Ob schlecht oder überhaupt nicht digitalisierte Verwaltungsvorgänge, aus der Zeit gefallene Verordnungen, Normen und Gesetze, gut gemeinte Einzelfallbetrachtungen oder Gefälligkeitsregelungen für Partikularinteressen: Deutschland erstickt in Bürokratie. Sie belastet Bürger und Unternehmen nach den neuesten Zahlen des Normenkontrollrates mit einem Erfüllungsaufwand von insgesamt einmalig 23,7 Mrd. € und wiederkehrend jährlich 9,3 Mrd. €.
Wir Junge Liberale wollen einen schlanken, effizienten und einfachen Staat. Keine Liste von Maßnahmen zur Entbürokratisierung kann jemals vollständig sein. Wichtig ist es aber, den ersten Schritt zu gehen. Wir wollen keine folgenlose Ankündigungskultur, sondern den Bürokratieabbau einfach machen.
Bürokratie bekämpfen, bevor sie entsteht
Der Staat muss den Menschen dienen, nicht umgekehrt. Da wo Staatstätigkeit und das Schaffen eines Ordnungsrahmens notwendig sind, muss er in seiner Konzeption die Erfahrung von Praktikern mit einbeziehen und stets die Gesamtbelastung mit Bürokratie im Auge behalten. Die öffentliche Verwaltung muss sich als Dienstleister und Partner der Bürger und Unternehmen verstehen. Zu diesem Mentalitätswandel beitragen sollen die folgenden Forderungen:
- Normenkontrollräte sind von interdisziplinären Experten besetzte Beratungsgremien, die sich für gute Gesetzgebung und weniger Bürokratie einsetzen. Den Nationalen Normenkontrollrat (NKR) wollen wir zu einer Kontrollinstanz weiterentwickeln und deutlich stärken. Analog zu der Ausweisung der Kosten, sollen dem Bundestag zu jedem Gesetzentwurf eine vom NKR verantwortete Darstellung des zu erwartenden Erfüllungsaufwandes für Bürger und Unternehmen und mögliche, bürokratieärmere Alternativvorschläge vorgelegt werden.
- Um den Bürokratieabbau zu verstetigen und den Erfüllungsaufwand kontinuierlich abzubauen, setzen wir uns für das “One in, two out”-Prinzip ein, nach dem bei Einführung einer Vorschrift mindestens zwei bestehende Vorschriften im selben Politikfeld abzuschaffen sind.
- Wir fordern die Einführung des Once-Only-Prinzip als Basis für die Nutzung von vereinheitlichten Anträge sowie Antragsprozesse, um Bürgern wie auch Unternehmen einen erhöhten Zeitaufwand aufgrund der sich immer wieder wiederholenden Angabe gleicher Nutzerdaten zu ersparen.
- Die Anpassung an neue oder veränderte Regulierung stellt Unternehmen vor große Herausforderungen. Wir wollen, dass zwischen der Verabschiedung neuer Bürokratie und ihrem Inkrafttreten im Regelfall mehrjährige Karenzzeiten gelten, deren genaue Dauer auf Grundlage einer Empfehlung des Normenkontrollrates durch den Gesetzgeber festgelegt wird.
- Von der Europäischen Union verabschiedete Richtlinien sollen in Deutschland im Regelfall auf Minimalniveau in nationales Recht übersetzt werden.
- Für alle neu eingeführten Steuern, Subventionen, Verordnungen und Gesetze sollen im Regelfall Sunset-Fristen von fünf Jahren gelten. Nach Ablauf der Frist muss die entsprechende Maßnahme aktiv neu beschlossen/erlassen werden.
Entfesseln wir Deutschlands Potential
Eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik schafft Chancen für Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Selbstständige und ist die beste Sozialpolitik. Damit Deutschland seiner gegenwärtigen Wachstumsschwäche (auch im Vergleich zu anderen Industrienationen) entkommen kann, brauchen wir nicht etwa einen aktiveren Staat, sondern weniger Vorgaben, die Beschäftigung erschweren und den Erfüllungsaufwand für Unternehmen in die Höhe schrauben. Bürokratieabbau ist das beste Konjunkturpaket. Idealerweise braucht es auf allen staatlichen Ebenen Entfesselung. Folgende Maßnahmen sollten in einem ersten Schritt ergriffen werden:
- Die gegenwärtige Arbeitsmarktsituation stärkt Arbeitnehmer in der Wahrung ihrer Interessen, insbesondere bei hoher Qualifikation. Es ist deshalb höchste Zeit, mehr Vertragsfreiheit im Arbeitsrecht zu wagen. Das Arbeitszeitgesetz soll statt einer Tages- eine wöchentliche und monatliche Höchstarbeitszeit und flexible Regeln für Pausen und Ruhezeiten vorsehen. Die EU-Arbeitszeitrichtlinie wollen wir abschaffen und das Modell der sog. Vertrauensarbeitszeit stärken. Zusätzlich fordern wir die Aufhebung von Arbeitsverboten an Sonn- und Feiertagen, sowie die Flexibilisierung der Pausenregelungen wie bspw. die ununterbrochene Ruhezeit von elf Stunden. Wir begrüßen an dieser Stelle die geplante Einführung digitaler Arbeitsverträge.
