Der deutsche Markt für Energie befindet sich im Umbruch. Mit etwa 37% hat die
Energiegewinnung den mit Abstand größten Anteil am deutschlandweiten CO2
Ausstoß. Über die Reduzierung der Emissionen wird seit Jahren gestritten. Dieser
Sektor unterliegt bereits seit Jahren dem Zertifikatehandel und kann dabei erhebliche
Erfolge in der Reduktion der CO2-Emissionen vorweisen.
Gegenwärtig steht Deutschland gleichermaßen vor wirtschaftlichen, sozialen und
internationalen sicherheitspolitischen Herausforderungen. Nach deutlichen
Preisanstiegen in den vergangenen Jahren nahm die Akzeptanz für neue
energiepolitische Maßnahmen deutlich ab. Bezahlbare Energie ist ein essenzieller
Baustein des Wirtschaftsstandorts und für den Wohlstand der Bürgerinnen und
Bürger. Auch in Hinsicht auf geopolitische Herausforderungen besteht für die
Bundesrepublik eine hohe Notwendigkeit, die Energiegewinnung neu zu gestalten
um die Versorgungssicherheit auch weiterhin zu gewährleisten. Dies gewinnt vor
allem mit Hinblick auf die Dekarbonisierung durch Elektrifizierung des Wohn-,
Verkehrs- und Industriesektors zunehmend an Bedeutung. Die Umstellung auf
beispielsweise Wärmepumpen, der Ausbau der Ladeinfrastruktur und Veränderung
von Industrieprozessen, wird erhebliche Mengen CO2-neutraler Energie benötigen,
wenn sie nachhaltig sein soll. Solar- und Windenergie stellen durch ihre
Erzeugungsschwankungen eine besondere Herausforderung für das bisherige
Stromnetz dar, welches auf die konstante Energieverteilung ausgerichtet ist. Mit
zunehmendem Ausbau erneuerbarer Energien wird sich somit die Problemstellung
verändern, nicht nur die Erzeugung, auch die Verteilung und Speicherung will
sichergestellt sein. Die Neugestaltung der Energieegewinnung braucht eine liberale
Politik.
Energiehandel
Eine wirtschaftliche und sozialverträgliche Energiewende kann nur unter Mithilfe von
marktwirtschaftlichen Instrumenten gelingen. Das wichtigste Instrument zur
Transformation der Energiegewinnung ist die Bepreisung von CO2 Emissionen
durch die Implementierung eines Marktsystems für den Handel mit Emissionsrechten
(Zertifikatehandel). Darüber hinaus soll die Entwicklung durch gezielte
Rahmensetzungen unterstützt werden.
Für eine effiziente und bezahlbare Energiewende ist es notwendig, dass der Strom
zu einem möglichst großen Anteil dort produziert wird, wo er auch verbraucht wird.
Mittelfristig sollen unterschiedliche lokale Beschaffungspreise für Strom in
Deutschland möglich sein. Den europäischen Standard, regionaler Strompreiszonen
wollen wir in Deutschland zügig umsetzen. Regionen, welche mit ihrer
Stromerzeugung bereits zu sinkenden Strompreisen beitragen, sollen davon
profitieren, anstatt aufgrund der Netzentgeltgebühren für den Transport in andere
Regionen bestraft zu werden.
Die zunehmende Erzeugung von erneuerbaren Energien schafft eine günstigere,
jedoch weniger konstante Energieversorgung. Für eine effizientere Nutzung der
Kapazitäten sollen die nötigen Voraussetzungen geschaffen werden, zeitlich
dynamische Strompreise als Standard zu implementieren.
Direkte Bürgerbeteiligung an der Energiegewinnung
Der Ausbau erneuerbarer Energien, insbesondere der Windkraft, hat Auswirkungen
auf die Lebensqualität und Umwelt der Anwohnerinnen und Anwohner. Zu
Steigerung der Akzeptanz der lokalen Stromerzeugung soll es künftig deutlich
vereinfacht werden, betroffene Personen und Kommunen an lokalen
Energieprojekten (bspw. Bürgerstrom o.Ä.) finanziell zu beteiligen. Um dies zu
erleichtern, fordern wir, dass das Land Referenz-Verträge schafft, um den
Genehmigungs- und Beteiligungsprozess zu vereinfachen. Die Bürgerinnen und
Bürger sollen auch die Möglichkeit haben, in Windkraftfonds mit Bürgerbeteiligung zu
investieren.
Wir Junge Liberale begrüßen die geplanten Erleichterungen für die Inbetriebnahme
kleiner PV-Anlagen („Balkonkraftwerke“) des „Solarpaket 1“. Dazu gehören in
diesem Zusammenhang insbesondere die Abschaffung der Meldepflicht beim
Netzbetreiber, die vorrübergehende Duldung rückwärts laufender Stromzähler, sowie die legale Nutzung von Schuko-Steckern.
