10.04.2010

Familie ist mehr!

Für uns Junge Liberale stehen der Mensch und seine Freiheit im Mittelpunkt jeglichen politischen Handelns. Zu dieser Freiheit gehört, dass Menschen in ihrer Lebenswirklichkeit selbstbestimmt zusammen leben können. Sie übernehmen gegenseitig Verantwortung füreinander, stehen in Notsituationen füreinander ein und gestalten und regeln ihr Leben eigenverantwortlich. Dieser Vorrang für Verantwortungsgemeinschaften vor dem Staat ist Kern einer liberalen Bürgergesellschaft. Seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland ist der Ehe und der Familie dieses Privileg eingeräumt worden. Doch heute haben Formen menschlicher Bindungen eine solche Vielfalt angenommen, dass Politik nicht mehr länger nur an den traditionellen Definitionen von Familie festhalten kann. Familie ist mehr! Politik muss der neuen Pluralität von Verantwortungsgemeinschaften Rechnung tragen.

Daher ist das Familienbild der Jungen Liberalen offen: Familie ist für uns nicht nur überall dort, wo Erwachsene dauerhaft Verantwortung für Kinder übernehmen, sondern auch dort, wo Erwachsene dauerhaft Verantwortung füreinander übernehmen. Nur dieses offene Familienbild wird der Wirklichkeit gerecht. Denn die Aufgaben der Familie übernehmen heute nicht mehr nur Lebensgemeinschaften von leiblichen Eltern mit ihren Kindern oder die Ehe samt klassischen Verwandtschaftsverhältnissen. In der Wirklichkeit von heute leben beispielsweise Alleinerziehende mit Kindern, Patch-work-Familien oder schwule oder lesbische Paare mit Kindern oder ohne Kinder. Aber auch Menschen ohne geschlechtliche Beziehung zueinander bilden auf Dauer angelegte Gemeinschaften, die auch aus mehr als zwei Personen bestehen können, um sich etwa die Unabhängigkeit von Alten- und Pflegeheimen zu bewahren oder um schlicht das Leben zusammen zu meistern. In all diesen Formen nehmen Menschen aus freier Entscheidung Verantwortung füreinander wahr und bilden Verantwortungsgemeinschaften. Sie füllen dabei das liberale Bild der Bürgergesellschaft mit Leben und zeigen welche Kraft die Gesellschaft entwickeln kann. Deshalb sind diese Verantwortungsgemeinschaften ebenso schutzwürdig wie die klassische Familie. Für den Schutz und die Förderung der klassischen Familie wie der modernen Familie im Sinne einer Verantwortungsgemeinschaft setzen wir uns ein. Der grundsätzliche Schutz durch Art. 6 ist entsprechend auf das Konzept der eingegangenen Verantwortungsgemeinschaft einzugrenzen.

Die Eingetragene Verantwortungsgemeinschaft

Um allen Formen der Verantwortungsübernahme aus freier Entscheidung gleichberechtigt die Übernahme von Rechten und die Auferlegung von Pflichten zu ermöglichen, setzen sich die Jungen Liberalen für die Schaffung des neuen Rechtsinstituts der Eingetragenen Verantwortungsgemeinschaft ein. Diese wird vor dem Standesamt geschlossen und wieder aufgelöst. Die Institution Ehe und die Institution Eingetragene Lebenspartnerschaft sollen in ihrer derzeitigen Form in der Eingetragenen Verantwortungsgemeinschaft aufgehen. Die Bezeichnung Ehe kann darüber hinaus weiterhin kirchlich sowie standesamtlich, unter Beibehaltung der bisherigen Strukturmerkmale, erworben werden, impliziert jedoch keine rechtliche Sonderstellung gegenüber anderen Verantwortungsgemeinschaften.

Verantwortungsgemeinschaften können auch von mehr als zwei Personen eingegangen werden. Man kann jedoch nur einer Verantwortungsgemeinschaft angehören. Grundsätzlich können nur volljährige Personen eine eingetragene Verantwortungsgemeinschaft begründen. Eine Verantwortungsgemeinschaft wird geschieden, wenn mindestens eine/r der Beteiligten dies beantragt. Für die Scheidung der Verantwortungsgemeinschaft ist die Feststellung des Scheiterns der Verantwortungsgemeinschaft nicht erforderlich. Besteht die Verantwortungsgemeinschaft zum Zeitpunkt der Scheidung aus zwei Personen, so handelt es sich um einen Antrag auf Auflösung der Verantwortungsgemeinschaft. Stellt eine Person den Antrag auf Scheidung aus einer Verantwortungsgemeinschaft mit mehr als zwei Personen, so scheidet diese Person aus der Verantwortungsgemeinschaft aus. Im Übrigen bleibt die Verantwortungsgemeinschaft mit den bisherigen Personen bestehen.

Kinder in Verantwortungsgemeinschaften

Die rechtliche Begründung eines Eltern-Kind-Verhältnisses ohne Rücksicht auf die biologische Abstammung, soll unverändert durch Adoption möglich sein. Annehmende einer Adoption können zwei Personen aus einer Verantwortungsgemeinschaft oder Einzelpersonen sein. Befindet sich der Annehmende mit einem Elternteil des Angenommenen in einer Eingetragenen Verantwortungsgemeinschaft , so soll eine vereinfachte Adoption analog zur heutigen Regelung der so genannten Stiefkindadoption möglich sein. Das Sorgerecht und der Elternstatus ist somit erst einmal unabhängig von der Zugehörigkeit zu einer Eingetragenen Verantwortungsgemeinschaft und muss gesondert angestrebt werden. Hier sollen alle bisherigen rechtlichen Bestimmungen unverändert weiter gelten.

