Die Gesundheit eines Menschen ist Basis und Grundvoraussetzung für ein erfülltes und selbstbestimmtes Leben. Nach Definition der World Health Organization (WHO) ist Gesundheit nicht nur die Abwesenheit von Krankheit, sondern auch ein Zustand des vollständigen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens. Obwohl es eines der besten weltweit ist, wird das deutsche Gesundheitssystem diesem Anspruch an vielen Stellen nicht gerecht. Es mangelt an Kranken-, Alten- und Heilerziehungspfleger:innen, an Ärzt:innen, Arzneimitteln oder Nachhaltigkeit. Als Junge Liberale sehen wir eine große Notwendigkeit, diesem Druck mit Reformen zu begegnen: Wir wollen die Chancen von Fortschritt und Digitalisierung nutzen, um das Patientenwohl in den Mittelpunkt zu rücken, Arbeitnehmer:innen im Gesundheitssektor zu stärken, insb. den ländlichen Raum zu unterstützen, Prävention in den Fokus zu nehmen und die Abhängigkeit der Gesundheit des Einzelnen vom sozioökonomischen Status endlich aufzubrechen.
Digitalisierung im Gesundheitswesen
Mehr als Hardware
Als Junge Liberale setzen wir uns für den sofortigen Ausbau der IT und des WLAN in Krankenhäusern, wie auch Pflegeheimen ein. Es ist nicht zumutbar, dass Systeme wie Orbis, Meona, SAP, Medifox und DAN (stat. Altenpflege) mehr als drei Minuten zum Laden einer Seite benötigen. Um reibungslose und effiziente Abläufe zu gewährleisten, darf das Personal nicht mit Ladezeiten von Systemen beschäftigt sein. Zur idealen Einbindung der IT in die Arbeitsabläufe von Arzt- und Pflegepersonal sollten auch die Möglichkeiten von IT-Schulungen und Eingliederung der Thematik in die praktische Ausbildung berücksichtigt werden. Diese sollen der Möglichkeit nach sowohl die realen Arbeitsabläufe abdecken als auch die Risiken von internetfähigen Geräten (s. Malware) ins Bewusstsein rufen.
Bürokratie abbauen- Papierkrieg beenden
Um das Gesundheitssystem endlich fit für die Herausforderungen der Zukunft zu machen, ist für uns Junge Liberale klar, dass Arbeitsprozesse sowohl auf ärztlicher als auch auf pflegerischer Seite endlich digitalisiert und optimiert werden müssen. Für uns ist die digitale Patientenakte ein notwendiger Schritt zur besseren Patientenversorgung. Diese sollte praktikabel und leicht zugänglich sein, die Datensicherheit muss aber trotzdem im Vordergrund stehen. Des Weiteren sollen digitale Schnittstellen genutzt werden, um den Informationsaustausch zwischen Pflegekräften und Ärzten zu erleichtern und zu beschleunigen. Wir stehen der Nutzung von neuen digitalen Technologien wie z.B. generativen KI für die (teil-)automatisierte Dokumentation unter Wahrung des Datenschutzes offen gegenüber und setzen uns für die Zulassung und Förderung dieser ein. Unnötige Bürokratie und endloser Papierkrieg müssen der Vergangenheit angehören.
Zudem sollen Dokumente wie bspw. Einverständniserklärungen oder Aufklärungsbögen rein digital bearbeitet und rechtssicher unterschrieben werden können.
Von Privatversicherern und Krankenkassen lernen
Abseits staatlicher Infrastruktur haben vor allem die privaten Versicherer bereits eigene digitale Services aufgebaut, die aktuell das staatliche Angebot ergänzen. Gerade hier bietet sich ein Wissenstransfer in die staatliche Infrastruktur an. Hier sollte der Mindeststandard deutlich angehoben werden.
Studienrekrutierung verbessern
Bisher hängt die Anbindung von Patient:innen an Studien vom Bewusstsein der Ärzte ab. Ob ein Patient aufgenommen wird oder nicht, ist stark davon abhängig, ob der behandelnde Arzt/Ärztin zum Zeitpunkt der Diagnose von einer potentiellen Studie weiß und wie präsent ihm/ihr diese ist. Da in einer Klinik oder Abteilung eines Krankenhauses oft viele Studien parallel laufen, ist die Übersicht über diese oft eingeschränkt. Um diese Situation zu verbessern und mehr potentielle Studienteilnehmer:innen zu rekrutieren, soll eine Plattform entwickelt werden, in welcher sämtliche Studien eingepflegt werden sollen, an der die Abteilung teilnimmt bzw. welche diese selbst durchführt. Wenn dann der Arzt/Ärztin den Patientenfall und Diagnosen codiert, sollen passende Studien automatisch ausgegeben werden. Denn Forschung und Studien verbessern die Qualität der Medizin und sind ein essentieller Bestandteil evidenzbasierter Medizin.
Personal entlasten durch smarte Technik
Zur Entlastung des pflegerischen Personals setzen wir uns für Pilotprojekte ein, in welchem innovative Technik und Robotik auf ihren Nutzen und Anwendbarkeit im Klinikalltag geprüft werden. Untersucht werden sollen hier vor allem technische Lösungen, wie Serviceroboter, Klingelanlagen mit Auswahlmöglichkeit oder intelligente Matratzen. Sollten diese Pilotprojekte erfolgreich sein, soll die Anschaffung solcher Systeme zur Entlastung des Personals flächendeckend gefördert werden. Die besonderen Anforderungen der technischen Interoperabilität im Gesundheitswesen sollen zukünftig durch international anerkannte und offene Standards gelöst werden, sofern diese mit unseren Datenschutzstandards vereinbar sind.
Infrastruktur
Umstrukturierung für eine bessere Versorgung
In Deutschland gibt es ca. 1.600 Klinikstandorte. Viele dieser Kliniken können sich nicht halten und schreiben beständig rote Zahlen, sie binden also Ressourcen, die an anderer Stelle eigentlich dringend benötigt werden. Betroffen sind nicht nur kleine kommunale Häuser, sondern auch überversorgte städtische Gebiete. Dies gilt sowohl für Geldmittel, also auch Personal wie Pfleger:innen und Ärzte:innen. Zudem ist eine medizinische Versorgung auf höchstem Niveau aus Ressourcenknappheit oftmals nicht möglich. Dadurch ist die Patientenversorgung und -sicherheit gefährdet. Als Junge Liberale setzen wir uns für eine kritische Prüfung des Weiterbetriebs dieser Krankenhäuser in ihrer jetzigen Form ein. Durch eine Umstrukturierung der Versorgung werden wahrnehmbare Verbesserungen erreicht. Fachkräfte können effizienter eingesetzt werden und wirtschaftliche Ressourcen noch gezielter der Krankenversorgung zur Verfügung gestellt werden. Die Effizienzmaßnahmen steigern die Qualität, da zertifizierte Zentren durch das Einhalten von Struktur- und Prozessstandards bessere Resultate (Überleben, Lebensqualität, geringer Komplikationsrate etc.) erzielen werden. In den freigewordenen Gebäuden könnten Gesundheitszentren zur ambulanten Versorgung mit bspw. Arztpraxen oder auch Kurzzeitpflegeplätze entstehen.
