14.03.2024

Chancenkontinent – eine liberale Strategie für Nordafrika

Die Welt befindet sich im Wandel. Das autoritäre China strebt im Rahmen ihrer „Major Country Diplomacy“ offen die Führung einer neuen Weltordnung an und der Westen scheint nicht in der Lage zu sein, dies aufzuhalten. Im Rahmen der sogenannten „Belt and Road Initiative“ gewinnt die Volksrepublik weltweit an Einfluss, indem sie Geldmittel für Infrastrukturprojekte wie Brücken, Häfen, Bahntrassen oder Staudämme zur Verfügung stellt. Das Ziel der chinesischen Volksrepublik ist es, durch vielfältige Verflechtungen eine politische Abhängigkeit zu schaffen. Der Belt and Road Initiative sind weltweit circa 150 Länder beigetreten, darunter auch Österreich, Italien, Portugal genauso wie alle Länder auf dem afrikanischen Kontinent. Insbesondere die Rolle der Mittelmeer-Anrainerstaaten in dieser Frage hat für Deutschland eine hervorgehobene Stellung, beispielsweise aufgrund der gemeinsamen Mitgliedschaft in der Mittelmeer-Union oder aufgrund von Migrationsbewegungen.

Insbesondere die nordafrikanischen Länder sind von der Debt-Trap-Diplomacy des Peking-Regimes betroffen: alle nordafrikanischen Länder sind Mitglied in der Asian Infrastructure Investment Bank, im Gegensatz zu der Mehrheit der Länder auf dem nordafrikanischen Kontinent.

Die westliche Entwicklungszusammenarbeit hat es im Gegensatz dazu in mehreren Jahrzehnten nicht geschafft, auch nur eine annähernd ähnliche Wirkung zu erreichen. Damit wurden unzählige Chancen vertan, mit Partnern (in Nordafrika) für mehr Wohlstand in allen beteiligten Ländern zu arbeiten und demokratische Institutionen zu stärken. Das wollen wir jetzt ändern! Wenn Entwicklungsprojekte von politischen oder wirtschaftlichen Interessen geleitet ist, darf kein „Deckmantel der Humanität“ verwendet werden. Eigene Interessen und Ziele müssen ehrlich kommuniziert werden, um eine aufrichtige Zusammenarbeit auf Augenhöhe zu ermöglichen. Nachhaltige Entwicklungszusammenarbeit kann nur funktionieren, wenn der Erfolg nicht erzwungen wird, sondern von der Bevölkerung des Partnerlandes selbst getragen werden wird. Auf dieser Grundlage möchten wir ein Gegenmodell zum Neo-Imperialismus der sogenannten Volksrepublik entwickeln: eine Entwicklungspolitik auf Augenhöhe.

Stabilisierung und Demokratieförderung

Von den fünf nordafrikanischen Staaten, Marokko, Algerien, Libyen, Tunesien und Ägypten werden keine vom Fragile State Index als annähernd stabil bewertet. Sollten diese Staaten zusammenbrechen, bedeutet dass großes Leid für die Menschen vor Ort, Wohlstandsverlust, den Wegfall eines Handelspartners und Flüchtlingsströme Richtung Europa. Das wichtigste Ziel der Entwicklungszusammenarbeit muss also die Stabilisierung / das Verhindern des Scheiterns eines Staates sein. Leistungen, die über die Stabilisierung hinausgehen, müssen der Förderung der Demokratie in den Partnerstaaten dienen. Tunesien ist die einzige Demokratie in Nordafrika – so soll es nicht bleiben. Für uns Junge Liberale ist klar, dass Demokratie nie durch Waffengewalt exportiert, werden kann, sondern von der Bevölkerung eines Staates selbst gewählt werden muss. Sie kann niemandem aufgezwungen werden. Aus diesem Grund wollen wir die Machthaber zu Zugeständnissen bewegen und die demokratischen Kräfte der Bevölkerung stärken. Besonders dort, wo demokratisches Gedankengut noch selten ist, müssen wir diese Akteure stärken und unterstützen. Es braucht eine Wiederbelebung des Prinzips „Wandel durch Annäherung“. Sollten Maßnahmen jedoch keines dieser beiden Ziele erfüllen, müssen diese beendet werden. Vor diesem Hintergrund wollen wir besonders die Polizeiausbildungsmission in Ägypten dieser Prüfung unterziehen.

