27.11.2021

Bekämpfung der Coronapandemie im Winter 2021/22

Die Zahl der Infektionen mit dem Coronavirus sowie auch die Zahl der hierauf zurückführenden Hospitalisierungen ist stark angestiegen. Die Politik hat mit der Novelle des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) und dem Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) vom 18.11.2021 einen neuen rechtlichen wie politischen Rahmen für die Bekämpfung der Pandemie geschaffen.

Wir Junge Liberale erkennen das breite Spannungsfeld bei der rechtlichen und politischen Bewertung der Maßnahmen zur Bekämpfung der Coronapandemie an. Der Staat ist durch das Grundgesetz verpflichtet, die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger zu achten und zu schützen. In einer Pandemie bedeutet dies erstens, dass der Staat verhältnismäßige Maßnahmen ergreifen muss, um den Bürgerinnen und Bürgern einen ausreichenden Eigenschutz gegen eine Infektion mit dem Coronavirus zu ermöglichen. Eine Überlastung des Gesundheitssystems beschränkt nicht nur das Recht auf Leben und Gesundheit der Menschen, die sich mit dem Coronavirus infizieren, sondern auch der Menschen, die aus anderen Gründen medizinischer Hilfe bedürfen. Deshalb genügt der ausschließliche Verweis auf die Eigenverantwortung diesbezüglich nicht. Da absehbar ist, dass das Gesundheitssystem in einigen Regionen in naher Zukunft voraussichtlich überlastet sein wird, besteht Handlungsbedarf.

In der liberalen Abwägung sind die Freiheitsrechte aller Betroffenen zu berücksichtigen. Dazu gehört auch das Recht auf körperliche Unversehrtheit von Kindern und vulnerablen Gruppen sowie der Schutz der Freiheitsrechte der Geimpften und Genesenen, aber auch wirtschaftliche und soziale Freiheiten. Wir sehen mit Sorge, dass Krankenhäuser überlastet sind, Absagen für Behandlungen ausgelöst werden, Gesundheitskräfte demoralisiert und weitere Einschränkungen für viele notwendig werden. Insofern ist die Entscheidung über den Impfschutz keine reine Privatsache. Wir Liberalen halten die Corona-Impfung für eine ethische Pflicht jedes Einzelnen.

Der Schutz des Lebens gilt unter dem Grundgesetz nicht absolut. Einen absoluten Schutz kennt das Grundgesetz nur für die Würde des Menschen. Deshalb müssen alle Freiheitseinschränkungen, die zur Bekämpfung der Pandemie ergriffen werden, in einem angemessenen Verhältnis zu ihrem Nutzen stehen. Darüber hinaus hat jedes Grundrecht einen Wesensgehalt, der als Ausdruck der Menschenwürde unantastbar ist. Die vergangenen Lockdowns haben die allgemeine Handlungsfreiheit, die Gesundheit, die Bewegungsfreiheit, die Berufsfreiheit, die Kunstfreiheit, die Vereinigungsfreiheit und die Versammlungsfreiheit stark eingeschränkt. Gerade junge Menschen haben unter der Bekämpfung der Pandemie enorm gelitten. Für uns ist klar, dass sich dies nicht wiederholen darf. Die Pandemie muss bekämpft werden, aber das Leben darf nicht lahmgelegt werden. Konkret fordern wir Junge Liberale daher:

  1. Entscheidungshoheit der Parlamente: Wir begrüßen, dass die epidemische Lage von nationaler Tragweite nicht verlängert wurde und die Entscheidungen über Grundrechtseingriffe damit zurück in die Parlamente kehren, wo sie hingehören.
  2. AHA-Regel: Die Abstands- und Hygieneregeln sowie die grundsätzliche Pflicht zum Tragen einer medizinischen Maske in öffentlichen Innenräumen soll beibehalten werden.
  3. Strenge Anforderungen an die Befreiung: Die Befreiung von der Maskenpflicht oder der Impfung (bspw. beim Zugang zu 2G-Veranstaltungen) bedarf eines befristeten amtsärztlichen Attests.
  4. Kostenlose Schnelltests: Wir begrüßen die Wiedereinführung der kostenlosen Schnelltests. Dabei soll es möglich sein, täglich einen kostenlosen Schnelltest in Anspruch zu nehmen. Zudem müssen die Kapazitäten für PCR-Tests ausgeweitet und die Wartezeit bis zum Ergebnis verkürzt werden. Kontaktpersonen sollten sich grundsätzlich auch ohne Symptome kostenlos mit einem PCR-Test testen lassen können. Ausreichende PCR-Testmöglichkeiten müssen auch am Wochenende und auch im ländlichen Raum geschaffen werden. Auf einer übersichtlichen Internetseite und in der Corona-Warn-App ist allen Bürgerinnen und Bürgern in leichter Sprache darzustellen, unter welchen Voraussetzungen sie Anspruch auf einen kostenlosen PCR-Test haben und wo sie diesen durchführen lassen können.
  5. Verbindliches staatliches Impfangebot sicherstellen: Die Impfkampagne der scheidenden Bundesregierung war unzureichend. Jetzt müssen zügig neue Impfangebote für Erst- und Zweitimpfungen sowie Booster-Impfungen geschaffen werden, die sich an alle Gruppen richten, für die ein zugelassener Impfstoff verfügbar ist, unabhängig von der Existenz einer expliziten Impfempfehlung durch die STIKO. Mobile Impfteams müssen flächendeckend in Supermärkten, Clubs, Schulen und Universitäten und anderen öffentlichen Einrichtungen im Einsatz sein. Ärztinnen und Ärzte müssen von Bürokratie befreit, die Impfzentren auf Volllastbetrieb wiederhochgefahren und auch Apotheken muss das Impfen gestattet werden. Die Impfzentren sind hierbei nicht wieder abzubauen, damit eine schnelle Wiedereinsetzung gewährleistet ist. Denn jetzt, wo ausreichend Impfstoff verfügbar ist, kommt es darauf an, ihn auch schnell genug zu verimpfen. Über eine Internetseite und eine gebührenfreie Telefonhotline soll es möglich sein, schnellstmöglich an einen Impftermin in der Nähe zu gelangen. Zudem müssen insbesondere Risikogruppen direkt angesprochen werden, indem ihnen wie in Spanien ohne eigenes Zutun ein Impftermin angeboten wird. Nach dem Vorbild Großbritanniens über mobile Impfteams gezielt in sozial schwachen Wohngebieten und Wohngebieten mit hohem Migrationsanteil Impfangebote zu machen. Diese Impfteams müssen dementsprechend mit Dolmetschern ausgestattet werden, um Sprachbarrieren zu überwinden. Die durchgeführten Impfungen sollen ohne vorherige Anmeldung möglich gemacht werden. Schnellstmöglich sind die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, um allen Personen in Deutschland automatisch einen Impftermin anzubieten, mit der Option diesen unkompliziert zu verschieben, sobald eine Auffrischimpfung nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft geboten ist. Hierzu sind digitale und analoge Kontaktmöglichkeiten zu nutzen. Auf diese Weise sind auch ungeimpfte Personen in regelmäßigen Abständen zu kontaktieren.
  6. 3G, 2G und 2G plus: Wir begrüßen die im IfSG vorgesehene Möglichkeit der Bundesländer den Zugang zu Orten, an denen ein erhöhtes Infektionsrisiko besteht, auf vollständig Geimpfte, Genesene und Negativgetestete zu beschränken sowie die Möglichkeit der Verschärfung auf 2G und 2G plus. Dies darf jedoch nur bei einem höheren Infektionsgeschehen in der Kommune der Fall sein. Für Kinder und Jugendliche muss auch im Rahmen der 2G oder 2G plus-Regel ein negativer Schnelltest beziehungsweise die regelmäßige Testung in der Schule genügen.
  7. Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen: Die Jungen Liberalen befürworten eine Impfplicht für Personen, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit regelmäßigen Kontakt zu vulnerablen Gruppen haben, also insbesondere in Alten- und Pflegeheimen tätig sind.