Darüber hinaus fordern wir, dass zukünftig die eigene Stromerzeugung mittels kleiner
PV-Anlagen bis zu einer Gesamtanlagenleistung von maximal 1 kWp zulässig ist.
Anlagen zur Erzeugung und/oder Speicherung größtenteils selbst genutzter
erneuerbarer Energien sollen weiterhin durch günstige Kreditangebote der KfW
gefördert werden.
Die Nutzung von Stromspeichern gewinnt zunehmend an Bedeutung, um
Schwankungen im Stromnetz auszugleichen und erneuerbare Energien effizient zu
integrieren. Wir als Liberale sehen in der Einbindung von Bürgerinnen und Bürgern, als Prosumer einen Schlüssel für eine stärkere Akzeptanz für die Dekarbonisierung
des Energiesektors.
Das aktuelle Regelwerk für die Behandlung von Stromspeichern, insbesondere im
Bereich der Privatpersonen, soll dabei vereinfacht werden. Jedoch ist die derzeitige
Doppelbesteuerung von Stromspeichern eine unverhältnismäßige Belastung für
diejenigen, die sich für den Einsatz von Speichertechnologien engagieren. Wir
fordern daher eine zügige Abschaffung dieser Doppelbesteuerung, um Investitionen
in Stromspeicher zu erleichtern und die Energiewende weiter voranzutreiben.
Bürgerinnen und Bürgern muss es ermöglicht werden, ihre Speicherkapazität auf
einfache Art und Weise dem Markt anzubieten. Dies beinhaltet auch die Einspeisung
durch mobile Energiespeicher, wie beispielsweise E-Autos.
Staatliche Beiträge zur Energiegewinnung
Fortan soll die Errichtung von Solaranlagen sowie Solarthermie auf und an
Kulturdenkmälern im öffentlichen Besitz vereinfacht werden. Anträge auf
Genehmigung sollen keine Ablehnung wegen des Eingriffs in das optische
Erscheinungsbild mehr erfahren. Für Denkmäler, die als Unesco-Weltkulturerbe
ausgewiesen sind, soll weiterhin eine Einzelfallentscheidung getroffen werden.
Um die Genehmigungsprozesse von Windkraftanalagen zu vereinfachen, sollen auf
Landesebene die Prozesse in einer zentralen Stelle mit Prüfungs- und fachlicher
Genehmigungskompetenz gebündelt werden. Diese soll den kommunalen Prozess
zur Planung von Windkraftanalagen begleiten und beraten. Kommunen sollen dabei
die finale Entscheidungshoheit über die Ansiedlung von Windkraftanlagen erhalten.
Eine landesweite Abstandsregel über das sicherheitstechnische Minimum hinaus
lehnen wir ab. Die Entscheidung soll zwischen Kommunen und Investoren getroffen
werden und somit den lokalen Willen abbilden.
Eine staatliche Subventionierung von Strompreisen (wie beispielsweise des
Industriestrompreises) lehnen wir ebenfalls ab. Stattdessen soll der Strompreis um
zusätzliche Aufschläge bereinigt werden, um die Gesamtkosten des Energiebezugs
zu senken. Wir fordern daher die ersatzlose Abschaffung der Stromsteuer auf
EU-Ebene sowie der weiteren Abgaben (KWKG-Umlage, Abla-, Offshore-Netz und
$19 Umlagen, Konzessionsabgaben). Darüber hinaus wollen wir die Umsatzsteuer
auf Strom von 19% auf 7% senken.
Sicherstellung der Versorgungssicherheit
Umrichtergekoppelte erneuerbare Energieanlagen sind bereits heute technisch in der Lage, die Netzstabilität zu unterstützen. Durch einen Vergütungsmechanismus, der nur auf die eingespeiste kWh guckt, werden diese Potentiale bislang nicht genutzt. Die Übertragungsnetzbetreiber werden dazu aufgefordert, einen Ausschreibungsmechanismus für Blindleistung zu entwickeln, um auch Erneuerbare Anlagen in Zukunft für diese Systemdienstleistungen zu gewinnen.
Trotz aller Fortschritte beim Ausbau der Erneuerbaren Energien gibt es nach wie vor Zeiten, in denen zu wenig EE-Strom zur Verfügung steht, um alle Bedarfe zu decken. Dafür braucht es weiterhin gesicherte Leistung aus konventionellen Kraftwerken. Anstatt unwirtschaftliche und eigentlich schon abgeschaltete Kohlekraftwerke in die Netzreserve zu zwingen, muss die Bundesregierung nun schnellstmöglich die Ausschreibung für gesicherte Erzeugungskapazität aus H₂-ready Gaskraftwerken in die Wege leiten, wie sie schon seit längerem diskutiert wird.
