Die Coronapandemie und die Maßnahmen, die zu ihrer Eindämmung ergriffen wurden, haben die Menschen in unserem Land, vor allem die junge Generation, vor enorme Herausforderungen gestellt: Viele haben Angehörige verloren, mussten soziale Isolation und wirtschaftliche Härten erdulden. Schülerinnen und Schüler konnten nicht zur Schule gehen, Universitäten haben auf Distanzlehre geschaltet. Das Gesundheits- und Pflegepersonal hat und leistet immer noch Beeindruckendes, um Erkrankte zu behandeln und Leben zu retten. Psychische Erkrankungen haben in der Pandemie stark zugenommen und in der Folge auch die Wartezeiten auf einen Therapieplatz. Eine der Lehren aus der Pandemie muss deshalb zwingend sein, Notstände im Gesundheitssystem ohne Umschweife strukturell anzugehen und nachhaltig zu beheben.
Wir Junge Liberale haben in der Pandemie von Beginn an auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gepocht und unverhältnismäßige Maßnahmen wie Ausgangssperren und Schulschließungen aufs Schärfste kritisiert. Der Zweck des Infektionsschutzes bleibt, die Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern und eigenverantwortlichen Menschen den Selbstschutz zu ermöglichen. Ein Recht des Staats darüber hinausgehend, in bevormundender Art und Weise die Gesundheit eines volljährigen Menschen gegen dessen Willen zu schützen, besteht in einem freiheitlichen und demokratischen Rechtsstaat nicht. Mit dieser Haltung wollen wir uns lautstark in den aktuellen Diskurs einbringen.
Das Coronavirus ist nicht verschwunden, aber dank der Innovationskraft der sozialen Marktwirtschaft haben wir Mittel und Wege gefunden, die von ihm ausgehende Gefahr zu beherrschen. Viele Menschen haben Verantwortung für sich selbst und ihre Mitmenschen übernommen und sich impfen lassen. Im Winter 2022/23 treffen Virusvarianten mit nur noch selten schweren Verläufen auf eine Bevölkerung, die wesentlich besser geschützt ist. Damit ändert sich auch der rechtliche und politische Maßstab für den Infektionsschutz. Eine akute Gefahr der Überlastung des Gesundheitssystems ist zurzeit nicht gegeben. Gleichzeitig ist Selbstschutz effektiv umsetzbar: Allen Bürgerinnen und Bürgern stehen dank Impfungen, kostengünstigen Testangeboten, aber auch durch das freiwillige Tragen von medizinischen Masken, effektive und einfache Maßnahmen zum Selbstschutz zur Verfügung. Deshalb fordern wir ein Ende der verpflichtenden Maßnahmen zum Infektionsschutz. Stattdessen muss der Fokus auf dem Schutz besonders vulnerabler Gruppen liegen.
Konkret fordern wir, dass die Pflicht zum Tragen medizinischer Masken im Fernverkehr abgeschafft wird. Gleiches gilt für die Möglichkeit der Länder, Maskenpflichten im ÖPNV, in Innenräumen und im Außenbereich einzuführen. Das Hausrecht bleibt davon unberührt. Empfehlungen zum Tragen einer Maske sollen weiterhin ausgesprochen werden können. Testpflichten in Schulen und Kitas wollen wir abschaffen. Flächendeckende Testmöglichkeiten sollen in allen Bildungseinrichtungen als Angebot zur freiwilligen Nutzung zur Verfügung stehen. Abstandsgebote und Personenobergrenzen dürfen – auch auf Basis eines Landtagsbeschlusses – nicht verordnet werden. Auch neue darüber hinausgehende Verschärfungen des Infektionsschutzgesetzes lehnen wir strikt ab, insbesondere solche Verschärfungen, die nicht auf einer konkreten Gefahrenlage, sondern auf vagen Mutmaßungen und Befürchtungen beruhen. Die Maßnahmen zum Schutz vulnerabler Gruppen begrüßen wir allerdings, weil diese besonders starken Risiken im Vergleich zur Allgemeinheit ausgesetzt sind. Daher wollen wir die Masken- und Testpflicht in Einrichtungen der Pflege beim Kontakt mit vulnerablen Gruppen aufrechterhalten.
Wir appellieren an alle Bürgerinnen und Bürger, verantwortungsvoll zu handeln und insbesondere daran, sich impfen zu lassen. Das Bundesgesundheitsministerium muss hierzu die laufende Werbekampagne für das Impfen, “Zusammen gegen Corona”, verstärken und solche Kampagnen auch zukünftig fahren.
Die Folgen der Pandemie werden uns noch länger begleiten. Einen besonderen Schwerpunkt sehen wir dabei in der psychischen Gesundheit. Wir erneuern daher unsere Forderung, die Begrenzung der Kassensitze für Psychotherapeutinnen und -therapeuten sofort abzuschaffen. Bis zur Abschaffung wollen wir das Kostenerstattungsverfahren vereinfachen, damit Betroffene psychotherapeutische Leistungen auch bei Therapeutinnen und Therapeuten ohne Kassenzulassung einfach in Anspruch nehmen können. Künftig soll eine Bescheinigung durch eine Therapeutin oder einen Therapeuten im Erstgespräch ausreichen, um das Kostenerstattungsverfahren in Anspruch nehmen zu können. Unser Ziel ist es, die Wartezeiten auf Erstgespräch und Therapieplatz auf unter vier Wochen zu verkürzen. Für die Erforschung von “Long Covid”, unter dessen Symptomen zehntausende Deutsche weiterhin leiden, müssen ausreichende Gelder zur Verfügung gestellt werden. Der Pflegenotstand muss endlich entschlossen angegangen werden. Wir wollen Pflegepersonal durch Digitalisierung von überflüssiger Bürokratie befreien und verstärkt in technische Hilfsmittel investieren, um die körperliche Belastung des Berufes zu begrenzen. Durch eine attraktive Pflegeausbildung, zielgerichtete und großflächige Einwanderung von Pflegefachkräften wollen wir dem Personalnotstand entgegenwirken und die Arbeitszeiten in der Pflege verbessern. Eine bessere Bezahlung für Pflegepersonal begrüßen wir.
Weiterhin ist die Einrichtungsbezogene Impfpflicht wieder aufzuheben, da die Notwendigkeit beim derzeitigen Verlauf der Pandemie entfällt und die ohnehin sehr angespannte Personalsituation in der Pflege dringend entlastet werden muss.
Außerdem setzen wir uns dafür ein, dass baldmöglichst eine großflächige Aufarbeitung der Corona-Politik stattfindet. Dies soll durch ein von der Politik komplett unabhängiges Gremium bestehen. Bürger, die aus verschiedensten Gründen unter den Corona-Maßnahmen litten, sollen von diesem angehört werden. Dabei soll insbesondere geschaut werden, welche Strukturen und Dynamiken es ermöglichten, dass viele unverhältnismäßige Maßnahmen eingeführt und noch lange beibehaltet wurden, auch wenn deren Nutzen schon lange widerlegt war oder der Schaden dem Nutzen weit überwog. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass bei einer erneuten ähnlichen Krise besser entschieden wird und die Fehler von damals nicht wiederholt werden.