KUHLE-Interview für den Kölner Stadt-Anzeiger

KÖLN. Der Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen (JuLis), Konstantin KUHLE, gab dem Kölner Stadt-Anzeiger für die Ausgabe vom 14. August 2014 das folgende Interview. Die Fragen stellten Thorsten Keller und Tobias Peter.

 

Die Liberalen in Brandenburg haben den Slogan „Kein Sau braucht die FDP“ plakatiert. Sind die Kollegen dort auf den Kopf gefallen – oder was ist da los?
Konstantin KUHLE: Ich habe mich auch erst erschrocken. Aber es ist ja der Sinn dieser Kampagne, dass man aufgerüttelt wird. Die Brandenburger FDP hat nicht so gute Umfragewerte. Da fand ich es erfrischend, dass sie mal etwas Neues ausprobiert hat.

Ist die Kampagne nicht ein Rohrkrepierer? Viele fanden: Endlich sagt es mal jemand…
KUHLE: Die Kampagne hat mehrere Wellen – erst wird Aufmerksamkeit generiert, dann geht es um Inhalte. Dass es funktioniert hat, zeigt die letzte Pressekonferenz der FDP Brandenburg. Da mussten sogar zusätzliche Stühle besorgt werden. Das war lange nicht mehr so.

Ist die FDP wegen ihres Programms aus dem Bundestag geflogen – oder hat sie sich falsch verkauft?
KUHLE: Beides. Inhaltlich haben wir uns zu einseitig auf Steuersenkungen konzentriert – und waren bei unseren Forderungen so unrealistisch, dass wir von ihnen viel zu wenig durchsetzen konnten. Andere Themen wie die Bürgerrechte sind zu sehr in den Hintergrund gerückt.

Womit wir auch bei der Selbstdarstellung sind.
KUHLE: Wenn man die FDP auf Podiumsdiskussionen vertritt, merkt man: Die Menschen gehen schon vorab davon aus, dass der Liberale der unsympathischste Vertreter auf dem Podium ist und sind überrascht, wenn es dann anders ist. Das zeigt: Nur weil man für Marktwirtschaft ist, ist man noch lange kein Schwein.

Warum kommt die FDP so schlecht rüber?
KUHLE: Es gibt bei vielen Liberalen einen Widerspruch zwischen Menschenbild und Kommunikation. Eigentlich sind wir diejenigen, die den Menschen am meisten zutrauen. Wir sagen: Der Staat kann das nicht so gut wie du. Wenn man aber als Liberaler elitär und besserwisserisch daherkommt, widerspricht das dem eigenen Menschenbild zu 100 Prozent.

Und jetzt?
KUHLE: Wir müssen einen neuen Diskurs mit gesellschaftlichen Verbündeten führen. Warum ist die FDP nicht in der Lage, mit Gewerkschaften über gemeinsame Anliegen zu diskutieren? Wenn man bei Energiewende und Industriepolitik die Vorstellungen der IG Bergbau, Chemie und Energie neben die Programmatik der FDP legt, wird man überraschende Parallelen feststellen. Wir brauchen diese Offenheit nach außen.

Es gibt in der Partei zugleich eine große Härte nach innen. Wer Vorsitzender der FDP ist, befindet sich auf einem Schleudersitz.
KUHLE: Fürchterlich, oder? In der FDP mangelt es an einem realistischen Umgang mit der eigenen Führung. Guido Westerwelle war vielen irgendwann zu laut. Doch als wir den eher leisen Philipp Rösler zum Parteichef gemacht haben, hat auch das vielen ganz schnell nicht mehr gepasst. Wir müssen professioneller werden. Nehmen Sie mal die SPD. Was ist über Sigmar Gabriel früher alles Schlimmes gesagt worden? Doch als er Vorsitzender wurde, hat sich die Partei hinter ihm versammelt. Und die SPD hat – anders als wir – in der Regierung mehrere ihrer Versprechen schnell umgesetzt.

Bekommt Christian Lindner ein paar Jahre Zeit, um in Ruhe zu arbeiten? Oder bricht bald die Nachfolgediskussion los, falls er die Alternative für Deutschland nicht wieder einholt?
KUHLE: Er braucht die Zeit, niemand sollte schnelle Wunder erwarten. Klar ist aber auch: Die FDP verliert absolut mehr Wähler an die SPD als an die AfD. Am meisten verlieren wir an die CDU. Ich bin dagegen, der AfD hinterherzulaufen. Wenn wir uns denen annähern, wählen die Leute doch lieber das Original.

Hat sie überrascht, wie viel Häme auf die FDP im letzten Jahr eingeprasselt ist?
KUHLE: Nein. Und zwar, weil wir oft genug mit einem ähnlichen Maß an Häme mit dem politischen Gegner umgegangen sind. Im Bundestagswahlkampf waren Liberale an vorderster Front zu viel damit beschäftigt, in den Debatten über Veggie-Day und Pädophilie auf die Grünen einzudreschen, statt über eigene Themen zu sprechen. Die Folge war zwar ein schlechtes Ergebnis für die Grünen – doch ein noch schlechteres für die FDP.