Das historische Scheitern der FDP bei den Bundestagswahlen 2013 hat uns deutlich vor Augen geführt, dass eine liberale Partei niemals Selbstzweck ist. Das Ziel von Politik ist Problemlösung. Jede staatstragende Partei ist entsprechend gefordert, in der liberalen Parteiendemokratie Deutschlands eine funktionelle Rolle einzunehmen. Die Rolle der FDP haben wir mit dem Neuanfang des Leitbildprozesses ab 2014 klar definiert: Als eine wirtschaftlich wie gesellschaftlich fortschrittliche Partei mit einem Markenkern, der im deutschen Parteiensystem einzigartig ist: Freiheit. Seitdem zeichnen uns Lust auf Fortschritt, mutiger Reformdrang, Zukunftsoptimismus und der Wille zur Verantwortung aus. Das spiegelt sich auch in unserem Grundsatz wider: German Mut statt German Angst. Diese Haltung bestimmt seitdem sowohl unser Politikverständnis als auch unser politisches Handeln. Im Jahr 2017 wurden die Freien Demokraten wieder in den Bundestag gewählt, weil dieses aus unserer Überzeugung entspringende Angebot auch wesentliche Teile der Bevölkerung überzeugen konnte.
Freiheit lebt von Verantwortung – es geht um unser Land
Unser Anspruch ist es, unsere politischen Ideen zur Realität zu machen. Deshalb wollen wir regieren. Wir wollen Wirtschaftswachstum schaffen. Wir wollen das Aufstiegsversprechen in unserem Land stärken. Wir wollen eine offene Gesellschaft etablieren und verteidigen. In den Jahren 1969 und 2021 haben wir uns dafür entschieden, Verantwortung für unser Land zu übernehmen, indem wir in eine Regierung eingetreten sind. Aus Überzeugung haben wir uns auch gegen Widerstände für die Bildung von Fortschrittskoalitionen entschieden, um den Stillstand der vorangegangenen Jahre zu beenden.
Genauso gilt: Regieren darf niemals Selbstzweck sein. Die Entscheidung für oder gegen eine Regierung bemisst sich nicht an der Anzahl der zu verteilenden Posten, sondern an der Umsetzung liberaler politischer Inhalte und an dem Fortschritt, den eine Regierungskoalition für unser Land erreicht. In den Jahren 1982 und 2017 haben wir uns dafür entschieden, Verantwortung für unser Land zu übernehmen, indem wir nicht in die Regierung eingetreten sind oder sie verlassen haben. Aus Überzeugung haben die Freien Demokraten mit der vermeintlichen Sicherheit des Vorhersehbaren gebrochen. Der Anspruch, nicht erpressbar zu sein und die Gewissheit, aus Überzeugung für unser Land zu handeln, waren für uns an diesen politischen Wendepunkten erfolgreicher Kompass.
Die Entscheidung über die Ausübung von Regierungsverantwortung bemisst sich für uns an den politischen Inhalten, die wir umsetzen, an der Erwartung über den Regierungserfolg und an dem patriotischen Motiv, zu tun, was das Beste für unser Land ist. Diese Entscheidung darf uns nicht schrecken. Wir müssen sie jetzt erneut treffen.
Problemlösung als Maßstab unserer Regierungsbeteiligung
Für uns ist klar: Trotz teils dramatischer Fehler der Ampelregierung, wie der Abschaltung der Atomkraftwerke, der Schaffung umfangreicher Fehlanreize beim Bürgergeld oder dem Versagem beim Gebäudeenergiegesetz ist längst nicht alles Schatten. Jedem Stillstands-Kabinett der Ära Merkel hätte die Bilanz der Ampel-Regierung gut zu Gesicht gestanden. Liberale Politik ist immer eine Politik, die der Angst widersteht. Deshalb war es richtig, 2023 nicht einer von Angst getriebenen sowie selbstbezogenen Kampagne zu folgen und die Regierungskoalition nicht mit Verweis auf eigene Landtagswahlergebnisse panisch zu verlassen. Gleichzeitig kann eine Bilanz nicht unseren Anspruch an das Regieren erfüllen. In Zeiten multipler Krisen, in denen wir die Auswirkungen des bestialischen russischen Angriffskriegs auf die Ukraine, die Nachwirkungen der globalen Pandemie und die aktuelle Schwäche des Wirtschaftsstandorts Deutschland spüren, müssen wir die Sinnhaftigkeit unserer Regierungsbeteiligung an anderen Maßstäben messen.