Nachhaltige Krankenhäuser
Krankenhäuser benötigen extrem viel Energie und Ressourcen. So produzieren alle Krankenhäuser zusammen in Deutschland pro Jahr 4,8 Mio. Tonnen Müll. Hier sehen wir als Junge Liberale großes Veränderungspotential. Deshalb unterstützen
wir die Initiative “Green Hospital”, die Krankenhäuser ganzheitlich erfasst und auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit unterstützt. Teilkomponenten sind dabei Krankenhauslogistik, Müllmanagement, und eine generelle Minderung von CO2-Emissionen durch beispielsweise den Umstieg auf selbst produzierten Ökostrom. Wichtig dabei ist, dass die Hygiene- und Sicherheitsstandards hierbei nicht vernachlässigt werden. Eine weitere unterstützenswerte Alternative ist “Lebensretter – Klimaretter”, bei der das Krankenhauspersonal durch ein internes Ranking motiviert werden soll, auch im Privatleben möglichst viel CO2 einzusparen, denn auch Aktionen Einzelner in diesem großen Sektor zeigen im Gesamten eine große Wirkung.
Kindernotaufnahmen erhalten
Als Jugendorganisation ist uns die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen sehr wichtig. Die fortschreitende Schließung von pädiatrischen Notaufnahmen betrachten wir daher mit Sorge. Kinder- und Jugendmedizin unterscheiden sich deutlich von anderen Fachdisziplinen, sodass der gesundheitliche Zustand von Kindern und Jugendlichen oft falsch eingeschätzt wird. Daher ist es für die Qualität des Gesundheitssystems und der Patientensicherheit elementar, dass diese Art der Notaufnahmen bestehen bleiben.
Strukturen im ländlichen Raum stärken
Um die ärztliche Versorgung im ländlichen Raum zu stärken, sollen Anreize für Ärzt:innen geschaffen werden, um sich dort niederzulassen. So sollen etwa die Bundesländer Miete und Unterhaltungskosten für Praxen in unterversorgten Regionen übernehmen. Das unternehmerische Risiko, welches häufig als Argument gegen eine Niederlassung genutzt wird, kann so gesenkt werden. Auch können Prämien als Incentives genutzt werden, um Ärzt:innen in die Gegend zu locken. Dazu fordern wir Honoraranreize in Form extrabudgetärer Honorarzuschläge etwa bei Hausbesuchen oder ambulanten Operationen. Die Verjährungsfrist von Regressansprüchen an Landärzte soll auf zwei Jahre herabgesetzt werden. Zudem soll nur noch in konkreten Verdachtsfällen eine Wirtschaftlichkeitsprüfung vorgenommen werden können. Um einen Umzug attraktiver zu machen, müssen die Kommunen Familien ansprechen. Daneben begrüßen wir außerdem Investitionshilfen zum Beispiel der Kassenärztlichen Vereinigungen, damit gerade junge Ärzte es schaffen, sich auf dem Land in einer eigenen Praxis zu etablieren, sowie kooperative Maßnahmen zwischen Ärzt:innen und gesundheitsbezogenen Dienstleistungen in Gemeinschaftspraxen oder Gesundheitszentren. Wo es sinnvolle Überschneidungen gibt, sollen Psycholog:innen die selben Förderungen erhalten.
Nachwuchsförderung fürs Land
Zur Stärkung der medizinischen Versorgung auf dem Land soll es an medizinischen Fakultäten für Studierende einen sogenannten “Landarzt-Track” nach baden-württembergischen Vorbild geben. Dort werden nicht nur wichtige Fertigkeiten für die Arbeit als Landärzt:in vermittelt, sondern Studierende mit regionalen Akteuren wie etwa Hausärzt:innen, ambulanten und stationären Versorgungszentren sowie Gemeinden, Bürgermeisterinnen oder Landräten zusammengebracht. Dieser multidimensionale Ansatz soll das Interesse an der Region stärken, die notwendigen Kontakte vermitteln und damit den Einstieg als Landärzt:in attraktiver machen und erleichtern.
Mehr Weiterbildungskompetenzen gegen den Landarztmangel
Von Fachkräftemangel ist besonders der ländliche Raum betroffen. Um mehr Möglichkeiten der ärztlichen Weiterbildung zu schaffen, sollen zukünftig auch Ärzt:innen, die den Facharzt für Internisten absolviert haben, die volle Weiterbildungsbefähigung für die Allgemeinmedizin erhalten. Dies ist bisher nur eingeschränkt möglich.
Da die allgemeine Internistische Ausbildung höchst umfangreich ist und am Ende eine Prüfung abgelegt wird, sind wir als Junge Liberale der festen Überzeugung, dass diese Gruppe von Ärzt:innen genauso fähig ist, Allgemeinmediziner:innen vollwertig auszubilden, wie Fachärzt:innen für Allgemeinmedizin es heute schon dürfen.
Telemedizin der Zukunft
Als Pilotprojekt sollen ähnlich wie in Frankreich Untersuchungspods getestet werden. Ein Pod ist eine Kapsel, in der der Patient telemedizinisch untersucht werden kann. In diesen Pods sitzt der Patient physisch, während der Arzt digital zugeschaltet ist. Im Pod lassen sich weitergehende Untersuchungen wie Blutdruckmessung, eine Auskultation der Lunge, Körpertemperatur- und Blutzuckermessungen durchführen. Dies würde die Qualität der Telemedizin erheblich verbessern. Daher sollen solche Pilotprojekte getestet werden. Die Verfügbarkeit einer telemedizinischen Behandlung in Pflegeheimen würde Fachärzt:innen/Hausärzt:innen entlasten und zu einer Verbesserung der Behandlung der Klienten führen. Auch in der Notfallmedizin muss die Telemedizin gestärkt werden. So setzen wir, als Junge Liberale, uns für eine Erweiterung der Kompetenzen von Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitätern unter Zuschaltung eines Telenotarztes ein.
Übersetzernetzwerke schaffen
Zur Verbesserung des Verständnisses für Behandlungen und die Ermöglichung von ärztlichen Aufklärung in anderen Sprachen soll ein deutschlandweites Übersetzernetzwerk geschaffen werden, über welches Kliniken private Übersetzer anfragen können. Diese sollen dann zum ärztlichen Aufklärungsgespräch digital zugeschaltet werden. Die Kosten für die Übersetzungen sollen von den Krankenkassen übernommen werden.
Medizinische Versorgungszentren (MVZ)
Als Junge Liberale sehen wir in Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) eine wichtige Komponente der medizinischen Versorgung. In solchen Versorgungszentren finden sich niedergelassene Ärzte zusammen, um eine effiziente und qualitativ hochwertige medizinische Versorgung zu ermöglichen. Wir begrüßen dies ausdrücklich.