Entwicklungszusammenarbeit europäisch denken

China gibt pro Jahr etwa anderthalb so viel Geld für Entwicklungszusammenarbeit in Afrika aus, wie die EU für alle ihre Projekte. Gleichzeitig fließen chinesische Gelder vornehmlich in Infrastrukturprojekte, während wir oftmals Bildungsprogramme und kleinereProjekte fördern, von denen Menschen mangels Arbeitsplätze vor Ort wenig profitieren. Wir haben also zu wenig Geld und setzen diese auch nicht effizient ein. Wir Jungen Liberalen fordern, die Entwicklungszusammenarbeit Europas auf der Ebene der EU mit klaren Leitlinien und einer gemeinsamen Strategie zu koordinieren. Nicht jeder Mitgliedsstaat muss in jedem Land kleine Projekte fördern. Wir begrüßen deshalb Initiativen wie die EU-Initiative Global Gateway oder der von den USA vorgeschlagenen B3W-Initiative der G7. Perspektivisch soll diese Strategie auch vom Ausschuss für Entwicklungshilfe der OECD verfolgt werden, damit mit den Geldern der restlichen Mitgliedsländer eine noch breitere und effektivere Entwicklungspolitik gelingen kann.

Elementarer Bestandteil einer neu ausgerichteten Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika ist dabei eine ernsthafte europäische Konnektivitätsstrategie. Mit dem Global Gateway wurde ein erster Schritt in die richtige Richtung gemacht. Neben dem Ausbau von Infrastruktur und neuen Digital- und Klimaprojekten wollen wir insbesondere auch den Fokus auf eine nachhaltige Schaffung von Arbeitsplätzen und dem Know-How-Transfer für die afrikanische Bevölkerung legen.

Politik mit dem water jet statt der Gießkanne

Die europäischen Gelder werden vor Ort nicht effektiv eingesetzt. Viele versickern in der lokalen Korruption und die, die tatsächlich beiden Menschen ankommen, haben geringe Auswirkungen auf ihren Lebensstandard. Obwohl die chinesische Strategie die Nehmerländer von der Volksrepublik abhängig macht, ist sie bei den Menschen vor Ort beliebter als unsere, weil sie tatsächlich große Projekte umsetzt.

Wir Jungen Liberalen wollen daher, dass wirtschaftlich gewidmete Entwicklungsgelder primär für die Schaffung von Infrastruktur und Arbeitsplätzen eingesetzt werden. Die Jugendarbeitslosigkeit in den nordafrikanischen Staaten ist generell hoch und durch die Coronapandemie noch stärker gestiegen. Das schadet dem wirtschaftlichen Fortschritt vor Ort, der Stabilität der Länder und kann Wirtschaftsflucht nach Europa auslösen. Daher müssen dringend Arbeitsplätze geschaffen werden, um dieses Problem aufzufangen.

Das regelt auch der Markt

Nur wenn wir die Kraft der Marktwirtschaft entfesseln, können wir der staatskapitalistischen Entwicklungspolitik des Peking Regimes die Stirn bieten. Westliche und afrikanische Länder sollten zusammen daran arbeiten, Markteintrittsbarrieren abzubauen, um private Investitionen in afrikanische Länder zu erleichtern. Dafür wollen wir bestehende Freihandelsabkommen ausbauen und ergänzen; das Ziel hierbei sind multilaterale Freihandelsabkommen, die den freien Verkehr von Waren und Arbeit ermöglichen. Gleichzeitig tragen Freihandelsabkommen auch zur Verbreitung von Menschenrechtsstandards bei, die genauso wie rechtsstaatliche Prinzipien und der damit verbundenen Planungssicherheit für Unternehmungen Grundvoraussetzung für erfolgreiche Investitionen in Afrika sind. Vertragsmodalitäten wie die Menschenrechtsklausel in Freihandelsabkommen der EU begrüßen wir deshalb. Daneben müssen westliche Staaten gemeinsam mit den afrikanischen Partnern daran arbeiten Bürokratie abzubauen, Visaerteilungen zu vereinfachen, Kapital einfacher bereitzustellen, und gezielte Förder- und Beratungsprogramme für Unternehmen aufzusetzen, die in Nordafrika investieren wollen.

