durchaus die Notwendigkeit einer stärkeren Beteiligung der Finanzbranche zur präventiven Absicherung möglicher künftiger Krisen.
Jede Regelung zur Einlagensicherung auf europäischer Ebene muss das bewährte System in Deutschland berücksichtigen und dessen Bestand gewährleisten. Jedwede gesamteuropäische Regelung muss mindestens dem deutschen Sicherungsniveau entsprechen.
2. Effizienz
Damit auf dem Kapitalmarkt die notwendige Wohlfahrtssteigerung geleistet werden kann, muss er effizient organisiert sein. Eine solche Organisation lässt der Finanzwirtschaft auch Raum für neue Produkte und innovative Investitionsformen. Die Jungen Liberalen lehnen die Einführung einer Finanztransaktions- oder Finanzaktivitätssteuer ab, weil sie die großen Finanzakteure lediglich zur Verlagerung ihrer Tätigkeiten ins Ausland bewegen und somit nur die Privatanleger belasten würde.
Die Finanz- und Wirtschaftkrise hat verdeutlicht, dass die Landesbanken in Deutschland der negativen Entwicklung noch weniger trotzen konnten als die meisten privaten Institute. Die Jungen Liberalen fordern deshalb die schnellstmögliche Privatisierung der Landesbanken. Bei der Privatisierung müssen die unterschiedlichen Konzepte der Landesbanken berücksichtigt werden. Sollte eine Privatisierung nicht zeitnah realisierbar sein, muss auch eine Abwicklung der Landesbanken als Möglichkeit in Betracht gezogen werden. Darüber hinaus fordern wir die Privatisierung der Förderbanken der Länder.
3. Vertrauen
Marktentscheidungen setzen Vertrauen in einen funktionierenden Marktmechanismus voraus. Für den Finanzmarkt bedeutet dies, dass sich der Erwerber eines Produkts auf die Informationen bezüglich einer Geldanlage verlassen können muss.
Finanzprodukte, die bisher keiner wirksamen Kontrolle der Finanzaufsicht unterliegen, müssen in Zukunft effektiv kontrolliert werden. Dies gilt insbesondere auch für den Handel mit Kreditausfallsversicherungen (Credit Default Swaps / CDS). Nach Auffassung der Jungen Liberalen darf es kein angebotenes Finanzprodukt ohne hohe Qualitätsanforderungen und wirksame effektive Kontrollmechanismen geben.
Für den Informationsfluss über Finanzprodukte haben sich die Rating-Agenturen als Anbieter am Markt entwickelt. Grundsätzlich muss ein solches Geschäft mit Bewertungen möglich sein. Allerdings sehen die Jungen Liberalen die Gefahr, dass Ratings immer weniger zur Information der Anleger dienen, als vielmehr der Aushöhlung von Eigenkapitalvorschriften. Das staatlich geschaffene Oligopol der drei dominierenden US-amerikanischen Rating-Agenturen hat sich jedoch zu einem Problem entwickelt, das durch eine Zulassung weiterer Rating-Agenturen bei vorgeschriebenen Ratings zu verringern ist.
Jene Finanzinstitute, die ihre Produkte bei einer Rating-Agentur bewerten lassen, finanzieren die Rating-Agentur gleichzeitig über ihre Beiträge. Damit ist eine objektive Sichtweise auf das Produkt nicht gewährleistet. Die Jungen Liberalen streben eine Entkoppelung von Rating und Beratungsgeschäft an. Künftig sollen die Anleger die Rating-Agentur finanzieren und damit einen objektiveren Standpunkt gewährleisten.
Neben Vertrauen in die angebotenen Produkte setzt ein funktionierender Finanzmarkt ein Mindestmaß an Vertrauen in die handelnden Akteure voraus. Die Jungen Liberalen begrüßen eine Begrenzung von Gehältern und Boni bei staatlich unterstützten Finanzinstituten sowie die beschlossene Verlängerung der aktienrechtlichen Organhaftung. Die Jungen Liberalen lehnen jedoch eine Begrenzung von Gehältern und Boni bei Finanzinstituten ohne Staatsbeteiligung ab. Bonuszahlungen dürfen sich nicht auf kurzfristige Erfolgsfaktoren beziehen sondern müssen grundsätzlich langfristigen Zielen geschuldet werden.