Allerdings werden diese Zentren in jüngster Vergangenheit immer häufiger durch internationale Finanzinvestoren übernommen, bei denen die medizinische Qualität in den Hintergrund rückt. Angesichts des massiven Investitionsbedarfs ist Fremdkapital notwendig, um die Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems langfristig sicherzustellen. Gleichzeitig braucht es klare Regeln, die den Schutz der Patientinnen und Patienten gewährleisten. Um diesen Interessenausgleich zu schaffen, sollten Neugründungen medizinischer Versorgungszentren künftig nur noch als gemeinnützige Gesellschaften mit begrenzter Haftung (gGmbH) möglich sein.
Pflege anerkennen
Fachkräftemangel beheben
Wir erneuern unsere Forderung nach einem digitalen, transparenten und bürokratiearmen Punktesystem zur Zuwanderung, das in Zusammenarbeit mit den Arbeitgebern an den Fachkräftebedarf angepasst wird. Um kurzfristig die Einwanderung von Pflegefachkräften zu fördern, sollen Personal-Werbebörsen eingeführt werden, die gezielt Fachkräfte anwerben, den Bewerber:innen bei der Anerkennung ihrer Berufsabschlüsse helfen, Sprachkurse vermitteln und bei der Wohnungssuche helfen. In Europa ausgebildetes Pflegefachpersonal sollte in Deutschland bevorzugt mit entsprechendem Qualifikationsnachweis zugelassen werden. Es kann nicht sein, dass unsere europäischen Pflegefachkräfte die Ausbildung zur Pflegefachkraft erneut durchlaufen müssen.
Gleichzeitig muss der Beruf aber auch wieder so attraktiv werden, dass das in Deutschland ausgebildete Pflegepersonal langfristig im Berufsfeld bleibt und wir keine Verschiebung des Pflegemangels in anderen Ländern verursachen.
Zudem setzen wir uns für die weitere Etablierung des Berufsbildes “Physician Asisstant” ein, der als Bindeglied zwischen ärztlichem Personal und Pflegepersonal fungiert, um so beide Berufsgruppen zu entlasten.
Wir müssen Fachkräfte suchen, finden, halten und binden. Dazu fordern wir:
- die finanzielle Förderung von Umschulungen zum Pflegeberuf.
- das Hinwirken der Politik im Rahmen der Pflegesatzverhandlungen darauf, dass die Kostenträger ein adäquates Entgelt für Fachkräfte refinanzieren.
- die Aufwertung des Pflegeberufes durch die finanzielle Förderung von Fortbildungen, die Schaffung von weiteren Qualifizierungen, die die Übernahme weiterer Aufgaben erlauben, sowie die Schaffung von Möglichkeiten der Akademisierung.
- die Erhöhung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch die Förderung von Kinderbetreuung, die auf die Arbeitszeiten von Pflegekräften eingehen.
- die gezielte Anwerbung von ausländischen Pflegekräften..
- die Beschleunigung des Anerkennungsprozesses für ausländische Abschluss, z.B. durch die Zentralisierung beim Landesamt für Pflege. Hierbei ist auf ein adäquates Sprachlevel zu achten, insbesondere in der für den Arbeitsalltag benötigten Sprache.
Um eine adäquate Interessensvertretung für die Pflegefachkräfte zu gewährleisten, sprechen sich die Jungen Liberalen dafür aus, eine Bundespflegekammer und Landespflegekammern ohne Kammerzwang einzuführen.
Reform der Pflegequote in Altenheimen
Die aktuelle Fachkräftequote in Pflegeheimen ist nicht evidenzbasiert und stellt die Einrichtungen vor große Herausforderungen. Deshalb fordern wir ihre Reform. Ersetzt werden soll sie durch ein Scoring-System, bei dem examinierten Fachkräften und Pflegehilfskräften eine bestimmte Punktzahl zugewiesen wird. Diese Punktzahl können die Pflegekräfte durch Fortbildungen und Lehrgänge erhöhen. Pro belegtem Platz ist folglich ein bestimmter Wert zu erreichen. Wie dies geschafft wird, liegt in der unternehmerischen Freiheit der Einrichtung. Bei der Ausarbeitung des Scoring-Systems ist auf einen evidenzbasierten Qualitätsindikator zu achten.
Attraktivität steigern
Um den Beruf attraktiver zu gestalten, setzen wir uns für die Erprobung innovativer Arbeitszeitmodelle ein. Zudem müssen Arbeitszeiten und Dienstpläne verlässlicher werden. Ein Pilotprojekt ist das Projekt Charité 2030. Als Junge Liberale setzen wir uns dafür ein, dass auch in weiteren deutschen Kliniken derart umfassende Pilotprojekte gestartet werden. Bereits ausgebildete Pflegekräfte, die das Berufsfeld der Pflege verlassen haben, sollen Anreize erhalten, in die Pflege zurückzukehren. KI-Dienstplangestaltung muss gefördert werden, intelligente Ausfalllösungen als auch die Dienstplangestaltung bindet sowohl viele zeitliche als auch finanzielle Ressourcen.
Zudem ist es wichtig, dass die Pflegekräfte fair entlohnt werden und während ihres Berufslebens ausreichende Aufstiegschancen haben.
Auch die Vereinbarkeit von Familie und Schichtarbeit soll durch erweiterte KITA-Öffnungszeiten oder andere Betreuungsmöglichkeiten gefördert werden.
Selbstbestimmung statt Bevormundung für Pflegebedürftige
Selbstbestimmung in allen Lebenslagen ist für uns Junge Liberale das Maß, an dem wir eine gute Versorgung messen, auch und gerade in der Pflege. Das aktuelle Pflegesystem lässt durch überbordende Bürokratie und starre Vorschriften nur wenig Platz für Markt und Entscheidungsfreiheit, sowohl auf Anbieter- als auch auf Nachfragerseite. Deshalb fordern wir die Einführung eines sogenannten Pflegebudgets. Dieses soll sich in der Höhe an den Leistungen der
stationären Pflege orientieren, und nicht wie jetzt nach der Versorgungsform, sondern nach dem jeweiligen Pflegegrad ausbezahlt werden. Die Qualitätssicherung soll durch ein Case-Management, sowie einen “Pflege-TÜV” gewährleistet werden, die dem Pflegebedürftigen durch Beratung, nicht durch Bevormundung, eine freie Wahl der Versorgung lassen. Dieser Paradigmenwechsel in der Pflege erlaubt es innovativen Anbietern neue Wege zu erproben, sowie den Pflegebedürftigen eine echte Entlohnung familiärer und nachbarschaftlicher Pflege zu ermöglichen. Auch stehen die Jungen Liberalen für eine Auszahlung von Leistungen der Pflegeversicherung im Ausland, da die Menschen selbst entscheiden sollen, wo Sie ihren Lebensabend verbringen möchten.
