15.03.2014

Für selbstbestimmte Sexarbeiter/-innen

Selbstbestimmtheit braucht Legalität
Die Jungen Liberalen fordern, die Legalität selbstbestimmter Prostitution in Deutschland aufrecht zu halten und rufen die ALDE auf, auf europäischer Ebene für eine Legalisierung einzutreten. Die Entkriminalisierung der Prostitution in Deutschland ist ein großer Erfolg gewesen. Oberstes Ziel jeder Prostitutionspolitik sollte aus liberaler, moderner Perspektive die Verteidigung der sexuellen Selbstbestimmtheit sein. Prostitution ist ein Gewerbe wie jedes andere auch und bedarf der vollständigen rechtlichen Gleichstellung. Eine Verbotspolitik würde betroffene Sexarbeiter/-innen nur in ein kriminelles Milieu drängen. Dies hätte einen Verlust der eigenen Sicherheit und somit auch der Selbstbestimmtheit zur Folge.

Selbstbestimmtheit braucht leistungsabhängige Bezahlung
Die Jungen Liberalen erkennen jedoch an, dass die sexuelle Selbstbestimmtheit von Prostituierten (w/m) auch in der aktuellen Rechtslage und Gewerbepraxis in Deutschland teilweise erheblich kompromittiert wird. Wenn z.B. Sexarbeiter/-innen Pauschalbeträge zum Angebot ihrer Dienstleistungen bezahlen müssen, erhöht dies den wirtschaftlichen Druck, in einer bestimmten Zeit Freier (w/m) anzunehmen, so dass sich im Graubereich zwischen freiwilligem Angebot und wirtschaftlicher Notlage eine Verschiebung zu Ungunsten der Freiwilligkeit ergibt.
Jede Sexarbeiterin und jeder Sexarbeiter entscheidet selbstständig über ihr/sein Geschäftsmodell. So sind beispielsweise Flatrate-Angebote sowohl für Selbstständige als auch für Angestellte Sexarbeiter/-innen ein akzeptables Geschäftsmodell das ein sicheres Tageseinkommen gewährleistet.
Eine Umsatzbeteiligung Dritter an sexuelle Dienstleistungen sollte, anders als in Österreich, weiterhin legal bleiben, da eine Provision bei Vermittlung die Wahlfreiheit bezüglich Kunden (w/m) und Dienstleistung im Gegensatz zu Pauschallohn- und Fixkostenbeträgen nicht beeinträchtigt.
Die Jungen Liberalen fordern, dass der Staat über Sondersteuern Prostitution nicht stärker belastet als andere gewerbliche Tätigkeiten. Gleichzeitig dürfen Kommunen nicht überhöhte Gebühren und Beiträge erheben, die die gewerbliche Tätigkeit erschweren und als Sondersteuer durch die Hintertür wirken.
Selbstbestimmtheit heißt meist Selbstständigkeit

Die Jungen Liberalen stellen fest, dass das rot-grüne Prostitutionsgesetz ihr Hauptziel – Prostituierte (m/m) zur sozialversicherungspflichtigen Anstellung zu verhelfen – verfehlt hat. Daher fordern die Jungen Liberalen es in Zukunft den Vertragspartnern zu überlassen, welcher Art das Beschäftigungsverhältnis ist. Der Gesetzgeber sorgt mit den Berufsgenossenschaften für faire und saubere Arbeitsbedingungen.

Unbedingt notwendig ist eine Überarbeitung von arbeitsrechtlichen Normen, die Sonderregelungen für Sexarbeiter enthalten, um das Angestelltenverhältnis praktikabel zu gestalten. Im Rahmen dessen bedarf es auch einer Neufassung des §180a StGB.

Selbstbestimmtheit heißt auch Schutz der Freiheit
Die Jungen Liberalen fordern weiter, eine Genehmigungserfordernis, die an den Betreiber eines Bordells persönliche Anforderungen stellt. Denkbar ist zum Beispiel die Entziehung der Erlaubnis bei milieutypischen, strafrechtlichen Verurteilungen. Problematisch können noch sogenannte „Strohmänner“ sein. Es muss wirksam von dem Papier als Bordellbetreiber fungieren, in Wirklichkeit aber ein Zuhälter mit einschlägigen Vorstrafen, der sich vielleicht offiziell nur als Hausmeister im Bordell bedingt, die Fäden im Hintergrund zieht. Hier müssen Polizeikontrollen möglich sein. Vor allem aber, wenn die Unabhängigkeit der Frau gewahrt ist, kann auch von Hinweisen der Frauen ausgegangen werden, die, durch ihren Kontakt zur Polizei, solche Ungereimtheiten in den Bordellen künftig melden könnten.

Sexuelle Selbstbestimmtheit braucht Gesundheit
Die Jungen Liberalen fordern die Fehler des rot-grünen Prostitutionsgesetzes auch im Bereich der Gesundheitsprävention zu beheben. Die Grundvoraussetzung für das legale Angebot von sexuellen Dienstleistungen muss zukünftig die Anmeldung beim (gemäß Wohnsitz) örtlichen Gesundheits- oder Ordnungsamt, sowie eine regelmäßig über das Gesundheitsamt koordinierte gesundheitliche Untersuchung sein. Dabei ist auf eine Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit der Untersuchungen, vor allem in Bezug auf Ausmaß der Ausübung sexueller Dienstleistungen und dem Risikoverhalten der betroffenen Personen, zu achten.
Da unheilbare sexuell übertragbare Krankheiten zu einem Verlust der Arbeitsmöglichkeit führen würden, muss es Angebote für Berufskrankheitsversicherungen für Sexarbeiter/-innen geben. Hierbei sind private bzw. eigenverantwortliche, genossenschaftliche Lösungen einer staatlichen Regulierung vorzuziehen.

