26.10.2003

Freie Kirchen für freie Bürger

Umfassende Trennung von Staat und Kirche

Wir Liberale fordern, dass die Kirchen nicht länger gegenüber anderen Glaubensgemeinschaften und Weltanschauungen privilegiert werden. Wir fordern aber auch, dass sie gegenüber diesen nicht benachteiligt werden. Dem religiösen und weltanschaulichen Pluralismus in der deutschen Gesellschaft muss endlich Rechnung getragen werden.

Deshalb fordern wir Freie Kirchen für freie Bürger.

Die Einleitung der Präambel des Grundgesetzes mit der Verantwortung erst vor Gott und dann vor den Menschen muss ersetzt werden. In einem weltlichen Staat kann sich jeder Mensch vor Gott verantwortlich fühlen, muss dies aber nicht. Die Präambel des Grundgesetzes darf kein Glaubensbekenntnis für die Deutschen abgeben. Wir fordern die Streichung des Gottesbegriffes aus der Präambel des Grundgesetzes. Stattdessen bekennen sich die JuLis zur positiven Bedeutung der Grund- und Menschenrechte. Die Jungen Liberalen treten ebenso dafür ein, dass Gottesbezug nicht in die EU-Verfassung aufgenommen wird.

Unter einer Körperschaft öffentlichen Rechts ist ein mitgliedschaftlich organisierter Verband des öffentlichen Rechts zu verstehen, der staatliche Aufgaben mit hoheitlichen Mitteln unter staatlicher Aufsicht wahrnimmt. In einem Staat, in dem Staat und Kirche getrennt sind, ist Religionsausübung keine staatliche Aufgabe. Somit sind die Kirchen von öffentlich-rechtlichen Körperschaften in privatrechtliche Institutionen nach Maßgabe der allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechts umzuwandeln.

Kirchliche Handlungen dürfen künftig keine öffentlichen-rechtlichen Wirkungen nach sich ziehen. Die Aufnahme und der Austritt in eine Glaubensgemeinschaft erfolgen wie bei jedem anderen Verein auch. Austritte aus den Kirchen müssen ohne Einbindung des Staates möglich sein.

Die Befragung der Bürgerinnen und Bürger durch den Staat (z.B. im Personenstandsgesetz) nach ihrer Religionszugehörigkeit hat zu unterbleiben und entsprechende Angaben werden in öffentlichen Urkunden und Formularen nicht berücksichtigt.

Die Jungen Liberalen fordern die Erarbeitung und Umsetzung eines Konzepts zur Abschaffung des Kirchensteuereinzugs durch den Staat. In einem weltlichen Staat müssen Glaubensgemeinschaften Finanzierungsmöglichkeiten abseits der Zwangsbesteuerung ihrer Mitglieder suchen. Umgehend müssen sowohl der automatische Kirchensteuerabzug beim Arbeitslosengeld beendet als auch die Gleichbehandlung der Kirchensteuer mit anderen Spenden an gemeinnützige Vereine im Bereich der steuerlichen Absetzbarkeit erzielt werden.

Keine staatliche Unterstützung für die Besoldung und Versorgung der Geistlichen

Verschiedene Länder zahlen derzeit aufgrund diverser Verträge mit den Kirchen beträchtliche Summen von mehreren Millionen pro Jahr an die Kirchen zur Unterstützung der Pfarrbesoldung und versorgung sowie zur Unterstützung kirchenregimentlicher Zwecke. Diese Summe erhöht sich auf Berechnungsgrundlage der Beamtenbesoldung. Diese massive Unterstützung einzelner Glaubensgemeinschaften ist umgehend einzustellen. Dies kann im Rahmen einer religiösen Parität und eines weltlichen Staates nur durch eine Streichung der Zahlungen erwirkt werden.

Staatliche Schulen sind grundsätzlich bekenntnisfrei. Konfessioneller Religionsunterricht ist nicht Aufgabe des Staates und darf deshalb nicht von diesem in den öffentlichen Schulen ausgeübt werden, aber er ist für die Vermittlung von Grundwerten verantwortlich, um verantwortungsbewusste und selbstständige Bürger auszubilden. Dies muss in Zukunft durch das Fach LER (Lebenskunde, Ethik, Religion) geschehen. Dieses Fach soll grundlegende Kenntnisse in allen Religionen vermitteln. Dies ist Grundvoraussetzung dafür, dass das Verständnis für und die Toleranz gegenüber allen Religionen ausgebaut wird.

Gerade vor dem Hintergrund, dass eine große Zahl der internationalen Konflikte der 21. Jahrhunderts einen religiösen Hintergrund haben, kann es nur unser liberales Anliegen sein, durch Aufklärung diesen Konflikten vorzubeugen.