Reformierung der Ausbildungsmöglichkeiten
Um den Pflegeberuf sowohl niederschwellig zu öffnen und gleichzeitig im Sinne des lebenslangen Lernens, Aufstiegs- und Qualifikationsmöglichkeiten zu schaffen, fordern wir die Qualifikationsstufen im Pflegebereich künftig bundeseinheitlich wie folgt zu gliedern (eine genaue Ausgestaltung obliegt dann der Pflegekammer im Rahmen der Selbstverwaltung): Künftig soll es Pflegehelfer:innen geben, die eine 3-monatige Ausbildung durchlaufen, um pflegerische Mindeststandards zu erlernen. Aushilfskräfte auf Stationen, die bereits jetzt Pflegekräfte unterstützen, sollen dabei unter einer anderen Bezeichnung erhalten bleiben. Diese Kurzausbildung soll auch parallel zum Beruf/ Praktikum möglich sein. Darüber hinaus sollen fachliche Vertiefungen und zusätzliche Qualifikationen ermöglicht werden. Nach einem festgelegten Prüfungsprofil kann man sich so bzw. die Fachpflege für bspw. Intensivmedizin oder Hygiene qualifizieren. Des Weiteren sollen bestimmte Fortbildungen, wie bspw. zum Wundexperten entlohnt werden.
Als Junge Liberale setzen wir uns zudem ausdrücklich für eine Erweiterung der Kompetenzen in der Pflege ein.
Der Studiengang “Pflegewissenschaften” ermöglicht die hochqualifizierte Ausbildung von Leitungs- und Führungspersonal, wie auch dringend benötigte wissenschaftliche Forschung im Bereich der Pflege. Um diesen Studiengang attraktiver und zugänglicher zu gestalten, soll zukünftig langjährige Berufserfahrung auf den Bachelor Pflegewissenschaften angerechnet werden. Trotz der umfassenden Vorkenntnisse nochmal den gesamten Studiengang durchlaufen zu müssen, halten wir weder für erforderlich, noch sinnvoll. So sind sämtliche Prüfungsleistungen kritisch im Hinblick auf eine mögliche Anrechenbarkeit zu prüfen. Der Master “Pflegewissenschaften” soll berufsbegleitend wie in Vollzeit etabliert werden.
Auch wenn eine Weiterqualifizierung nach unseren Vorstellungen äußerst erstrebenswert ist, sprechen wir uns aber klar gegen eine Akademisierung des Pflegeberufs aus.
Kommunales Quartiersmanagement für die Pflege
Mithilfe von Quartiermanagement sollen die Kommunen die Bedürfnisse von Menschen mit Pflegebedarf vor Ort analysieren und gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern Angebote schaffen. Der Aufbau einer nachhaltigen und tragenden sozialen Infrastruktur sowie einer lebendigen Nachbarschaft ist im Sinne einer liberalen und kommunalen Gesundheits- und Pflegepolitik.
Darunter fallen insbesondere:
- Anpassung der kommunalen Infrastruktur auf die Bedürfnisse von Pflegebedürftigen und das Schaffen bedarfsgerechten Wohnraums (Barrierefreiheit)
- Schaffung einer tragenden sozialen Infrastruktur mit bedarfsgerechten Dienstleistungen und Angebote für Menschen mit Pflegebedarf, sowie den Aufbau eines Netzwerks aller beteiligten Organisationen im Quartier (Leistungserbringer, Bürgerschaft, Wirtschaft, Verwaltung)
- Unterstützung und Koordinierung von ehrenamtlichen Initiativen wie Zeit-Tausch-Ringen, Selbsthilfegruppen oder Nachbarschaftsvereinen
- Beratung von pflegenden Angehörigen durch Fachstellen für pflegende Angehörige oder Pflegestützpunkte (Case-Management) auf kommunaler Ebene.
- Beratungsangebote für alternative Wohnformen und barrierearmen Umbau.
Die Kommunen sollen im Rahmen von Seniorenpolitischen Gesamtkonzepten den Bedarf eruieren und dementsprechend ausbauen.
Ärztliche Ausbildung
Ärztemangel effektiv bekämpfen
Der Ärztemangel ist frappierend, so fehlen aktuell rund 15.000 Ärzt:innen in Deutschland. Dies liegt nicht an mangelndem Interesse an diesem Beruf, sondern v.a. an der begrenzten Zahl an Studienplätzen. Als Junge Liberale erkennen wir die Komplexität und den Aufwand an, den es benötigt, um mehr Medizinstudienplätze zu schaffen. Wir fordern trotz dieser Schwierigkeiten den schnellstmöglichen Ausbau von Studienplätzen. Zudem soll es in Zukunft keine sogenannten Teilstudienplätze mehr geben. Wer aktuell über einen Teilstudienplatz studiert, soll an anderen Universitäten nahtlos übernommen werden.
Ohne ärztliches Personal aus dem Ausland wäre der Ärztemangel in Deutschland noch ausgeprägter. Deshalb sollten sprachliche Hürden möglichst schnell und unkompliziert durch die Förderung von Sprachkursen in Verbindung mit dem Nachholen fehlender Studieninhalten, verringert werden, so dass eine möglichst schnelle Teilnahme am Berufsleben in Deutschland, ohne Einbußen für die Qualität in der Patientenversorgung durch sprachliche Barrieren, möglich wird.
Mentale Gesundheit im Studium stärken
Schon das Medizinstudium ist geprägt von hohen Leistungsansprüchen und Druck. So ist die Prävalenz von Depressionen und anderen psychischen Erkrankungen unter Medizinstudent:innen signifikant höher als in anderen Studiengängen. Im späteren Beruf werden die Ansprüche nicht geringer, sondern steigen sogar noch. Deshalb ist es essentiell, schon im Studium Fertigkeiten der Psychohygiene und Stärkung der mentalen Gesundheit zu erlernen, zum Beispiel im Rahmen des Fachs der “medizinischen Psychologie”. Nur ein gesunder Arzt kann andere heilen.
“Präppen” statt “peppen”
Der Präparierkurs ist essentieller Bestandteil des Medizinstudiums. Hier erhalten Medizinstudent:innen die einzigartige Möglichkeit, die Anatomie im wahrsten Sinne zu begreifen und an echten Körpern zu erlernen. Es ist der erste echte Kontakt der Student:innen mit menschlicher Anatomie. Dadurch, dass man den menschlichen Körper physisch vor sich hat, wird das Verständnis von Lagebeziehungen und Struktureinheiten erheblich verbessert. Dies ist genau das Wissen, was angehende Chirurg:innen in ihrem späteren Beruf benötigen werden. Ein vollständig digitales System wie bspw. in Frankreich lehnen wir daher ab. Digitale Varianten können Teile des Präparierkurs sehr gut ergänzen, denn gerade an großen Universitäten wie der LMU können so kleinere Gruppen abwechselnd am Körperspender arbeiten, während der andere Teil der Gruppe am digitalen Präparat vertieft. Dieses Modell kann aber den bestehenden Präparierkurs nicht ersetzen. Bestrebungen von Tierrechtsorganisationen wie „PETA“, Sezierungen an Tierleichen in medizinischen und biologischen Studiengängen zu unterbinden, lehnen wir entschieden ab.