Nachhaltigkeit und Klimaschutz weltweit

Die Entwicklungszusammenarbeit Deutschlands muss sich an den Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen ausrichten. Dabei ist es aber von entscheidender Bedeutung, dass die Umsetzbarkeit dieser Ziele für Entwicklungsländer auf multilateraler Ebene sorgfältig überprüft wird. Neben der Beachtung von Umweltaspekten müssen auch soziale und wirtschaftliche Aspekte angemessen berücksichtigt und sorgfältig abgewogen werden. Unser Hauptanliegen sollte jedoch darin bestehen, von Anfang an eine möglichst nachhaltige Entwicklung zu gewährleisten. Dazu ist es wichtig, projektbezogene finanzielle Unterstützung zu gewähren.

Die Industrieländer tragen eine maßgebliche Mitverantwortung für die spürbaren Auswirkungen des Klimawandels in Afrika. Da die Möglichkeiten einzelner Akteure, hinreichende umwelt- und klimapolitische Maßnahmen zu ergreifen, begrenzt sind, sollten wir unsere Beziehungen und Ressourcen nutzen, um effektive lokale Lösungen zu fördern. Wo vor Ort das notwendige technologische oder organisatorische Wissen fehlt, können wir unterstützend eingreifen, indem wir Wissenstransfer ermöglichen. Des Weiteren sollten wir afrikanische Delegationen bei Klimaverhandlungen partnerschaftlich unterstützen, sofern sie es wünschen. Ziel ist es, ihnen die erforderlichen Ressourcen und das Know-how zu vermitteln, damit sie die Interessen Afrikas erfolgreich vertreten können.

Im Übrigen wollen wir Desertec wiederbeleben. Mit gezielten Fördermaßnahmen wollen wir den schnellen Ausbau von Solarkraftanlagen in der Sahara in allen nordafrikanischen Ländern fördern und die bereits bestehenden Projekte schneller zum Abschluss bringen. Das Ziel muss sein, vor Ortklimaneutralen Wasserstoff zu produzieren, mit dem auch die europäische Industrie betrieben werden kann. Die wasserstoffproduzierende Industrie wollen wir daher ebenfalls unterstützen.

Flüchtlingspolitik vor Ort

Wir wollen dafür sorgen, dass Fluchtursachen gar nicht erst entstehen. Wirtschaftsflucht verhindern wir durch gute wirtschaftliche Verhältnisse vor Ort, die Verhinderung von persönlicher Verfolgung können wir jedoch nur begrenzt durch den Demokratisierungsprozess und die Förderung von Menschenrechten in den Partnerländern unterbinden. Die nordafrikanischen Länder sind in erster Linie Transitländer für Flüchtlinge aus Sub-Sahara-Afrika. Wir müssen unsere Partner bei der Versorgung ihrer Flüchtlinge unterstützen. DieAufrechterhaltung von menschenunwürdigen Internierungscamps, mit denen die EU ihre Verantwortung auf Gebiete abwälzt, die nicht ihrer Menschenrechtskonvention unterliegen, müssen beendet werden. Stattdessen müssen wir unsere Partner bei der Schaffung von menschenwürdigen Flüchtlingsunterkünften unterstützen, in denen auch direkt Asylanträge nach Europa gestellt werden können. Um das Sterben im Mittelmeer zu beenden, wollen wir das Schleppertum und die illegale Migration direkt an den Küsten Afrikas unterbinden und die Anliegerstaaten bei dieser Aufgabe unterstützen. In diesem Zusammenhang begrüßen wir Migrationsabkommen zwischen der Europäischen Union und nordafrikanischen Staaten (wie bspw. jüngst mit Tunesien). Ausbildungsprogramme, wie das für die libysche Küstenwache müssen jedoch den Menschenrechten entsprechen, ansonsten dürfen wir sie nicht weiter fortsetzen. Um besonders Libyen als besonders exponiertes Transitland zu unterstützen, müssen wir den Friedensprozess im Land beobachten und gegebenenfalls beratend tätig werden, um Frieden, Freiheit und Stabilität vor Ort zu gewährleisten.

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