Frühkindliche Bildung ist die Grundlage einer erfolgreichen Bildungslaufbahn. Nur wenn am Anfang des Lebens gleichwertige Entwicklungs- und Bildungschancen für alle Kinder bestehen, ist gewährleistet, dass jeder Mensch sich gemäß seiner Talente, Begabungen, Interessen und Neigungen weiter entwickelt, ohne dass das Ergebnis der Entwicklung von seiner sozialen Herkunft abhängt.
Die Politik in Deutschland hat viel zu lange die Vermittlung von schulischem Wissen über die Vermittlung von Fähigkeiten gestellt, die für die Schullaufbahn notwendig sind. Kinder im Vorschulalter können mithilfe spezifischer Lernformen bestimmte Kulturtechniken früher viel besser und effektiver lernen als später. Die individuelle Förderung dieses Potenzials durch qualifiziertes Personal ist nach Auffassung der Jungen Liberalen die Leitidee frühkindlicher Bildung.
Für die Jungen Liberalen beginnt frühkindliche Bildung im Elternhaus. Die Eltern sind im Rahmen der Erziehung dafür verantwortlich, dass ihr Kind später ein selbstbestimmtes Leben führen und für sich sowie für seine Mitmenschen Verantwortung übernehmen kann. Dazu gehören neben grundlegenden kommunikativen Fähigkeiten vor allem soziale Kompetenzen. Die Politik muss den Familien die notwendigen erzieherischen Freiräume geben, um dieser Aufgabe gerecht zu werden.
Die Familie übernimmt in einem zunehmenden Teil der Bevölkerung allerdings nicht mehr in dem Maße die Rolle der sozialen Basis, wie es für eine adäquate frühkindliche Bildung erforderliche wäre. Damit die Kinder mit dem Eintreten der Schulpflicht tatsächlich schulfähig sind, muss die Politik an der Beseitigung von Entwicklungsdefiziten mitwirken. Die politischen Instrumente müssen sich sowohl an der Herstellung von Chancengerechtigkeit für die Kinder als auch an der Wahlfreiheit der Eltern orientieren.
Die Jungen Liberalen fordern:
Alle Informationsangebote für werdende Eltern auf kommunaler Ebene müssen gebündelt werden. Dabei ist eine Kooperation von Frauenärzten, Hebammen, Kinderärzten, Sozialämtern, Jugendhilfeeinrichtungen und Betreuungseinrichtungen anzustreben. Nach einer Einwilligung sollen alle werdenden Eltern sowohl über die in der Kommune bestehenden Angebote als auch über ihre Pflichten informiert werden. Als Anlaufstelle werden die Eltern auf das nächstgelegene Familienzentrum in ihrer Umgebung hingewiesen. Diese Zentren sind Kinderbetreuungseinrichtungen, die mit zusätzlichen Mitteln ausgestattet sind, um je nach der Organisation der Kinderbetreuung im jeweiligen Bundesland Informationen über bestehende Angebote, Leistungen und Pflichten zu erteilen.
Langfristig muss bundesweit ein Rechtsanspruch auf kostenlose Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr eingeführt werden. Zunächst müssen jedoch die erforderlichen Betreuungskapazitäten geschaffen werden. Hier liegen in den Ländern zum Teil große Unterschiede bei der Umsetztung vor. Während in den alten Bundesländern vor allem ein quantitativer Ausbau der Kinderbetreuung stattfinden muss, hat in den neuen Bundesländern die Weiterqualifizierung der Erzieher Priorität.
Ausgaben für Bildung, insbesondere für frühkindliche Bildung, haben für die Jungen Liberalen oberste Priorität. Der Erzieherberuf muss deutlich an gesellschaftlicher und politischer Wertschätzung zunehmen. Damit sowie mit den angesprochenen Veränderungen in der Ausbildung muss auch eine deutlich bessere Bezahlung dieser Berufsgruppe einhergehen.
Grundlage für die verbesserte Ausbildung von Erziehern mit Leitungsfunktion, Erziehern und Kinderpflegern sind zudem verstärkte Investitionen des Bundes und der Länder in die frühpädagogische Grundlagenforschung, etwa hinsichtlich der Zeitpunkte vorschulischer Sprachtests. Die wissenschaftliche Begleitung der Kinderbetreuung muss deutlich ausgebaut werden, um stetig neue Erkenntnisse in der frühkindlichen Bildung in die Ausbildung einfließen zu lassen.
