Junge Liberale kritisieren geplanten Vorstoß der EU-Kommission zur Chatkontrolle scharf

Nachdem der Gesetzentwurf der Europäischen Kommission zur Chatkontrolle veröffentlicht wurde, melden sich die Jungen Liberalen mit ihrer Vorsitzenden Franziska Brandmann zu diesem Vorstoß zu Wort:

“Das Ziel der Europäischen Kommission ist es, Kindesmissbrauch und insbesondere Missbrauchsdarstellungen im Internet zu erkennen und zu bekämpfen. Das ist ein sehr wichtiges Anliegen, das wir unterstützen. Das Mittel, zu dem die Kommission hier greifen will, ist aber gänzlich ungeeignet, Kindesmissbrauch zu verhindern. Stattdessen stellt es einen völlig unverhältnismäßigen Eingriff in die Privatsphäre aller Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union dar. Der Vorstoß der Kommission hätte zur Folge, dass sämtliche in Messengerdiensten wie WhatsApp verschickten Inhalte – auch private, verschlüsselte Nachrichten – durch Algorithmen maschinell ausgelesen und durchforstet werden. Das wäre das Ende der Bürgerrechte im digitalen Zeitalter. Bürgerinnen und Bürger stünden damit von jetzt auf gleich unter Generalverdacht. Es wäre ein Paradigmenwechsel: Bisher gehen wir von der Unschuld der Bürgerinnen und Bürger aus, bis wir eines Besseren belehrt werden. Der vorliegende Vorstoß würde dies ins Gegenteil umkehren. Plötzlich müssten alle Bürgerinnen und Bürger sich dem Screening all ihrer Nachrichten aussetzen, denn sie könnten ja Verbrechen begehen. Sollte dieses Gesetz beschlossen und in Deutschland umgesetzt werden, wäre dies eine klare Verletzung des Grundrechts auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme, das erst 2008 vom Bundesverfassungsgericht formuliert wurde. Dieses Recht auf eine sichere Kommunikation ist mit dem Vorschlag der Kommission unter keinen Umständen vereinbar.”

“Seit Monaten laufen Datenschützer und Rechtsaktivisten Sturm und betonen, dass dieser Ansatz erstens die Privatsphäre von Bürgerinnen und Bürger massiv beeinträchtigt und zweitens nicht geeignet ist, um Kriminelle aufzuspüren, da diese schon längst andere Kommunikationsformen nutzen. Es ist bedauernswert, dass die Kommission im vorliegenden Gesetzentwurf diese Expertenmeinungen gänzlich außer Acht lässt.

Jeder Algorithmus ist fehleranfällig, weil er von Menschen programmiert wird. Wir müssen davon ausgehenden, dass es in tausenden Fällen zu unberechtigten Verdächtigungen kommen würde. Zugleich muss jeder Verdacht von Menschen überprüft werden – eine heillose Überforderung unser sowieso bereits schwer belasteten Behörden wäre zweifellos die Folge. Polizei und Staatsanwaltschaften würden so aktiv von der Verfolgung der tatsächlichen Täter abgehalten, die laut Experten schon längst andere Formen der Kommunikation nutzen. Am Ende geht diese Gesetzesinitiative also gänzlich zu Lasten von unschuldigen Bürgerinnen und Bürger. Auch das Missbrauchspotential ist enorm.”

“Dieser massive Grundrechtseingriff ist für uns Junge Liberale schlicht nicht hinnehmbar, er darf nicht Realität werden. Die Kommission beweist hier, wie schon im Streit um Artikel 13 und das Urheberrecht, erneut, dass sie die Bedeutung digitaler Bürgerrechte nicht verstanden hat und offensichtlich auch nicht verstehen möchte. Wir fordern die Europäische Kommission dazu auf, diesen Entwurf gänzlich zurückzuziehen. Die Bundesregierung muss alles in ihrer Macht stehende tun, eine Verabschiedung des Entwurfs zu verhindern.” 

“Wer Kindesmissbrauch, wie wir, wirksam begegnen will, für den liegen bessere Handlungsoptionen auf der Hand: Wir brauchen eine bessere Ausstattung und personelle Aufstockung von Polizei und Sicherheitsdiensten, damit der Rechtsstaat besser organisiert ist als die Verbrecher. Insbesondere im wachsenden Bereich der Cyberkriminalität sind die Potentiale hier längst nicht ausgeschöpft. Auch die internationale Zusammenarbeit, zum Beispiel im Rahmen von Europol, muss gestärkt werden, wenn Missbrauchs-Kartellen das Handwerk gelegt werden soll.”