PJ-ler nicht alleine lassen
Der letzte Abschnitt des Medizinstudiums ist das Praktische Jahr (PJ). Hier arbeiten Studierende nach Bestehen des zweiten Staatsexamen ganztags und oftmals ohne Bezahlung im Krankenhaus und bereiten sich gleichzeitig auf das dritte Staatsexamen vor. Diese Situation ist nicht hinnehmbar. Neben dem PJ einen Nebenjob auszuüben, ist praktisch nicht realisierbar, wodurch eine Selbstfinanzierung entfällt. Als Junge Liberale fordern wir, dass die Kliniken die PJ Student:innen mindestens auf 520 €-Basis anstellen, so dass Studierenden im Vollzeit-Praktikum zumindest grundlegende Arbeitnehmerrechte zugestanden werden, denn Krankheitstage sind keine Urlaubstage! Langfristig soll der Betrag an die Gehälter des PJ in der Pharmazie von ca. 1.100 € netto angeglichen werden. Denn der sozioökonomische Hintergrund darf kein Hindernis auf dem Weg zum ärztlichen Beruf sein.
Female Forward
Obwohl sich jährlich mehr weibliche als männliche Bewerber:innen um einen Studienplatz bewerben und es mehr Medizinstudentinnen gibt, sind Führungspositionen überproportional männlich besetzt. Wir möchten angehenden Ärztinnen durch gezielte Förderungen den Weg in die Spitzenforschung und in leitende Positionen erleichtern. Nicht zu vernachlässigen ist dabei die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Hierbei setzen wir auf flexible, verlässliche Arbeitszeiten und einen Ausbau sowie eine Reform von Kinderbetreuungsplätzen und die Ernennung von befristeten Stellvertretern für die Ausfallzeiten durch Mutterschutz und Elternzeit.
Geschlechtermedizinische Themen
Wie aus Gutachten des Bundesministeriums für Gesundheit hervorgeht, lernen Medizinstudierende zu wenig darüber, wie sich das Geschlecht auf Krankheiten und Therapien auswirken kann. Zwar ist bei den meisten Medizinischen Fakultäten ein Bewusstsein für die Relevanz von geschlechterspezifischen Aspekten angekommen, doch die strukturelle, curriculare Integration von geschlechtersensiblen Aspekten ist noch nicht ausreichend fortgeschritten.
In 70,4 Prozent der medizinischen Fakultäten in Deutschland werden Medizinstudierende nur punktuell in einzelnen Lehrveranstaltungen auf die Geschlechterunterschiede bei Krankheiten, Symptomen und Therapien aufmerksam gemacht. Deshalb setzen wir uns für eine verpflichtende Einführung aller Medizinstudierender in das Thema “geschlechtsspezifische Medizin” ein.
Der Fokus zur Verbesserung der geschlechtsspezifischen medizinischen Versorgung liegt in der Erforschung weiterer Unterschiede. Die Eröffnung weiterer Institute wie der Charité für Geschlechterforschung in der Medizin soll an weiteren Universitätskliniken gefördert werden. Nur auf dieser Grundlage können wissenschaftliche Erkenntnisse gewonnen werden, die im Anschluss in die Lehre zu tragen sind. Unterstützend dazu sind medizinische Forschungsinstitute mit sozialwissenschaftlichen Instituten der Geschlechterforschung zu vernetzen.
Am kanadischen Vorbild sind bei medizinischen Forschungsprojekten zu einzelnen Krankheiten die Datensätze auch auf geschlechtsspezifische Unterschiede zu untersuchen. Da das ohnehin erhobene Daten betrifft, entsteht weder ein relevanter Mehraufwand noch eine zusätzliche Erhebung von Daten.Sollte ein Forschungsprojekt von vornherein nur ein Geschlecht untersuchen, ist diese Auswahl zumindest zu begründen.
Auch möchten wir die Universitäten, welche ein Medizinstudium anbieten, dazu anregen, entsprechende Wahlfächer im Bereich der Gendermedizin anzubieten. Dort, wo besonderes Interesse seitens der Lehrenden für geschlechterspezifische Medizin herrscht, ist auch die
Einrichtung eigener Lehrstühle beziehungsweise Prodekanate denkbar.
Weiter fordern wir für Gendermedizin außerhalb des Studiums der Humanmedizin:
Studium der Psychologie, Pharmazie und Medizintechnik
Im Bereich der weiteren oben genannten (zum Teil) medizinischen Studiengänge ist
ebenfalls eine vermehrte Integration geschlechterspezifischer Inhalte in das
Curriculum vorzunehmen. In der Klinischen Psychologie, aber auch in den je nach
Geschlecht unterschiedlichen Wirkungsweisen pharmazeutischer Arzneimittelstoffe
beziehungsweise medizintechnischer Geräte sind die jeweiligen Unterschiede von Mann
und Frau eindeutig noch nicht ausreichend für die Lernenden herausgearbeitet. Dies
soll mit entsprechenden Vorlesungsreihen und Seminaren ergänzt werden.
Ausbildungsberufe
Auch in den medizinischen Ausbildungsberufen ist eine adäquate Integration der
Gendermedizin-Inhalte aktuell nicht gegeben. Besonders im Bereich der
Physiotherapieausbildung sind klare Defizite erkennbar. Auch hier ist eine vermehrte
Einbettung entsprechender Module vorzunehmen.
Keeping it clean – Multiresistenten Keimen die Stirn bieten
Function over style – Arztkittel kürzen
Ein häufiger Übertragungsweg von Keimen in Krankenhäusern sind lange Ärmel von Arztkitteln. Diese kommen im Laufe eines Arbeitstages häufig mit Patient:innen in Kontakt, ohne dass sie angemessen gereinigt werden können. Deshalb fordern wir, Arztkittel (wo noch vorhanden) abzuschaffen. Ärzte können zukünftig z.B. durch eine andere Farbe der Kasacks o.Ä. gekennzeichnet werden.
Antibiotika verantwortungsbewusst einsetzen
Zudem soll es in allen Kliniken und Stationen ein Antibiotic Stewardship (ABS) geben. Hierbei geht es um den verantwortungsbewussten Einsatz von Antibiotika, um diese möglichst passgenau zu verabreichen und Resistenzen zu vermeiden. In Zukunft soll es in jedem Haus mindestens eine:n Infektiolog:in geben, der/ die sämtliche Stationen für eine wöchentliche infektiologische Sprechstunde aufsucht.