II. Währung
Währungspolitik ist Wirtschaftspolitik und Grundlage für den künftigen aller Mitglieder der Eurozone. Zur Vision der Jungen Liberalen von einem europäischen Bundesstaat gehört deshalb auch ein stabiler Euro als gemeinsame Währung. Denn nur eine stabile Währung ermöglicht eine langfristige Planung und ein ausgewogenes Wachstum von Binnenmarkt und Exportwirtschaft. Ein hohes Außenhandelsdefizit, welches zu einer Ansammlung von Euro-Devisen im Ausland führt, gilt es zu vermeiden. Langfristig kann dies nur durch eine koordinierte europäische Wirtschafspolitik erreicht werden. Als Hüterin des Euro ist die Europäische Zentralbank (EZB) immer wieder durch Versuche politischer Einflussnahme, besonders von Seiten Frankreichs, bedroht. Nach Ansicht der Jungen Liberalen steht die uneingeschränkte Unabhängigkeit der EZB nicht zur Debatte; zudem soll sich die Aufgabe der EZB auch in Zukunft auf die Geldwertstabilität beschränken. Eine aktive Wirtschaftsförderung oder gezielte Inflationspolitik zum Schuldenabbau, nach dem Vorbild der amerikanischen Federal Reserve System (FED), lehnen die Jungen Liberalen entschieden ab. Um Zweifel an der Unabhängigkeit abzuwenden, wird die EZB aufgefordert, sich schnellstmöglich von ihren griechischen Staatsanleihen zu trennen.
Die Finanzlage einiger hochverschuldeten Mitgliedsstaaten des Euroraums, insbesondere die Griechenland-Krise, haben dazu geführt, dass die Währungsstabilität im gesamten Euroraum durch aktives politisches Handeln aufrecht erhalten werden musste. Vor dem Hintergrund der Entwicklungen der Griechenland-Krise sehen wir es jedoch für die Zukunft als untragbar an, im Rahmen derartigen Handelns wiederholt gegen EU-Recht zu verstoßen und damit die weltweite Reputation des Euros zu schädigen. Um dies künftig zu verhindern bedarf es aus Sicht der Jungen Liberalen jedoch im ersten Schritt eines geordneten und automatisierten Sanktionsverfahren für krisenbehaftete Mitgliedsstaaten, sowie im zweiten Schritt einer EU-weit gültigen Schuldenbremse in den Mitgliedsstaaten sowie ein generelles Verschuldungsverbot für die Union. Der Sanktionsmechanismus der Maastrichter Kriterien hat sich als nicht ausreichend erwiesen. In Zukunft müssen automatische Sanktionen in Form von Strafzahlungen und ein Stimmrechtsentzug sowie als Ultima Ratio auch die Androhung bzw. der Vollzug eines Ausschlusses aus der Eurozone zum Instrumentarium gehören. Daneben müssen die notwendigen Regelungen für den geordneten Austritt aus dem Euroraum durch Mitgliedsstaat geschaffen werden. Langfristig muss auch auf internationaler Ebene ein Regime geschaffen werden, welches ein an eine geordnete Staatsinsolvenz angelehntes Verfahren ermöglicht.
Die Jungen Liberalen unterstützen ein weiteres solides Wachsen der Eurozone. Die Kriterien für den Beitritt zur europäischen Währung müssen dabei konsequent angewendet werden. In diesem Prozess muss die Unabhängigkeit der EZB unbedingt wiederhergestellt werden. Die Währungspolitik der Eurozone kann jedoch nicht losgelöst von der Wirtschaftspolitik betrachtet werden. Daher fordern die Jungen Liberalen die tatsächliche Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion durch Erarbeitung und Implementierung einer gemeinsamen Finanzverfassung zu ermöglichen. Der Ankauf europäischer Staatsanleihen durch die EZB ist unvereinbar mit dem Unabhängigkeits- wie Geldwertstabilitätsgedanken der europäischen Zentralbank und somit abzulehnen.