- Eine Lockerung des Kündigungsschutzes soll kleine Unternehmen entlasten. Wir unterstützen das Kurzarbeitergeld als Mittel, um Entlassungen aufgrund von konjunkturellen Schwankungen zu verhindern. Der Auf- und Abbau von Belegschaft muss aber erleichtert werden, damit Unternehmen wettbewerbsfähig bleiben und auf technologischen Fortschritt reagieren können. Deshalb sollte das Kündigungsschutzgesetz erst bei Betrieben mit 15 Mitarbeitern greifen und die Sonderregeln für Massenentlassungen sollten erst bei einer Anzahl von 30 Mitarbeitern gelten.
- Weiter fordern wir die Abschaffung der Steuerklasse VI, die die Aufnahme einer zusätzlichen Beschäftigung durch einen erhöhten Grenzsteuersatz bestraft und den Arbeitnehmer im Rahmen der Steuererklärung nur noch mehr belastet. Stattdessen sind jedwede Erwerbseinkommen der selben Steuerklasse zuzuordnen.
- Die geplanten und gegenwärtigen Regelungen zum Lieferkettengesetz stellen keine geeignete und verhältnismäßige Regulierung dar, weder in ethischer noch in wirtschaftlicher Hinsicht. Wir JuLis fordern daher den Stopp des europäischen Lieferkettengesetzes und lehnen auch äquivalente nationale Ansätze wie das deutsche Lieferkettengesetz ab. Bereits erfolgte Umsetzungen sollen zeitnah abgeschafft werden. Für die Verbesserung von Arbeitsstandards soll sich der deutsche Staat in internationalen Organisationen, wie der ILO, einsetzen.
- Um das Bafög für die Aus- und Weiterbildung der Fachkräfte von morgen zu entbürokratisieren, wollen wir es unabhängig von Vermögen und den finanziellen Verhältnissen der Eltern machen. Es soll zudem in jedem Fall vollständig digital zu beantragen sein. Jede Entwicklung des Bafög zu einer reinen Transferleistung (bspw. durch die einseitige Anhebung der nicht rückzahlungspflichtigen Bestandteile) lehnen wir in diesem Zusammenhang ab.
- Wir fordern die einheitliche Verkürzung von Aufbewahrungszeiten von Belegen nach dem Steuer-, Handels- und Sozialversicherungsrecht auf 5 Jahre. Zudem sollten Unternehmen generell nicht mehr dazu verpflichtet sein, Unterlagen auch in analoger oder sonstiger nicht ausschließlich digitaler Form vorzuhalten.
- Die Rückkehr zur nachgelagerten Fälligkeit von Sozialversicherungsbeiträgen für Unternehmen. Der Umstand, dass die Sozialversicherungsbeiträge schon vor Monatsende überwiesen werden müssen, führt regelmäßig zu einem hohen Mehraufwand bei Unternehmen, falls sich während eines Monats Änderungen ergeben.
- Die Gesetzgeberische Konkretisierung der “Angemessenheit” von Kosten der Unterkunft und Heizung als Teil der existenzsichernden Leistungen nach dem SGB II und SGB XII mit festen Kriterien zur Verhinderung zahlreicher Widersprüche und Klagen. Somit stellen wir eine einheitliche Gesetzesanwendung der Ämter sicher und schaffen rechtssichere Entscheidungen, die Gerichte und Verwaltungen nicht durch etwaige Verfahren belasten.
- Keine verpflichtende Erfassung von Arbeitszeiten gemäß neuester Rechtsprechung, sondern Beibehaltung einer auf Vertrauen basierenden Erfassung. Unternehmen und Arbeitnehmer sollen etwaige Regelungen selbst festlegen.