Andererseits gibt es an besonders sonnigen Tagen mit wenig Last bereits heute das Problem der Überproduktion aus nicht auf Marktsignale reagierenden PV-Anlagen. Der unkontrollierbare Ausbau nicht steuerbarer EE-Anlagen wird somit von der Chance zunehmend zu einer Belastung für die Energiewende. Aus diesem Grund fordern wir die Abschaffung der EEG-Einspeisevergütung für neue Einlagen und das Aussetzen der EEG-Einspeisevergütung in Zeiten negativer Day-Ahead-Strommarktpreise auch für bestehende Anlagen. Die Kosten für das fehlende Reagieren auf Marktsignale können nicht länger bei der Allgemeinheit abgewälzt werden.
Zukunftstechnologien
Die wachsende inkonstante Energiegewinnung benötigt neue Lösungen zur
effektiven Nutzung der Energie von Erzeugungsspitzen. Um solche temporären
Energieüberschüsse besser zu nutzen, ist die Sektorenkopplung zur
Power-to-Gas/Heat/H2/Chem-Umwandlung von großer Wichtigkeit. Projekte,
welche diese neuen Technologien und Konzepte umsetzen, sollen vereinfachten
Genehmigungsprozessen unterliegen. Hierfür soll eine Koordinationsstelle
geschaffen werden, die Investoren und Unternehmen durch die Prozesse leitet und
gegebenenfalls Ausnahmen ermöglicht, damit Innovation nicht durch Bürokratie
gehemmt wird und Prozesse verschlankt werden.
Repowering ist ein wichtiger Schritt zur Erneuerung von Windkraftanlagen und zur
Steigerung der Energieproduktion in der Windenergiebranche. Wir fordern, dass
typengleiche oder vergleichbare Anlagen oder Sanierungen von Windkraftanlagen keinen umfangreichen Genehmigungsprozess mehr durchlaufen müssen.
Stattdessen sollen sie sich nur einem Abnahmeprozess unterziehen. Dies erleichtert
und beschleunigt den Repowering-Prozess erheblich und fördert eine schnellere
Erneuerung der Windkraftanlagen.
Wir Jungen Liberalen wollen die Förderung der Forschung von klimafreundlichenZukunftstechnologien weiterhin vorantreiben. Diese können mittel- bis langfristigdie aktuell wachsenden erneuerbaren Energien ergänzen. Die Erforschung undNutzbarmachung von beispielsweise Kernfusionsreaktoren, Thoriumreaktoren,sowie auch Dual-Fluid Reaktoren, wollen wir weiter mit den benötigten Ressourcenunterstützen.Die Übergangszeit hin zu einer klimafreundlichen Energiegewinnung bleibt einegroße wirtschaftliche und soziale Herausforderung. Um die Akzeptanz derBevölkerung und die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschlandnicht zu gefährden, akzeptieren wir die durch den Markt gefragten Energieformenund Erzeugungen. Die Versorgungssicherheit Deutschlands hat weiterhin höchstePriorität. Für die Gestaltung des Übergangs sind auch fossile Energien, insbesondere Gas von hoher Bedeutung. Kurzfristig befürworten wir daher die Ausbeutung eigener Gasreserven, beispielsweise durch Fracking, sofern dies notwendig ist.
Internationale Zusammenarbeit
Die sichere, klimafreundliche Energiegewinnung bleibt eine weltweite
Herausforderung. Insbesondere der europäische Kontinent bietet aufgrund seiner
geografischen Beschaffenheit unterschiedliche Bedingungen für eine Vielzahl an
Energiegewinnungsformen. Mit Hilfe bilateraler Abkommen soll Deutschland
wirtschaftlich attraktive Kooperationen zum Handel mit Energieträgern wie bspw.
Wasserstoff mit vorzugsweise europäischen Partnern forcieren.
Im internationalen Kontext wollen wir mittels Klimaclubs die internationalen Beiträge
zum Klimaschutz über die europäischen Grenzen hinaus fördern. Für die
wettbewerbsfähige Ökonomie des europäischen Zertifikatehandels bedarf es eines
Level Playing Fields mittels Mechanismen wie dem
Cross-Border-Adjustment-Mechanism (CBAM), welcher Carbon Leakage vermeidet
und gleichzeitig international Anreize für die Einführung einer CO2-Bepreisung in
anderen Ländern schafft. Dieser soll sukzessive mit der Erweiterung eines
europäischen Zertifikatehandels ausgebaut werden.