  8. Mehr Tempo bei der Grippeschutzimpfung: Um eine zusätzliche Belastung der Krankenhäuser zu verhindern, muss auch das Tempo bei den Grippeschutzimpfungen beschleunigt werden. Auch hier sind Apotheken einzubinden und Risikogruppen direkt anzusprechen.
  9. Effektivere Kontaktnachverfolgung: Die Gesundheitsämter müssen digitalisiert werden, einen Schichtbetrieb einrichten und bei Personalengpässen Amtshilfe durch die Bundeswehr sowie Unterstützung durch Freiwillige in Anspruch nehmen. Der Bund hat hierfür ein Portal zur zentralen Freiwilligenmeldung zu stellen. Die für die Kontaktnachverfolgung entwickelte und in afrikanischen Ländern erfolgreich eingesetzte Software SORMAS muss bis zum Jahr 2022 in allen Gesundheitsämtern ausnahmslos im Einsatz sein. Den weiteren Einsatz der Luca-App oder vergleichsweisen Applikationen lehnen wir ab. Stattdessen soll flächendeckend die Corona-Warnapp zur Kontaktnachverfolgung eingesetzt werden.
  10. Wertschätzung der Pflege: Die Pflegekräfte in Deutschland erbringen während der Pandemie eine herausragende Leistung. In der aktuell sehr herausfordernden Situation in den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen wollen wir diesen Einsatz anerkennen. Wir begrüßen die Forderung im Koalitionsvertrag die Steuerfreiheit des Pflegebonus auf 3.000 Euro anheben und hierfür 1 Milliarde Euro zur Verfügung zu stellen.
  11. Mehr Intensivkapazitäten: Alle Möglichkeiten, um zusätzliche Intensivplätze zu schaffen, sind auszuschöpfen. Hierzu sind auch attraktive Rahmenbedingungen für ehemalige oder pensionierte Ärztinnen und Ärzte, Pflegekräfte und Studierende der Medizin zu schaffen. Bereits jetzt sind Vorbereitungen für die mögliche Verlegung von Patientinnen und Patienten in andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu treffen. Die medizinische Versorgung erkrankter Personen darf nicht einseitig zugunsten von Personen eingeschränkt werden, die an Covid-19 erkranken. Die Intensivstationen dienen der medizinischen Versorgung der gesamten Bevölkerung, nicht nur von Corona-Infizierten. Geplante Operationen und andere medizinische Behandlungen, bei deren Verschiebung irreversible, erhebliche körperliche Beeinträchtigungen eintreten oder das Überlebensrisiko sinkt, dürfen nicht abgesagt werden.
  12. Schutz vulnerabler Gruppen: Die Ausweitung der Testpflicht für den Zutritt zu sensiblen Einrichtungen wie Alten- und Pflegeheimen zum Schutz vulnerabler Gruppen begrüßen wir.
  13. Werben für eine Impfung: Für das Impfen muss endlich umfangreich und kontinuierlich geworben werden. Als Junge Liberale sprechen wir uns dafür aus, dass bei jedem Gang zum Hausarzt oder einer kommunalen Verwaltung, Informationen über das Impfen an die Bürgerinnen und Bürger ausgegeben werden. Zudem müssen zusätzliche Gelder für Werbeflächen, sowohl im analogen als auch digitalen Raum, auf den Weg gebracht werden.
  14. Homeoffice-Plicht: Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sollen verpflichtet bleiben, ihren Beschäftigten die Möglichkeit von Homeoffice und mobilem Arbeiten anzubieten, soweit keine verhältnismäßig übergeordneten betrieblichen Gründe entgegenstehen. Die 3G-Regel am Arbeitsplatz begrüßen wir.
  15. Geistiges Eigentum sichern: Darüber hinaus setzen wir uns dafür ein, dass der Patentschutz für die Corona-Impfstoffe erhalten bleibt. Die Sicherung des geistigen Eigentums spielt eine Schlüsselrolle für neue Innovationen.
  16. Luftfilter und Hygiene in Kitas, Schulen und Hochschulen: Um das Infektionsrisiko in Bildungseinrichtungen zu minimieren, muss der Bund die finanziellen und rechtlichen Rahmenbedingungen für eine zügige Anschaffung von Luftfiltern in Kitas, Schulen und Hochschulen schaffen. Zusätzlich muss gewährleistet sein, dass auf jeder Toilette ausreichend Seife und warmes Wasser zur Verfügung steht, um die Hygieneregeln wirksam einhalten zu können.