Aber auch im hausärztlichen Bereich sollte noch mehr für die verantwortungsbewusste Gabe von Antibiotika sensibilisiert werden.
Zudem stehen wir durch die Massentierhaltung zunehmend vor der Problematik von multiresistenten Keimen, daher setzen wir uns für eine engmaschigere Kontrolle dieser Betriebe und deren Antibiotikagabe ein.
Auch Medikamentenreste im Abwasser werden immer häufiger zum Problem, da diese nicht ausgefiltert werden können. Daher setzen wir uns für eine Aufklärungskampagne ein, die Menschen für eine korrekte Entsorgung von Medikamenten sensibilisiert.
Viren nutzen
In Deutschland soll die Möglichkeit der Phagentherapie stärker in die Forschung einbezogen werden. Diese Phagen sind spezielle Viren, die gezielt Bakterien angreifen, aber nicht humanpathogen sind. Diese bieten die Möglichkeit Bakterien, die nicht mehr für Antibiotika sensibel sind, abzutöten. Aktuell ist Georgien in diesem Gebiet Vorreiter. Patienten aus Deutschland fliegen dorthin, um sich behandeln zu lassen. Die Kosten dafür tragen sie dabei privat. Wer das Geld nicht aufbringen kann, dem ist die Möglichkeit der Heilung verwehrt. Diesen Zustand wollen wir durch verstärkte Forschung in Deutschland und die perspektivische Zulassung der Phagentherapie bekämpfen.
Myth busters
Um auf die Risiken von inflationärem Antibiotikagebrauch aufmerksam zu machen, soll es große Aufklärungskampagnen in der Allgemeinbevölkerung geben.
Rettungswesen
Traumatisierungen frühzeitig verhindern
Erste Hilfe-Kurse sollen um den Aspekt der psychologischen Erste Hilfe ergänzt werden. Hierbei sollen die Teilnehmenden an das in Israel entwickelte 6C-Modell herangeführt werden, was sich leicht in deutsche Kurspläne integrieren lässt. Durch psychologische Erste Hilfe kann bereits am Ort des Geschehens eine Traumatisierung gemindert oder sogar abgewendet werden. Deshalb muss auch die psychosoziale Notfallversorgung für Ersthelfer ausgebaut und auch mit zeitlichem Abstand nach der Hilfeleistung noch einfach und unbürokratisch zugänglich gemacht werden.
Alle müssen helfen können
Oft machen junge Menschen ihren ersten Erste-Hilfe-Kurs, wenn sie ihren Führerschein machen. In einer Gesellschaft, in der allerdings immer weniger junge Menschen sich dazu entscheiden, ihren Führerschein zu machen, kann das langfristig zu Problemen führen. Wir finden, die Schulen sollten solche Fähigkeiten und Kenntnisse lehren, die auf das Leben vorbereiten. Ein Erste-Hilfe-Kurs gehört dazu. Wir fordern, dass jede:r Schüler:in in der Mittelstufe mindestens einen Erste-Hilfe-Kurs macht und dass dieser in der gymnasialen Oberstufe oder im Bereich der Berufsschule aufgefrischt werden soll. Ergänzend sollen Kampagnen für Ersthelfer:innen-Apps wie bspw. Corhelper durchgeführt werden, oder das Etablieren auf dem Land des Helfer vor Orts, um eine schnelle Erstversorgung zu unterstützen.
Blutungen stoppen, Leben retten
Polizei und Feuerwehr sind oftmals als erste an Einsatzorten und (Groß-)Schadenslagen. Ihre Aufgabe ist es, den Einsatzort zu sichern und zu sichten. Dabei kommt ihr auch die Rolle der Ersthelfer:innen zu. Deshalb sprechen wir uns für umfassende Erste-Hilfe-Schulungen und Übungen zusammen mit Einsatzkräften in diesem Bereich aus, um die Zusammenarbeit zu stärken. Die Sichtung und Triage von Verletzten allerdings, ist eine nicht delegierbare ärztliche Aufgabe und soll es auch bleiben. Zudem soll jedes Einsatzmittel mit einer sogenannten “Ulmer Box” oder einem Äquivalent ausgestattet sein, um im Ernstfall schnell und einfach lebensgefährliche Blutungen zu unterbinden und damit Leben zu retten.
Rechtssicherheit für den Rettungsdienst
Das Rettungsdienstpersonal muss befugt sein, medizinische Hilfe rechtssicher und ohne Behinderung durch Dritte umsetzen zu können. Daher sollen Rettungssanitäter und Notfallsanitäter nach gleichen Standards in allen Bundesländern ausgebildet werden und erlernte Maßnahmen – einschließlich heilkundlicher und invasiver Art – generell ausüben dürfen, wenn gewährleistet und rechtssicher belegt werden kann, dass diese beherrscht werden. Dazu fordern wir ergänzende Module für Notfallsanitäter nach Vorbild Österreichs (z.B. Intubation, i.v. Zugang und Medikamentengabe), die dies gewährleisten sollen. Denkbar ist ebenfalls eine Freigabe von eigenmächtiger O2-Gabe in moderatem Rahmen für Rettungssanitäter. Grundsätzlich halten wir jedoch am etablierten System der Freigabe nach Algorithmen fest (2a / 2c Maßnahmen), möchten diese aber deutlich erweitern. Da jeder Mensch gleich ist, ist dies bundesweit einheitlich zu regeln!
Rettungsdienstpersonal sollte außerdem im Falle von rechtlichen Streitigkeiten oder Strafverfahren Unterstützung erhalten. Eine solche Unterstützung könnte aus der Bereitstellung von Rechtsberatung, Anwälten oder anderen Fachleuten bestehen, die bei der Wahrung der Rechte des Rettungsdienstpersonals und der Verteidigung gegen ungerechtfertigte Anschuldigungen helfen können.
Ausbildungsqualität verbessern
Mit Sorge beobachten wir die abnehmende Qualität der Leitstellen im Rettungswesen. Dadurch wird die Leitstelle ihrer Filterfunktion nicht mehr gerecht und Rettungsteams zu vermeidbaren Einsätzen geschickt, was Kapazitäten und Geld kostet. Deshalb fordern wir die bundeseinheitliche Ausbildung von Leitstellenmitarbeiter:innen sowie die Aufstockung des Personals.
Echte Entlastung der Notaufnahmen und Krankenhäuser
Was durch die Versorgung und den Transport von Patienten mit eingerissenen Fingernägeln oder Ähnlichem durch die Rettungsdienste beginnt, setzt sich personal- und kostenintensiv in den Notaufnahmen bzw. Fachambulanzen der Krankenhäuser fort. Wir fordern:
– Ein Triage-Zentrum in jeder Notaufnahme, das vorentscheidet, ob Patienten überhaupt in der Notaufnahme behandelt werden. Die Weiterverweisung an Hausärztinnen, Bereitschaftspraxen oder eine Fachambulanz soll bei fehlender medizinischer Indikation jederzeit möglich sein.