Selbstbestimmtheit braucht Datensensibilität
Aufgrund der hohen Stigmatisierung von Prostitution in der Gesellschaft muss der Staat besonders sensibel mit jeder Information über Sexarbeiter/-innen, Kunden (w/m) und Einrichtungen, in denen sexuelle Dienstleistungen angeboten werden, umgehen.
Wir begrüßen eine anonymisierte oder pseudonymisierte Steuererhebung, wenn eine anschließende Doppelerhebung wirksam vermieden werden kann. Dazu muss das Pseudonym einerseits mit dem Steuerschuldner eindeutig verbunden werden können und andererseits müssen die Einkünfte einer Einkunftsart im Sinne des Gesetzes zugeordnet werden, das die Art der Tätigkeit auf dem Steuerbescheid nicht offensichtlich macht.
Die Jungen Liberalen fordern daher, Verstöße gegen die amtliche Verschwiegenheit und fahrlässigen Umgang mit sensibler Information von Seiten staatlicher Akteure in diesem Bereich besonders streng zu ahnden.
Der beste Schutz vor Datenmissbrauch ist die Prävention. Daher fordern die Jungen Liberalen, behördliche Informationen bezüglich sexueller Dienstleistungen stets nur bei einer Behörde festzuhalten, sicher zu verschlüsseln, bzw. zu verschließen und bei allen amtlichen Unterlagen und Registrierungen bei denen eine Tätigkeit im Bereich der sexuellen Dienstleistungen erkenntlich wird, die Möglichkeit der Anonymität (z.B. Pseudonym und getrennte Lagerung der Zuordnung zum Klarnamen) zu schaffen, so dass Externe bei Einsicht der Daten bzw. Unterlagen den Klarnamen und die Anschrift bzw. die Art der Dienstleistung nicht einsehen können.

Selbstbestimmtheit braucht strafrechtliche Verfolgung von Zwang
Die Jungen Liberalen fordern eine bessere Strafverfolgung von Zwangsprostitution und der Ausbeutung von Prostituierten (w/m).
Insbesondere fordern die Jungen Liberalen:
• Kontrollen des §180a müssen dabei interminiert werden.
• Um Menschenhandel und Ausbeutung von Prostituierten besser bekämpfen zu können, bedarf es des Opfer- und Zeugenschutzes.
• Daher brauchen Sexarbeiter/-innen ohne legale Arbeitserlaubnis, die Opfer von Zwang wurden, besonderen Schutz vor Abschiebung bei einer Anzeige
• Das Strafmaß im §180a (Ausbeutung von Prostituierten) muss verschärft und die Definition für Ausbeutung zur erleichterten Strafverfolgung konkretisiert werden.
• Im behördlichen Umgang mit Einrichtungen, in denen sexuelle Dienstleistungen angeboten werden, muss ein Paradigmenwechsel erfolgen. Priorität jeder behördlichen Untersuchung – vor steuerlicher Prüfung, Hygiene etc. – muss die Kontrolle des §180a werden.
Illegale Prostitution bei der keine Ausbeutung erfolgte, soll dagegen nur mild bestraft werden (Anbieter/in und Kunde).
Eine Kondompflicht oder Freierbestrafung bei Zwangsprostitution lehnen die Jungen Liberalen dagegen aufgrund mangelnder Umsetzbarkeit und einer Rekriminalisierung der Prostitution mit negativen Folgen für legale Betriebe und Angebote ab.
Stattdessen fordern die Jungen Liberalen, Freier (w/m) die sexuelle Dienstleistungen in Anspruch nehmen bei der Aufdeckung und Aufklärung von Missbrauch und Zwangsprostitution stärker mit einzubeziehen. Dadurch, dass sie im direkten Kontakt zu den Prostituierten stehen, können sie Missbrauch erkennen, der sonst vielleicht unbehelligt bleiben würden. Konkret fordern die Jungen Liberalen deshalb die Einrichtung anonymer Rufnummern, denen die Kunden (w/m) prekäre Arbeitsverhältnisse melden können, ohne gesellschaftliche Repressalien befürchten zu müssen.

Selbstbestimmtheit braucht Prävention
Die Jungen Liberalen erkennen die Schwierigkeit, im Bereich der Prostitution Zwangslagen, Abhängigkeiten, Missbrauch und psychische Probleme festzustellen, an. Um Probleme im Bereich der Prostitution zu beheben, setzen die Jungen Liberalen auf Prävention statt Repression. Daher fordern die Jungen Liberalen in Deutschland Modellprojekte zur Prävention durch eine regelmäßige Betreuung durch Psychologen, Sozialarbeiter oder ein städtisches durch die Polizei koordiniertes Präventionsteam mit anschließender Evaluation und Kosten-Nutzen-Analyse vor. Langfristig muss es bundesweite Beratungsangebote – privat oder staatlich – für Sexarbeiter/innen über die Ausstiegs- und Umschulungsberatung hinaus geben.

Zudem fordern die Jungen Liberalen eine gesellschaftliche Sensibilisierung und Aufklärung zum Thema Ausbeutung von Prostituierten (w/m), um auch potentielle Kunden (w/m) zu erreichen und so legale, freiwillige Angebote zu stärken.
Selbstbestimmtheit auch für Unternehmer im Prostitutionsgewerbe
Die derzeitige Regelung, dass die Einrichtung eines Bordellbetriebs in Städten mit weniger als 50.000 Einwohnern mit Hilfe des Baurechts verhindert werden kann, ist abzuschaffen. Für Bordellbetriebe müssen hier die gleichen Regeln gelten wie für jedes andere Gewerbe auch.

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