Steuer- und Erbschaftsrecht

Solange die Erbschaftssteuer noch besteht, werden Verantwortungspartner behandelt wie bei derzeitiger Rechtslage Ehepartner. Jeder Erblasser kann frei über mögliche Erben in seinem Testament verfügen. Der Pflichtteil wird abgeschafft. Wurde kein rechtsgültiges Testament verfasst, so treten Verantwortungspartner an die gleiche Stelle in der Erbfolge wie bei derzeitiger Rechtslage Ehepartner.

Das Ehegattensplitting wird aufgehoben. Anstelle dessen tritt in Zukunft ein Modell der Individualbesteuerung verbunden mit der Möglichkeit der Reduzierung der jeweiligen Bemessungsgrundlage durch Übertrag der Grundfreibeträge von nicht erwerbstätigen Verantwortungspartnern bzw. Anrechnung der Betreuungskosten möglicher unterhaltsberechtigter Kinder innerhalb der Verantwortungsgemeinschaft. Der Gesamtübertrag an Grundfreibeträgen muss gedeckelt sein.

Unterhaltsrecht

Das Eingehen einer Verantwortungsgemeinschaft zieht nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten nach sich. So kann es im Falle von Auflösungen von Verantwortungsgemeinschaften (Scheidungen) zu Unterhaltsansprüchen kommen. Das derzeit geltende Unterhaltsrecht erachten wir JuLis in seinen Grundzügen als sinnvoll und damit auf die neuen Eingetragenen Verantwortungsgemeinschaften weiterhin anwendbar.

Kinder sind bei einer Trennung ihrer Eltern bzw. der sorgerechtsinhabenden Verantwortungspartner besonders schutzbedürftig, deshalb muss ihr Wohl an erster Stelle stehen. Ist nicht genügend Geld für alle Unterhaltsberechtigten vorhanden, sollen Kinder Vorrang vor allen anderen haben. Darüber hinaus muss die nachpartnerschaftliche Eigenverantwortung gestärkt werden. Geschiedene müssen eine zweite Chance haben, eine Familie zu gründen und damit auch zu finanzieren.

Unterhaltsberechtigt sind Kinder bis zu ihrem 18. Lebensjahr bzw. bis zum Ende ihrer Ausbildung (dies umfasst auch die Zeit eines Studiums inklusive Masterabschluss), jedoch höchstens bis zum Abschluss des 25. Lebensjahrs.

(Ex-)Verantwortungspartner, die für die Betreuung und Erziehung gemeinsamer (nicht zwangsläufig leiblicher) Kinder aufkamen oder auch nach der Auflösung noch immer aufkommen, erwerben entsprechende Unterhaltsansprüche. Die Staffelung der Ansprüche für geschiedene Verantwortungspartnern mit Kindern im Falle einer noch andauernden Betreuung und Erziehung sieht wie folgt aus:

  • Bis inklusive des dritten Lebensjahres des Kindes ist keine Erwerbstätigkeit zu verlangen. Daher ist die Person voll unterhaltsberechtigt.

  • Bis zum Eintritt des Kindes in die Sekundarstufe I der weiterführenden Schulen ist eine Halbtags-Erwerbstätigkeit zu verlangen. Daher ist die Person teilweise unterhaltsberechtigt.

  • Danach stehen der Kinder betreuenden Person keine direkten Unterhaltsansprüche aufgrund der Betreuung und Erziehung des/der Kindes/r zu.

In Verantwortungsgemeinschaften ohne Kinder sollen im Sinne der nachpartnerschaftlichen Eigenverantwortung Ansprüche nur noch über die Dauer des einjährigen so genannten Trennungsjahres gesetzlich gelten. Diese Unterhaltsansprüche sollen in deutlich begrenzter Höhe und nur bei tatsächlichem Bedarf (in der Regel Erwerbslosigkeit) gesetzlich vorgeschrieben sein. Weitergehende Unterhaltsansprüche können auf privatrechtlicher Ebene abgeschlossen werden (analog zu derzeitigen Eheverträgen).

Sozialrecht

Verantwortungsgemeinschaften werden bei der Bedarfsbemessung, unabhängig davon, ob gemeinsam oder getrennt lebend, gemeinsam erfasst. Ihr Bedarf wird daher für sie als Einheit ermittelt. Für pauschale Kürzung von Leistungen an Verantwortungsgemeinschaften aufgrund ihrer gemeinsamen Erfassung lehnen wir JuLis aus Gründen des Bürokratieabbaus und der Wahrung der Privatspähre ab. Verantwortungspartner kommen in Not- bzw. Bedarfssituationen füreinander subsidiär vor der Hilfe der Solidargemeinschaft auf. Eine Bedarfsgemeinschaft liegt jedoch ausschließlich im Falle von Eingetragenen Verantwortungsgemeinschaften vor. Weitergehende Mutmaßungen des Staates, der Gerichte oder der Sozialbehörden über das Vorhandensein von Verantwortungsgemeinschaften sind ausdrücklich nicht mehr möglich.

Sonstige Rechtsnormen

Alle nicht hier angeführte Rechtsnormen, die bisher Ehepaaren bzw. Ehepartnern besondere Rechte und Pflichten auferlegen, sollen unverändert sinngemäß für alle Verantwortungsgemeinschaften gelten. Wir wollen im Rahmen dessen unter anderem folgende Rechte auf eingetragene Verantwortungsgemeinschaften übertragen:

  • das Namensrecht

  • das Zeugnisverweigerungsrecht

  • das Besuchsrecht

  • das Auskunftsrechts

  • das Umgangsrecht

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