Weitere Inhalte der Fächer sind ethische und philosophische Grundlagenvermittlung. Soweit Religionskenntnisse dennoch, z.B. im Fach Religionskunde, vermittelt werden sollen, ist der Unterricht und seine Inhalte von allen konfessionellen und kirchlichen Bindungen zu lösen und konfessionsübergreifend zu gestalten. Das Christentum ist nur insoweit Unterrichtsgegenstand, wie seine Rolle als Kulturfaktor in der abendländischen Geschichte Gegenstand des Geschichts- und Literaturunterrichts ist. Religionsunterricht einer speziellen Konfession kann in Form von Arbeitsgemeinschaften angeboten werden.

Gottesdienste als Schulveranstaltungen und Schulgebete sind in öffentlichen Schulen unzulässig.

Chancengleichheit für freie Träger im Bildungs- und Sozialwesen

Nicht-konfessionelle Träger im Bildungs- und Sozialwesen dürfen nicht länger von Staats wegen zu Gunsten der großen Kirchen benachteiligt werden. Die Aktivitäten privater Träger, ganz egal welcher Weltanschauung oder Religion sind grundsätzlich als genauso förderungswürdig wie vergleichbare kirchliche Aktivitäten zu betrachten.

Soweit in Krankenhäusern, Strafanstalten und sonstigen Anstalten des Landes ein Bedürfnis nach hauptamtlicher Seelsorge aus kirchlicher Hand besteht, wird diese im Rahmen der allgemeinen Hausordnung zugelassen und die Kosten vom Land getragen. Kosten für eine nicht hauptamtliche kirchliche Seelsorge werden nicht bezuschusst. Eine Gleichbehandlung von staatlicher, kirchlicher und sonstiger Seelsorge ist zu gewährleisten. Gleiches gilt für die Militärseelsorge.

Religiöse Veranstaltungen aller Glaubensrichtungen sind im gleichen Maße förderungswürdig. Eine Bevorzugung einzelner Glaubensgemeinschaften ist in einem liberalen Staat unzulässig.

Keine besondere Rücksichtsnahme auf die Kirchen in öffentlich-rechtlichen Medien

Besondere Sendungen in Eigenverantwortung der Kirchen in öffentlich-rechtlichen Medien sind nicht zuzulassen. Die Länder werden zukünftig nicht mehr darauf bedacht sein, dass die Satzungen der Rundfunkanstalten, an denen sie Beteiligungen halten, Bestimmungen enthalten, in denen im besonderen Maße die Rücksicht auf das religiöse Empfinden der evangelischen und der katholischen Bevölkerung, die Einräumung angemessener Sendezeiten und angemessene Vertretung bei Programmfragen für die evangelische und die katholische Kirche festgeschrieben werden. Jede Interessensgruppe muss Zugang zu den öffentlich-rechtlichen Medien haben, eine Privilegierung einzelner Glaubensgemeinschaften ist abzulehnen.

Grundsätzlich muss jede Bürgerin / jeder Bürger unabhängig von seiner individuellen Lebensführung die gleiche Chance zu einer Einstellung an einer kirchlichen Einrichtung haben, sofern diese zu mehr als der Hälfte direkt vom Staat finanziert wird (der Regelfall bei Kindertagesstätten, Krankenhäusern, Seniorenheimen etc.). Im Verhältnis einer / eines Beschäftigten zu einem Arbeitgeber in kirchlicher Trägerschaft haben die gleichen Rechtsvorschriften zu gelten wie für andere Arbeitgeber (insbesondere beim Kündigungsschutz und dem Schutz der Privatsphäre).

Das kirchliche Mitspracherecht bei der Besetzung der theologischen Hochschullehrerstellen stellt einen Eingriff in die Autonomie der Wissenschaft dar und ist deshalb nicht länger zu gewähren.

Den Kirchen und Glaubensgemeinschaften steht es frei, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in eigenen Bildungseinrichtungen aus- und fortzubilden oder aber die universitären oder staatlichen Abschlüsse anzuerkennen.

Ernennung von Bischöfen nicht vom Wohlwollen der Landesregierungen abhängig

Sobald Staat und Kirche weitestgehend getrennt sind, ist das Recht der Landesregierungen auf die Mitwirkung bei der Auswahl eines neuen Bischofs aufzugeben. Sowohl der Staat muss vom übermäßigen institutionellen Einfluss der Kirchen als auch die Kirchen müssen vom Einfluss des Staates befreit werden.

Sofern durch die Forderungen der Jungen Liberalen Änderungen an Staatskirchenverträgen und Konkordaten erforderlich sind, so ist dabei ein Einvernehmen mit den Kirchen zu suchen. Wenn ein Einvernehmen nicht erfolgt, so sind die Vereinbarungen in den Verträgen, die bestimmte Bekenntnisse privilegieren und somit dem Geist des Grundgesetzes widersprechen, einseitig zu kündigen. Die auf historischen Rechtstiteln beruhenden staatlichen Leistungsverpflichtungen sind endgültig aufzuheben. Bei zukünftigen Verträgen mit den Kirchen ist darauf zu achten, dass die Trennung von Staat und Kirche aufrechterhalten wird.

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