  17. Keine Grundrechtseinschränkungen für Geimpfte und Genesene, soweit sie getestet sind: Personen, die vollständig geimpft oder genesen sind, und zusätzlich getestet sind, dürfen in ihren Grundrechten nicht eingeschränkt werden. Lediglich minimalinvasive Einschränkungen wie die Maskenpflicht in Bereichen, wo der Impf- oder Genesenenstatus schwer kontrollierbar ist, dürfen zulässig sein. Die Gültigkeitsdauer des Geimpft- oder Genesenennachweises muss sich nach den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen richten. Bei abnehmender Wirksamkeit des Impfstoffs kann die Gültigkeit zeitlich begrenzt und die Fortdauer an die Durchführung einer Drittimpfung geknüpft werden.
  18. Kein Bildungslockdown: Kitas, Schulen und Hochschulen dürfen nicht geschlossen werden. Ihre erneute Schließung hätte schwerwiegende Folge für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen und muss daher ausgeschlossen sein. Ebenfalls dürfen Kinder und Jugendliche durch Zugangsbeschränkungen (2G, 2G plus) nicht in ihrer Freizeit beeinträchtigt werden. Kindern, dessen Familien bedürftig sind, sind zwingend entsprechende Endgeräte zur Unterrichtsteilnahme zu stellen, sollten diese unter Quarantäne stehen oder der Unterricht aus anderen Gründen digital beziehungsweise hybrid erfolgen. Der Antrag hierfür muss unbürokratisch und unverzüglich bearbeitet werden, kann entsprechend auch mündlich erfolgen.
  19. Kein genereller Lockdown: Die grundsätzliche Schließung von Gastronomie, Gewerbe, Hotellerie, Einzelhandel, (körpernaher) Dienstleistungen, Sport und insbesondere der Sportausübung, Freizeit- und Kultureinrichtungen einschließlich Clubs und Bars ist auszuschließen. Die Möglichkeit der örtlichen Gesundheitsbehörden auf lokale Ausbrüche mit örtlich begrenzten Maßnahmen zu reagieren, bleibt davon unberührt. Einzige Rechtsgrundlage für derartige Einschränkungen kann ein Beschluss des jeweiligen Landtags zur Anwendung der Länderöffnungsklausel des IfSG sein. Eine Verschärfung besagter Klausel, um zusätzliche Maßnahmen zu ermöglichen, lehnen wir ab. In keinem Fall darf es zu erneuten Ausgangsbeschränkungen kommen, Reisebeschränkungen innerhalb der Europäischen Union sind unbedingt zu vermeiden. Hierzu ist insbesondere der Reiseverkehr zwischen Mitgliedstaaten der Europäischen Union und Virusvariantengebieten zu beschränken.
  20. Kontaktbeschränkungen: Kontaktbeschränkungen gehören zu den grundrechtsinvasivsten Mitteln der Pandemiebekämpfung. Gleichzeitig können sie sehr effektiv sein. Ihre Effektivität ist aufgrund der begrenzten Kontrollkapazitäten der Behörden jedoch von der Akzeptanz und Mitwirkung der Bevölkerung abhängig. Vor diesem Hintergrund stehen wir Kontaktbeschränkungen skeptisch gegenüber und erachten sie ausschließlich als ultima ratio zur Abwendung einer Überlastung des Gesundheitssystems für zulässig. Vollständig Geimpfte und Genesene müssen von Kontaktbeschränkungen ausgenommen sein. Zwar besteht auch hier ein (deutlich geringeres) Infektionsrisiko, aber die Wahrscheinlichkeit einer Hospitalisierung und damit einem Beitrag zur Überlastung des Gesundheitssystems ist zu gering, um derart einschneidende Maßnahmen zu rechtfertigen. Ebenso müssen Kinder und Jugendliche von Kontaktbeschränkungen ausgenommen werden. Dies ist auf die regelmäßigen Testungen im Schulbetrieb, das geringe Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs und die einschneidenden Folgen für die psychische und physische Gesundheit zurückzuführen.
  21. Keine Alkoholverbote: Alkoholverbote im öffentlichen Raum, Schankverbote und Sperrstunden leisten keinen Beitrag zur Pandemiebekämpfung und sind daher auszuschließen.
  22. Regionale Differenziertheit: Alle Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie müssen regional differenziert sein, denn das Infektionsgeschehen und die Hospitalisierungsrate in den Bundesländern unterscheiden sich stark.
  23. Bessere Regeldurchsetzung: Durchsetzung und Kontrolle der Regeln sind zu verbessern.

Alle Corona-Maßnahmen müssen zeitlich befristet sein und in absehbarer Zeit aufgehoben werden.

Sunset-Klausel: Als Reaktion auf die COVID-19-Pandemie läuft dieser Beschluss automatisch bei Eröffnung des 64. Bundeskongresses der Jungen Liberalen aus.

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