In den letzten Jahren hat sich das Verhältnis von Staat und Bürger empfindlich ins Ungleichgewicht verschoben. Der Bürger ist für den Staat allzu oft nur Bittsteller, der als Belastung empfunden und behandelt wird. Demgegenüber fordert der Staat seine Ansprüche gegenüber dem Bürger oft rücksichtslos und übergriffig ein. In Ruhe gelassen wird in Deutschland nicht der, der etwas leisten will, sondern der, der sich verweigert. Abgeschoben werden in Deutschland Menschen, die gut integriert und erwerbstätig sind, Gefährder bleiben wie in Solingen unbehelligt. Die Stagnation der Wirtschaft und das über Jahre hingenommene Staatsversagen in der Migration und Integration schüren Kontroll- und Wohlstandsverlustängste. Unzureichende oder fehlgeleitete politische Maßnahmen “besser zu erklären”, leistet dabei keinen Beitrag zur Problemlösung, sondern erschwert diese. Aufgabe der Politik ist vielmehr, diese Ängste zu adressieren, ohne sie weiter anzufachen, indem Probleme anerkannt und gelöst werden. Die Lösung der aktuellen Herausforderungen muss für uns Liberale deshalb der Maßstab für die Entscheidung über die Fortführung unserer Regierungsbeteiligung sein.
Migrationspolitik ist Aufgabe der demokratischen Mitte
Alle föderalen Ebenen sind maßgeblich für die Durchführung einer konsequenten Migrationspolitik verantwortlich und alle scheitern aktuell daran. Alle auf diesen föderalen Ebenen staatstragend agierenden Parteien müssen nun die Herausforderung annehmen, das aktuelle Staatsversagen in der Migrationspolitik zu beenden. Verweigert sich die bundespolitisch als Opposition agierende Union aus CDU und CSU, die gleichzeitig in vielen Bundesländern Verantwortung trägt, dann kann es keine Antwort auf die Herausforderungen in der Migrationspolitik geben. Jeder Lösungsversuch der Ampelparteien, der trotz Blockaden der Grünen Fraktion durchgesetzt wird, bliebe dann Stückwerk und somit bloßes Konjunkturprogramm für die nationalidentitären Brandstifter von AfD und BSW. Die Wahrnehmung staatspolitischer Verantwortung und ein Alleingang der Ampel schließen sich daher aus. Die Migrationspolitik ist notwendigerweise ein Projekt der gesamten politischen Mitte.
Die Jungen Liberalen bekennen sich sowohl zum deutschen Grundgesetz als auch zu den europäischen Grundfreiheiten. Eine Abschaffung des individuellen Rechts auf Asyl ist für uns unvorstellbar. Gleichzeitig sind wir uns einig, dass Europa und Deutschland Schutz nur denjenigen gewähren, die ihn wirklich benötigen. Daher braucht Europa gut gesicherte Außengrenzen, um innereuropäische Grenzen vermeiden zu können. Deutschland muss seiner Verantwortung gegenüber ausreisepflichtigen Personen besser nachkommen. Eine denkbare Maßnahme wäre die Einführung einer strikten Frist zur Durchsetzung gerichtlich angeordneter Abschiebungen. Ausreisepflichtigen Personen sind die Sozialleistungen auf das niedrigste verfassungskonforme Maß zu setzen. Die Möglichkeit des Ausreisegewahrsams muss ausgeweitet werden. Gleichzeitig müssen Menschen, die bleiben, arbeiten können. Möglich wäre hier die grundsätzliche Abschaffung einer formalen Arbeitserlaubnis. Vielmehr sollte eine Anzeige von Arbeit genügen. Eine Verteilung von Flüchtlingen auf die Kommunen sollte erst nach Abschluss des jeweiligen Verfahrens und Klärung des Aufenthaltsstatus geschehen. Dadurch werden Kommunen entlastet und Abschiebepflichtige bleiben im Zugriff des Staates. Die Möglichkeit des Arbeiten soll dann sofort mit Verteilung auf die Kommunen geschafft werden. Die Vorwürfe gegen das Außenministerium, illegal Visa an Afghanen vergeben zu haben, wiegen schwer. Gerade im Anbetracht der aktuellen Sicherheitslage darf nicht der Eindruck entstehen, Teile der Regierung arbeiteten aktiv gegen eine kontrolliertere Migration an. Deshalb fordern wir, diese Prozesse lückenlos aufzuklären.