– Die Verbesserung der ambulanten Versorgung zu Hause. Geringfügige Eingriffe wie z.B. Katheterwechsel sollen grundsätzlich immer von Pflegekräften zuhause bzw. im Altenheim übernommen werden, bevor ein Krankenhaus aufgesucht wird.
– Rechtssicherheit für Rettungskräfte auch bei ambulanten Hilfeleistungen.
– Die Möglichkeit für Hilfsorganisationen, Hilfeleistungen im Rettungsdienst ohne Transport ins Krankenhaus angemessen über die Krankenkassen abrechnen zu können. Wir fordern deshalb, den Rettungsdienst als eigenständiges medizinisches Leistungssegment ins Sozialgesetzbuch V aufzunehmen.
– Schluss mit dem Nebeneinander von Vergütungsmodellen – es muss endlich klare Zuständigkeiten für
die Finanzierung der Notfallrettung, der Krankentransporte, der Leitstellen etc. geben.
– Wir fordern die Etablierung des Notfalltransports als Transportleistung, die getrennt von der Versorgung zu betrachten ist. Ein Transport muss dabei nicht nur in ein Krankenhaus, sondern in die für den individuellen Notfall am besten geeignete Gesundheitseinrichtung möglich sein, zum Beispiel auch in die Hausarztpraxis, Fachambulanz oder eine ÄBD-Notdienstpraxis.
Schluss mit künstlicher Bedarfsplanung – Einsatzaufkommen (und Kosten) senken!
– Wir fordern die Vereinfachung der Abrechnungen für Taxis mit den Krankenkassen, damit diese mehr Krankentransporte übernehmen können. Verlegungen (Interhospiztransfer) soll ohne medizinische Betreuung ermöglicht werden, wenn keine Indikation dafür besteht.
– Fahrerinnen im betreuten Fahrdienst sollen geschult werden, Tragehilfe über Treppenstufen leisten zu können und entsprechend eingesetzt werden können.
– Schluss mit künstlicher Bedarfsplanung! Immer mehr Fahrten, die immer als Notfälle in die Statistiken eingehen, treiben die Bedarfsplanung immer weiter in die Höhe. Die Antwort der zuständigen Kommunen und Landkreise ist mehr Personal und mehr
Fahrzeuge – das ist nicht zukunftsfähig. Stattdessen muss in Statistiken zwischen Notfällen und Hilfeleistungen bei pflegerischen oder unkritischen Einsätzen unterschieden werden.
– Wir JuLis sehen immer weiter steigende gesetzliche Leistungsansprüche problematisch. Unser ausufernder Sozialstaat zeigt sich letztlich auch in der akuten gesundheitlichen Versorgung. Wir fordern eine Überprüfung bestehender Transportansprüche.
Landung in 10 Minuten – Dezentrale Versorgungsstruktur aufrechterhalten
Die geplante Krankenhausreform der Bundesregierung begrüßen wir zwar, allerdings darf die Zentralisierung von stationären Krankenhauskapazitäten nicht zur Überlastung ambulanter Dienstleister – das sind auch die Rettungsdienste – in der Fläche führen.
Wir fordern:
– Die flächendeckende Aufrechterhaltung der Notaufnahmen und Schockräume. Konzepte wie Rufbereitschaftsdienste, bei denen beispielsweise Schockräume nur bei Erwartung eines (potenziell) lebensbedrohten Patienten besetzt werden, sind
ebenfalls denkbar.
– Weiterhin den Ausbau der Präventionsarbeit, z.B. gegen gefährliche chronische Erkrankungen wie
Bluthochdruck oder Adipositas.
– Einen möglichst flächendeckenden ärztlichen Bereitschaftsdienst rund um die Uhr.
Zukunftsfähige Ausbildung der Rettungskräfte
Steigende Einsatzzahlen bei gleichzeitig weniger verfügbaren Notärzten machen eine bessere Ausbildung von Sanitätern notwendig. Wir fordern:
– eine einheitliche bundesweite Qualifikation von Notfallsanitätern und Rettungssanitätern mit standardisierten Abschlussprüfungen bzw. Examina. Das Kompetenzniveau wollen wir ebenfalls
bundesweit einheitlich angleichen.
– Spezifisch in Bayern fordern wir eine Änderung im klinischen Teil der Rettungssanitäter-Ausbildung:
Wir möchten den geriatrischen Ausbildungsteil durch wahlweise eine weitere Woche Einsatz in der
Notaufnahme oder Anästhesie ersetzen.
– Pflegerische Probleme gewinnen zukünftig auch für die Rettungsdienste an Wichtigkeit. Deshalb
fordern wir, pflegerische Aspekte in der Ausbildung von Sanitätern verstärkt zu berücksichtigen.
– Wir fordern bundesweit den Abschluss “Notfallmedizin” als Facharztausbildung einzurichten.
– Zukünftig fordern wir die Entwicklung eines durchgängigen und mehrstufigen Qualifikationssystems, das den Versorgungsbedarfen und Einsatzrealitäten entspricht. Zusätzliche Kompetenzen nach dem Vorbild Österreichs für Notfallsanitäter (“Kompetenzniveau i.v. Zugang, Medikamente und Intubation”) wollen wir auch in Deutschland etablieren. Darüber hinaus würden wir Weiterbildungsmöglichkeiten mit entsprechenden Zertifizierungen für Rettungssanitäter wünschen.
Vorstellbar wären die Delegation eines i.v. Zugangs, VEL- oder O2-Gabe an Rettungssanitäter. Voraussetzung ist, dass diese Maßnahme sicher beherrscht werden muss.
– Die Kosten für die Ausbildung der Notfallsanitäter soll künftig staatlich und nicht durch die
Krankenkassen getragen werden – nur so können überhaupt bedarfsgerecht und ausreichend
Notfallsanitäter ausgebildet werden.
Lebensretter müssen auch ein Leben haben
– Ständig wechselnde Schichtzeiten, anstrengende Einsätze und viel Verantwortung – der Job in
medizinischen Berufen ist kein leichter. Deshalb fordern wir JuLis, das Arbeitsumfeld von Rettungsdienstmitarbeitern attraktiver zu gestalten:
– Wir fordern mehr Weiterbildungsmöglichkeiten. Dazu soll zusätzlicher “Bildungsurlaub” für Fortbildungen wie PHTLS- und ACLS-Schulungen etc. gewährleistet und eine finanzielle Förderung für besonders motivierte Einsatzkräfte in Aussicht gestellt werden.
– Weiterbildung für Führungskräfte (Rettungsdienstleistung, Wachleiter) um Drop- out-Effekte zu
reduzieren, sollen geschaffen werden.
– In den Bereitschaften soll der Wechsel in eine hauptamtliche Tätigkeit gezielt angeworben werden.