- Die Auslotung der Rechtmäßigkeit und potenzielle Einführung von Zustimmungsfiktionsklauseln für die Änderung von AGB im Bankbereich hinsichtlich wesentlicher Vertragsbedingungen, um so die Selbstbestimmung der Kunden durch ein nachlaufendes, aber ex tunc wirkendes Widerspruchsrecht abzusichern. Sollte dies angesichts widersprechender Rechtsprechung des EuGH nicht möglich sein, fordern wir, dass sich Deutschland auf unionaler Ebene für die Änderung der relevanten Klausel-Richtlinie einsetzt.
- Die Homogenisierung der Gewerbesteuerbescheide nach einheitlichen Muster wie im Rahmen der Bundessteuern. Derzeit variieren die Formate je nach Kommune. Das verhindert einfachere Lösungen für das Einreichen und schafft unnötigen Kostenaufwand.
- Die Abschaffung von A1-Bescheinigungen bei Dienstreisen. Für viele Geschäftsreisende ist es nicht nur ein bürokratischer Aufwand, sondern ein massives Ärgernis, das noch dazu teuer werden kann. Was als Schutz für die Ausbeutung von Arbeitnehmern gedacht war und wofür es in vielen Bereichen sicher gute Gründe gibt, ist für Geschäftsreisende nicht zu rechtfertigen.
- Abgaben für die Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung sollen zukünftig an eine zentrale Einzugsstelle abgeführt werden. Bisher müssen Unternehmen die Beiträge an die jeweilige Krankenkasse ihrer Beschäftigten entrichten.
- Die Kleinunternehmergrenze nach § 19 UStG, bei der keine Umsatzsteuer erhoben wird und der Verwaltungsaufwand reduziert ist, wollen wir deutlich anheben. Ab 2026 soll die Kleinunternehmergrenze um die Inflationsrate jährlich angehoben werden. Zusätzlich sollen die nach dem Handelsgesetzbuch festgelegten monetären Schwellenwerte zur Einordnung der Größenklassen von Kapitalgesellschaften in regelmäßigen Intervallen der Inflation angepasst werden.
- Im Handel verfügbare Produkte unterliegen Einschränkungen für ihre Produktbezeichnung. Dabei stellt der Schutz von einzelnen Begriffen in der Praxis für die Konsumentinnen und Konsumenten keinen nennenswerten Mehrwert dar. Daher fordern wir die weitestgehende Aufhebung der Einschränkungen zur Produktbezeichnung der EU-Verordnung Nr. 1308/2013. Die Beschränkung soll sich darauf reduzieren, dass der Inhalt für den Verbraucher klar erkennbar ist.
- Im Bereich der Wertpapierberatung soll die Ex-Ante Kostensimulation, die dem Kunden derzeit bei jedem Wertpapierkauf auf Papier ausgestellt werden muss, zukünftig digital ausgestellt werden dürfen. Die „Wesentlichen Anlegerinformationen“ sollen dem Anleger aus Gründen der Transparenz weiterhin zugänglich gemacht werden, hierbei soll jedoch der Verweis auf dauerhafte und direkt zugängliche Informationen der Fondsgesellschaft genügen. Die Möglichkeit, diese in Schriftform zu erhalten, bleibt für den Kunden optional.
- Steuern sollen der Staatsfinanzierung dienen, nicht der Steuerung von Verhalten. Aus diesem Grund setzen wir uns für die Abschaffung aller Bagatellsteuern auf Bundes- und Landesebene (wie der Schaumwein-, Kaffee- oder Branntweinsteuer) ein.
- Wir fordern die ersatzlose Abschaffung der zum 01.01.2020 eingeführten Belegausgabepflicht, umgangssprachlich besser bekannt als Bonpflicht. Das Recht auf die Ausgabe eines Belegs auf Wunsch wird davon nicht berührt. Die TSE-Pflicht für elektronische Kassen nach §146a Abs. 2 AO soll dabei bestehen bleiben.
- Nachhaltigkeit entsteht durch kluge Investitionen in Innovationen, die durch die Kräfte des Marktes effizient allokiert werden und nicht durch undurchsichtigen Bürokratismus. Die ab 2025 für Unternehmen verpflichtende Nachhaltigkeitsberichterstattung ist abzuschaffen, da sie lediglich Aufwand verursacht und kaum greifbare Aussagen über die Nachhaltigkeit gibt. Ferner stellt sie für den deutschen Mittelstand eine gleichermaßen teure sowie aufwendige Bürokratiemaßnahme dar.