Wir übernehmen Verantwortung für die Zukunft
Die Verantwortung für unser Land erfordert von uns, nun eine Entscheidung zu treffen. Ob die Freien Demokraten in der Bundesregierung verbleiben oder diese verlassen, hängt von den Antworten ab, die die Koalitionäre im Rahmen der Haushaltsverhandlungen finden. Diese Situation nehmen wir mutig an. Folgende Fragen müssen dabei beantwortet werden und unser Kompass sein:
- Gelingt die Wirtschaftswende? Unternehmen und Bürger müssen spürbar entlastet werden. Eine Politik des kleinsten gemeinsamen Nenners kann diesem Ziel nicht gerecht werden und muss ihr Ende finden – so oder so. Wir Jungen Liberalen erwarten in diesen Zeiten eine Regierung, die sich nicht dem Wettbewerb um Subventionen, sondern dem Wettbewerb um den besten Standort verschreibt. Wir erwarten eine Regierung, die die erdrückende Bürokratie abbaut, so dass bei Bürgerinnen und Bürgern ein Unterschied spürbar ist. Wir erwarten eine Regierung, die Unternehmen entlastet, um Raum für private Investitionen zu schaffen. Dazu gehört bspw. die finanzielle Belohnung von Mehrarbeit und eine deutliche Flexibilisierung der starren Arbeitszeitregelungen. Das Bürokratieentlastungsgesetz war ein guter erster Schritt, aber es müssen weitere und radikale Entbürokratisierungsschritte folgen. Vor allem muss die Entbürokratisierung aber auch beim Bürger ankommen. Unser Staat und unsere Verwaltung sind bis heute zu schwerfällig. Anträge und Verfahren dauern zu lange und sind zu kompliziert. Wir haben den Bürgerinnen und Bürgern einen einfacheren Staat versprochen. Es wird Zeit, dass wir dieses Versprechen einhalten! Es wird Zeit, dass wir aufhören jede EU-Norm mit einem deutschen „Goldstandards“ zu versehen! Die EU schafft Bürokratie, Rot-Grün und Ursula v.d. Leyen verschlimmern es. Es muss endlich klar sein: Wir brauchen einen schlanken Staat, der Gesetze und Normen schlank und einfach in die Umsetzung bringt. Jede Mehrbelastung führt zu Stillstand. Konkret fordern den Beschluss der Wachstumsinitiative der Bundesregierung im Bundestag noch vor Beschluss eines Bundeshaushaltes 2025.
- Ist der Haushalt generationengerecht? Die Einhaltung der Schuldenbremse in einem verfassungskonformen Haushalt ist Selbstverständlichkeit rechtsstaatlicher Politik. Der Haushalt muss in seiner Prioritätensetzung die aktuellen Herausforderungen widerspiegeln. Wir erwarten eine Bundesregierung, die Zukunftsinvestitionen, etwa in Infrastruktur und Bildung, durch Einsparungen statt durch Schulden ermöglicht. Wir erwarten eine Bundesregierung, die das Aufstiegsversprechen wiederbelebt und Fehlanreize in der Sozialpolitik korrigiert. Konkret fordern wir, den Umfang der globalen Minderausgabe unter Einhaltung der Schuldenregel des Grundgesetzes, im Bundeshaushalt 2025 auf das übliche Niveau von 2 % des Haushaltsvolumens zu reduzieren. Eine Sozialpolitik, die sich mehr um die Leistungsempfänger als um die Leistungserbringer kümmert, ist nicht im Sinne einer nachhaltigen Politik. Wir brauchen einen Sozialstaat, der seine Bürger fordert und zu ihrer jeweils besten Leistung fördert. Soziale Sicherheit ist kein Selbstzweck. So wie die Eckwerte zur Sozialversicherung regelmäßig angepasst werden, so muss auch der Grundfreibetrag im Rahmen des verfassungsrechtlich geschützten, nicht der Einkommensversteuerung zu unterwerfenden, Existenzminimums regelmäßig angepasst werden. Wir fordern, dass unwürdige Diskussionen, die fast jedes Jahr aufs neue hierbei geführt werden, der Vergangenheit angehören sollen. Deshalb muss der „Tarif auf Rädern“ kommen und ein mathematischer Automatismus zu einer jährlichen Fortschreibung führen. Ferner wollen wir, dass der Grundfreibetrag dieses Existenzminimum um 25 % übersteigt, damit der Anreiz zur Arbeit größer wird und gerade kleinere Einkommen mehr behalten dürfen. Das bedeutet für uns, dass der Grundfreibetrag für 2025 gut 15.000 € betragen soll. Wir fordern, den Freibetrag bei der Kapitalertragsteuer von 1.000 € auf 2.500 € p. P. zu erhöhen, das entspricht ungefähr dem inflationsbereinigtem Wert, wenn der Freibetrag seit 2002 nicht zweimal gekürzt worden wäre. Hier wollen wir diese Steuererhöhung zurücknehmen.