– Wir fordern, moderne und familiengerechte Formen von Schichtmodellen und Arbeitszeitgestaltung und stärken in diesem Hinblick auch unsere Forderung nach einer 24-h-Kita pro Landkreis.
– Wer Leben rettet, verdient gesellschaftliche Anerkennung, aber oft viel zu wenig Geld. Daher fordern wir, die Vergütung und steuerlichen Freibeträge für Beschäftigte im Rettungswesen – auch für Freiwilligendienstleistende (“Bufdis”) und Ehrenamtler – zu erhöhen.
Reform der integrierten Leitstellen
Wer die 112 ruft, kann auf den Rettungsdienst, die Feuerwehr und Spezialkräfte zugreifen. Die Rettungsleitstellen und integrierten Leitstellen koordinieren Einsätze in hervorragender Weise. Allerdings werden sie immer mehr mit allgemeinen gesundheitlichen und pflegerischen Problemen kontaktiert. Die Leitstellen sind mit Disponenten, meistens aus der Berufsfeuerwehr, besetzt – in der Praxis werden dann Rettungswägen geschickt, um sich das Problem “mal anzuschauen”. Wir fordern:
– eine Reform der integrierten Leitstellen zu echten Gesundheitsleitstellen. Dazu möchten wir uns am Vorbild der Leitstelle Tirol orientieren, die unter verschiedenen Abteilungen auch Gesundheitsberatung anbietet. Die klassische Aufgabe der Leitstelle – nämlich Rettungs- und Feuerwehreinsätze – dürfen trotzdem keinesfalls zu kurz kommen. Trotzdem soll bei medizinischen Notfällen eine strukturierte Triage am Telefon zum Standard werden.
– Die Zusammenlegung des Notrufes 112, der Rufnummer des ärztlichen Bereitschaftsdienstes (116117), des Giftnotrufs und der Gesundheitsberatung in einer Leitstelle. Getrennte Rufnummern führen dann zu verschiedenen Abteilungen.
– Die Gewährleistung einer kostenlosen Gesundheits- und Pflegeberatung rund um die Uhr, ähnlich einem Callcenter durch medizinisch und pflegerisch qualifiziertes Personal.
– Ein taktisches Weisungsrecht der Gesundheitsleitstelle gegenüber anderen nicht- ärztlichen Leistungsbringern.
– einen Telenotarzt direkt in jeder Leitstelle. Dieser soll laufende Rettungseinsätze mit koordinieren und den Disponenten medizinischen Background in Echtzeit liefern.
– den flächendeckenden Ausbau des Telenotarztsystems.
– eine vermehrte Identifikation und Adressierung von PatientInnen ohne zeitkritischen Interventionsbedarf mit ergänzenden Systemkomponenten. Auf die Einhaltung des Datenschutzes ist zu achten.
– die proaktive Kontaktaufnahme mit Risikogruppen und z. B. sogenannten „frequent callers“, die aufgrund ihrer persönlichen Situation oftmals einhergehend mit chronischen Erkrankungen, einem hohen Leidensdruck und begleitet von Angststörungen und Depression präventive Angebote benötigen.
– Die Umsetzung eines interoperablen Datenaustausches in Echtzeit zwischen der Gesundheitsleitstelle, dem Rettungsdienst, den Kliniken, dem ambulanten Sektor und Apotheken.
– Die flächendeckende Einführung und Verfügbarkeit von Notruf-SMS und der Notruf- App nora, um eine barrierefreie Alarmierung für jeden zu ermöglichen.
– Die flächendeckende Einführung von Ersthelfer Apps (z.B. Mobile Retter).
Prävention und Gesundheitsförderung
Mehr Freude an Bewegung
Bewegung ist ein wichtiger Bestandteil eines gesunden Lebens. Um dies zu stärken, sollen Krankenkassen mehr Angebote zur sportlichen Betätigung machen. Dies kann bspw. in Form von vergünstigten Fitnessstudio-Mitgliedschaften, Prämien für aktive Mitgliedschaften im Sportverein oder direkte Sportangebote geschehen. Förderungsprogramme im Gesundheitswesen seitens der gesetzlichen Krankenkassen sollten ausgeweitet werden. Implementierung eines Betrieblichen Gesundheitsmanagements, Gesundheits,- Ernährungs,- und Stresscoaches sollten durch ausgebildetes Fachpersonal angeboten werden.
Screening bekannter machen
Die Früherkennung spielt besonders bei onkologischen Erkrankungen eine besonders große Rolle. Doch viele der Früherkennungsprogramme sind in der breiten Bevölkerung nicht bekannt. Dies wollen wir ändern. Dazu soll es Kampagnen in der Öffentlichkeit geben, die eine möglichst breite Bevölkerung wahrnehmen und ansprechen. Es sollen systematische Broschüren erstellt werden, welche Vorsorgeuntersuchungen ab welchem Alter angeboten werden. Diese können beim Hausarzt ausgelegt und bei jedem Erstgespräch gezielt verteilt werden. Wichtig ist, dass diese Früherkennungsprogramme nicht verknappt werden auf Grund fehlender finanzieller Mittel (Beispiel: Mammographie).
Prävention schlägt Behandlung
Jeder dritte Single in Deutschland denkt, er könne am Aussehen des Partners erkennen, ob er oder sie eine sexuell übertragbare Krankheit hat. Auch anlässlich dieser beunruhigenden Erkenntnis einer Studie aus dem Jahr 2017 wird deutlich: Prävention ist immer günstiger als die Behandlung. Eine Reduktion der Fallzahlen ist in gesamtgesellschaftlichem Interesse und kann langfristig das Gesundheitssystem entlasten.
Kondome und Lecktücher schützen effektiv vor der Verbreitung sexuell übertragbarer Krankheiten, deren Folgen sowohl individuell als auch aus gesellschaftlicher/wirtschaftlicher Sicht gravierend sein können. Angelehnt an die entsprechende Regelung in Frankreich fordern die Jungen Liberalen, dass Verhütungsmittel wie Kondome und Lecktücher für junge Menschen bis 25 Jahre in begrenzter Menge durch die Krankenkasse erstattungsfähig sein.
Die Bundesregierung wird folglich dazu aufgefordert, eine Regelung zu schaffen, die den Anbietern die Abrechnung über die privaten wie gesetzlichen Krankenkassen digital und unbürokratisch ermöglicht.
Ein Stich – die Krankheit liegt
Impfungen sind eine hocheffiziente Möglichkeit der Prävention. Diese erkennen wir als Junge Liberale an. Mit Sorge beobachten wir die steigende Tendenz der Abkehr von der evidenzbasierten Medizin im Bereich von Impfungen. Dagegen wollen wir mittels gezielter und empathischer Kampagnen vorgehen. So soll es bspw. Elternabende mit Expert:innen geben, die in offener Atmosphäre Fragen beantworten und Vorurteile nehmen. Die Möglichkeit von Impfschäden erkennen wir an und fordern hierbei niederschwellige Hilfsangebote für die Betroffenen.