KUHLE-Gastbeitrag zur Rentenpaket für „Handelsblatt Online“

Zum heute im Deutschen Bundestag verabschiedeten Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung schieb der Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen (JuLis), Konstantin KUHLE, folgenden Gastbeitrag für „Handelsblatt Online“ (http://www.handelsblatt.com/meinung/kolumnen/apo/ausserparlamentarische-opposition-schwarz-rot-kuendigt-den-generationenvertrag/9939302.html):

 

Heute kündigt Schwarz-Rot den Generationenvertrag

Die Große Koalition will kurz vor der Europawahl Fakten schaffen. Angeblich geht es Union und SPD um die Beseitigung von Ungerechtigkeiten im Rentensystem. In Wirklichkeit sollen jedoch kurzfristige Wahlgeschenke für einzelne Gruppen verteilt werden – auf Kosten der Solidargemeinschaft und auf Kosten nachfolgender Generationen.

Mit ihrem Beitrag zur Rentenversicherung zahlt die Generation von Erwerbstätigen heute die Alterssicherung der Menschen im Ruhestand. Dieser Generationenvertrag beinhaltet das Versprechen, dass im Gegenzug die kommenden Generationen für die späteren Rentner aufkommen werden. Weil die Bevölkerung jedoch insgesamt altert, stehen für dieses Modell und damit für die Bezahlung der Rente künftig weniger Erwerbstätige zur Verfügung.

Auf dieses Problem kann die Politik unterschiedlich reagieren: Sie kann die Beiträge zur Rentenversicherung erhöhen, das Rentenniveau absenken, das Renteneintrittsalter herauf setzen oder auf zusätzliche Versorgungssysteme wie etwa die Betriebsrenten oder private Vorsorge setzen. Zwischen Politik und Fachwelt herrscht weitgehend Einigkeit, dass eine schonende Modernisierung der Rente an all diesen Stellschrauben drehen muss. Auf diese Weise kann der Anpassungsdruck fair zwischen den Generationen verteilt werden.

Diesem Ansatz folgend wurde 2007 beschlossen, dass das reguläre Renteneintrittsalter von 65 auf 67 steigen soll. Dies geschah aber nicht auf einen Schlag. Erst seit 2012 steigt das Renteneintrittsalter in kleinen monatlichen Schritten – bis der Renteneintritt im Jahr 2029 dann endgültig mit 67 Jahren erfolgen wird. Soweit der Kompromiss. Doch nur zwei Jahre nach dessen Inkrafttreten legt Schwarz-Rot heute mit dem sogenannten Rentenpaket für einzelne Gruppen wieder den Rückwärtsgang ein.

Insbesondere die SPD versteht es dabei, die Rente mit 63 als generöse Abkehr von einer angeblichen Irrlehre zu verkaufen. Um ihr schlechtes Gewissen aus Zeiten der rot-grünen Koalition und der ersten Großen Koalition unter Merkel zu befriedigen, müssen die Sozialdemokraten nun  ihrer Kernklientel ein Bonbon servieren. Das Märchen lautet: Wer 45 Jahre hart körperlich gearbeitet hat, der darf schon mit 63 ohne Abschläge in den Ruhestand gehen.

Hinter diesem Coup verbirgt sich jedoch eine Mogelpackung. Union und SPD wollen schließlich auch solche Jahre auf die Einzahlungszeit anrechnen, in denen ein Arbeitnehmer gar nicht gearbeitet, sondern Arbeitslosengeld bezogen hat. Vor allem aber gilt die Regelung nicht nur für die kleine Gruppe körperlich hart arbeitender Malocher, sondern letztlich für alle Beitragszahler – allerdings nur aus einer einzigen Generation. Dieses Manöver entlarvt die Rente mit 63 als das was sie ist – die Kündigung jener lange erstrittenen Vereinbarung zwischen den Generationen, dass die Rente nur gemeinsam reformiert werden kann. Damit versucht die Große Koalition den wachsenden Rentneranteil in der Wählerschaft ruhig zu stellen, während das Renteneintrittsalter und die Rentenbeiträge für die Jungen weiter ansteigen. Wer so über den Generationenvertrag verhandelt, braucht sich nicht zu wundern, wenn ein Verhandlungspartner – die Beitragszahler – irgendwann frustriert vom Verhandlungstisch aufsteht.

Neben der Rente mit 63 beinhaltet das Rentenpaket der Großen Koalition ein zweites Kernprojekt. Was der SPD die geheuchelte Sozialromantik der Rente mit 63 ist, ist für die Union der Wohlfühlfaktor Mütterrente. Nach der Darstellung von Christdemokraten und Christsozialen steht dabei die Anerkennung für die Erziehungsleistung in der Familie im Vordergrund. Konkret erhöht sich die Rente für alle Mütter, die vor 1992 Kinder geboren haben – unabhängig von der persönlichen Bedürftigkeit.

Schafft der Staat eine zusätzliche Sozialleistung und damit neue Ausgaben, so muss er eigentlich auf der Einnahmeseite eine Gegenfinanzierung bereit halten. Da die Mütterrente in der Rentenkasse ursprünglich nicht eingeplant war, handelt es sich um eine so genannte versicherungsfremde Leistung. Nach traditionellem Verständnis müsste Schwarz-Rot sie deshalb fairer Weise aus Steuermitteln bezahlen, statt sich an der Rentenkasse zu bedienen. Schließlich war eine solche Ausgabe darin ursprünglich nicht vorgesehen. Doch statt ein vernünftiges Finanzierungsmodell vorzulegen, begründen Union und SPD ihr offenkundiges Plündern der Rentenkasse mit deren angeblich guter finanzieller Lage.

Diese Begründung klingt in den Ohren der jungen Generation wie Hohn und Spott. Schließlich überweist der Bund schon heute zwischen 70 und 80 Milliarden pro Jahr aus dem Bundeshaushalt an die Rentenversicherung. Dabei handelt es sich um den größten Einzelposten – er macht weit mehr aus, als die Ausgaben für Bildung und Straßenbau zusammen.

Diese jährlichen Zahlungen dienen der Finanzierung anderer versicherungsfremder Leistungen und der allgemeinen Stabilisierung der Rentenkasse. Jeder weiß schon heute, dass der Steuerzuschuss in den kommenden Jahren weiter steigen wird. Damit ist die nachfolgende Generation doppelt angeschmiert. Einerseits muss sie höhere Rentenbeiträge zahlen. Andererseits verteilt der Staat immer mehr Steuern in die Rentenkasse um, weil die Beiträge allein nicht ausreichen.

Ob Rente mit 63 oder Mütterrente – mit dem Rentenpaket projiziert die Große Koalition romantische Hoffnungen auf die gesetzliche Rentenversicherung. Sie macht Versprechen, die nichts mit dem eigentlichen Sinn der Absicherung im Alter zu tun haben. Finanziert wird diese Sause, indem die Belastungen für die schrumpfende Zahlergeneration steigen. Die wachsende Empfängergeneration darf sich dagegen über eine Entlastung freuen. Mit dem Rentenpaket der Großen Koalition wird jungen Menschen in Deutschland vor Augen geführt, dass schwarz-roter Politik nicht an einer enkelfitten Lösung des Rentenproblems gelegen ist. Es ist ein historischer Fehler, der uns in den nächsten Jahren und Jahrzehnten noch teuer zu stehen kommen wird.