- Wird Deutschland seiner Rolle in der Sicherheitsordnung Europas gerecht? Wir erwarten eine Bundesregierung, die die Ukraine nun erst recht beispiellos unterstützt und Deutschlands Verteidigungsfähigkeit mit einer gut ausgestatteten Bundeswehr sicherstellt. Dazu gehört, dass Deutschland sich gemeinsam mit seinen europäischen Partnern bei der Unterstützung der Ukraine noch mehr als bisher einbringt, z.B. über die Nutzung von sog. Windfall Profits der eingefrorenen russischen Vermögen und die Auflösung der sozialdemokratischen Denkverbote bei der Lieferung von modernen Waffensystemen wie den Taurus-Marschflugkörpern. Der Sieg der Ukraine muss zum klaren Ziel der Unterstützungspolitik werden. Dazu gehört bspw. auch, dass die Bundeswehr durch die Entschlackung des Beschaffungswesens effizienter und somit schlagkräftiger wird. Dazu gehört aber auch, dass Deutschland die erst kürzlich erhöhten Anforderungen der NATO finanziell locker und nachhaltig erfüllt. Der Bundeshaushalt sollte zusätzlich genügend Raum für eine adaptive Reserve bieten.
- Gelingt in der Rentenpolitik eine Abkehr vom Prinzip Hoffnung? Das Rentenpaket II ist ohne spürbare Verbesserungen für die Altersvorsorge für alle kommenden Generation nicht tragbar. Wir erwarten eine Bundesregierung, die unser Rentensystem zukunftsfest macht, statt zukünftige Beitragszahler einer historischen Mehrbelastung auszusetzen. Konkret fordern wir, den Gesetzentwurf zum Rentenpaket II, der dem Bundestag vorliegt, nicht zu beschließen. Das starre Renteneintrittsalter passt nicht mehr in eine zunehmend digitalisierte und weniger körperlich anstrengende Arbeitswelt. Die Freien Demokraten sollten sich daher für eine Flexibilisierung des Renteneintrittsalters einsetzen. Das staatlich geförderte Altersvorsorgedepot und die Aktienrente sind zentrale Projekte, die unsere unsichere gesetzliche Altersvorsorge sinnvoll ergänzen. Die Freien Demokraten sollten sich für die Weiterentwicklung und Ausweitung solcher Initiativen engagieren. Wir begrüßen die Einführung eines Altersvorsorgedepots. Unser Ziel ist aber deutlich höher gesteckt: Wir wollen rein in das selbstbestimmte Vorsorgen, wobei die Besteuerung der in diesem Depot thesaurierten Kapitalerträge erst bei tatsächlicher Auszahlung (im Alter) anfällt. Eine weitere staatliche Zulagenförderung ist dann nicht notwendig, wir sind für Steuersenkungen statt Subventionen. Hier fordern wir die FDP-Fraktion in der Bundesregierung auf, Generationengerechtigkeit über Regierungsverantwortung zu stellen.
Die Beantwortung dieser Fragen wird ein eindeutiges Bild liefern und muss Grundlage der Entscheidung sein, ob diese Regierung Deutschland in die Zukunft führen kann. Ebenso eindeutig muss dann die Entscheidung sein. Sich der schweren Entscheidung, ob die Bundesregierung bestehen bleibt oder endet, zu stellen, verdient weder Spott noch Häme, sondern Respekt. Es ist für uns eine Entscheidung, die nicht von Angst getrieben sein darf, sondern durch unseren Mut ermöglicht werden muss. Es ist eine Entscheidung, die wir nicht für uns, sondern für unser Land treffen wollen.
Diese Entscheidung kann nicht im Konsens getroffen werden. Es ist aber unsere Pflicht, sie gemeinsam zu vertreten. Denn diese Entscheidung ist, unabhängig von ihrem Gehalt, ein Sprung ins Ungewisse, der uns nur vereint gelingen kann. Umso wichtiger ist es, sie aus den richtigen Gründen zu treffen. Uns Liberale eint, dass wir mutig Probleme lösen wollen. Wir gestalten Politik aus einer tiefen Verantwortung für die Menschen in unserem Land. Gemeinsam.