Die Integration von Kindern mit Migrationshintergrund im vorschulischen Bereich soll durch spezielle, wissenschaftlich entwickelte und begleitete Ausbildungsmodule für Erzieher verbessert werden. Diese müssen insbesondere die Vermittlung von Fähigkeiten zur Beseitigung sprachlicher Defizite enthalten. Dazu gehört auch die Entwicklung von Modellen mit einer Förderung der Muttersprache von Kindern mit Migrationshintergrund. Unter Schulabgängern mit Migrationshintergrund soll zudem verstärkt für den Erzieherberuf geworben werden.
Die Länder sollen bei der Organisation der Kinderbetreuung Instrumente einsetzen, die einen Wettbewerb zwischen verschiedenen Betreuungsmodellen ermöglichen, wobei die Wahlfreiheit der Eltern stets zu berücksichtigen ist. Die Eltern werden durch Gutscheine mit einer Nachfragemacht ausgestattet, um die die verschiedenen Träger konkurrieren. Hierbei darf keinerlei Diskriminierung zwischen privaten, staatlichen und kirchlichen Trägern erfolgen, um eine tatsächliche Wahlfreiheit der Eltern zu ermöglichen. Sollten sich die Eltern gegen eine dauerhafte externe Betreuung ihrer Kinder entscheiden, können die Gutscheine für andere zertifizierte frühpädagogische Angebote eingesetzt werden. Die Flexibilität eines Gutscheinmodells erlaubt die zusätzliche Einbindung von Tagespflege-Angeboten. Zudem werden alle Eltern im Vorfeld der Geburt auch über bestehende Elternkompetenz-Angebote informiert. Soll die Betreuung der Kinder zu Hause stattfinden, können die Betreuungsgutscheine ebenso für hier bestehende Angebote verwendet werden.
Neben der Qualifizierung von Fachpersonal in Kinderbetreuungseinrichtungen sollen die Länder auch die Qualität der Tagespflege verbessern. Tagespflege-Angebote wie etwa Elterninitiativen oder Tagesmütter-Zusammenschlüsse sollen daher in den Zertifizierungspool für die Kinderbetreuung mit einbezogen werden. Dabei soll auch das Tagespflege-Personal einer Fortbildungspflicht unterliegen, um für die Verwendung der Betreuungsgutscheine in Betracht zu kommen.
Um die Schulfähigkeit aller Kinder bei der Einschulung zu gewährleisten, sollen die Länder im vorschulischen Bereich zwei verpflichtende Sprachtests bei allen Kindern durchführen, wobei der zweite Test parallel zur verpflichtenden Schuleingangsuntersuchung stattfinden soll. Damit soll die Entwicklung der Kinder dokumentiert werden. Wenn ein Jahr vor der Einschulung sprachliche Defizite festgestellt werden, ist der Besuch einer Kinderbetreuungseinrichtung verpflichtend. Hier werden alle Kinder gemeinsam auf den Wechsel vom Kindergarten in die Grundschule vorbereitet, während für die Kinder, bei denen ein Erreichen der Schulfähigkeit gefährdet ist, zusätzlich eine gesonderte individuelle Förderung statt findet.
Sowohl der Wechsel vom Kindergarten in die Grundschule als auch die Übergänge innerhalb der ersten Klassenstufen der Grundschule werden dem differenzierten Entwicklungsstand der Kinder oftmals nicht gerecht. Neben dem freiwilligen letzten Kindergartenjahr für Kinder, bei denen keine Entwicklungsdefizite festgestellt worden sind, und dem verpflichtenden Kindergartenjahr, bei Kindern mit festgestellten Entwicklungsdefiziten sollen die Länder die Übergänge zwischen dem letzten Kindergartenjahr und den ersten beiden Grundschuljahren flexibilisieren. Dabei müssen unnütze bürokratische Hürden abgebaut werden. Über eine Verzahnung der Bildungsinstitutionen sollen zudem der Übergang der Kinder erleichtert und die individuelle Förderung gewährleistet werden.